Pressemitteilung (als PDF herunter laden)

5.000 Euro sollen nach Vorstellung des Jesuitenprovinzials Kiechle die Opfer von Missbrauch durch Kleriker entschädigen. Eine Herleitung dieses Betrages gibt er so wenig wie eine Einordnung in die Sprachregelung der Oberen der Institution Kirche zum Missbrauchsgeschehen. Die Widersprüchlichkeit der Sprachregelung verbietet sie. So lehnt der Chef des Bistums Osnabrück, Dr. Bode, am gleichen Tag `generelle Entschädigungen´ ab. Es könnten nach Ansicht des Dr. Bode gleiche Zahlungen an Opfer von diesen Opfern unterschiedlich bewertet werden, weil sie heute finanziell und gesellschaftlich unterschiedlich positioniert sind. Gleiche Zahlungen seien ungerecht. Der Osnabrücker Kirchenboss macht die Schwere einer Tat von der Situation des Opfers Jahrzehnte nach der Tat abhängig. Diese Argumentation ist die an Absurdität kaum zu überbieten. Es spricht somit einiges für eine Entschädigung, die an alle Opfer in gleicher Höhe gezahlt wird, deren Höhe jetzt mit 5.000 Euro beziffert ist.

Aber von gleicher Entschädigung kann keine Rede sein. Ein Missbrauch wurde in den USA mit durchschnittlich einer Million Dollar entschädigt. In Irland liegt die Quote bei ca. 20.000 €, die österreichische Kirche nennt Beträge zwischen 5.000 und 25.000 Euro. Ein Missbrauch in den USA ist, und nur dieser Schluss ist zulässig, bedeutender als ein Missbrauch in Irland, Österreich und jetzt in Deutschland. Diese Ungleichbehandlung ist durch nichts zu rechtfertigen. Und in Deutschland? Hier wurden Zahlungen in wesentlich anderer Größenordnung bereits geleistet oder angeboten. So sind im Bistum des Dr. Bode im September 2010 konkret Zahlungen im fünfstelligen Euro-Bereich konkret geboten. Gleichheit, Gerechtigkeit, Demut gegenüber den Opfern? – Fehlanzeige. Stattdessen Taktiererei und mediale Strategie pur.

Der Jesuit Mertens hat vor wenigen Tagen gefordert, eine Entschädigung müsse schmerzen. Nunmehr ist also klar, was der Jesuitenorden und mit ihm die Herren der Institution Kirche für schmerzlich halten. Die Summe ist also einzuordnen. Ein verheirateter Familienvater mit 2 Kindern zahlt bei einem Einkommen von 40.000 Euro brutto in 2010 ca. 400 Euro Kirchensteuer, cirka zwei Prozent seines Nettoeinkommens. Die Höhe der Steuer richtet sich nach dem Bedarf der Institution Kirche, die sich das naturgegebene Recht zugesteht, zu fordern, wessen sie bedarf. Aus der Gültigkeit der Nächstenliebe ergibt sich aber das Verbot des Zufügens von Schmerzen, die Höhe der Kirchensteuer darf nicht schmerzlich sein, will Kirche nicht gegen eigenes Gebot verstoßen. Die katholische Kirche erhält 2010 Kirchensteuer in Höhe von ca. 4,4 Milliarden Euro pro Jahr. Zwei Prozent dieser Summe sind 88 Millionen Euro. Sollten 1000 Personen Entschädigt werden müssen, so ergibt sich ein Summe von 88.000 € pro Person und Jahr anstelle der ins Gespräch gebrachten 5.000 €.

Für die Kirche `schmerzhaft´ ist bereits eine Zahlung, die 5,7 % dessen entspricht, was sie für Zahlungen an sie selbst für unproblematisch hält. In konsequenter Anwendung der bidirektionalen Gültigkeit von Recht sind alle Kirchensteuerzahler berechtigt, ihre Kirchensteuer auf weniger als 5,7% der gesetzlichen Zahllast zu reduzieren, sollte der Betrag von 5.000 Euro Anwendung finden, denn 5,7 % sind bereits schmerzlich.

Die Jesuiten sind bereit, Verzicht zu üben, so der Jesuitenprovinzial. Verzicht worauf? Verzicht auf die Nutzung von Kirchensteuer für eigene Zwecke? Woher stammt überhaupt das Geld, das aufgewendet werden muss? Die Österreicher beeilten sich zu betonen, es stamme nicht aus Kirchensteuermitteln. Aber: Mit dem Ausschluss einer Quelle ist nicht die Quelle benannt noch das Ausgeschlossene nicht Wirklichkeit. Liegt das Geld also auf irgendwelchen Konten? Wenn es verfügbar ist, ist es seit wie langer Zeit auch immer dem Dienst an den Armen entzogen, den Kirche doch auf ihre Fahnen schreibt. Ist es nicht vorhanden, müssen Gelder notwendig anderen Gruppen entzogen werden – und damit neue Ungerechtigkeiten begründet. Der Protest anderer Gruppen ist so programmiert wie notwendig.

Die Jesuiten halten den Opfern ein Leckerli hin. Das benennen des Betrages bedeutet nicht die Zusage der Zahlung. Diese kann und wird an Anträge und forensische Nachweise gebunden werden, die die Opfer zu bettelnden, pfötchengebenden, hechelnden Schoßhündchen der Kirchenoberen degradieren. Mit Moral, Demut und Entschädigung hat das alles nichts zu tun. Es ist Ausdruck von Hochmut, Stolz und Machtgehabe, das das Opfer noch einmal, noch tiefer demütigt als der Missbrauch selbst. Ein Verzicht ist dennoch festzustellen: Der Verzicht des Klerus auf die Gültigkeit des eigenen moralischen Anspruch an Andere für sich selbst – aber das ist keine Neuigkeit.


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