derStandard.at 28. Juli 2010
Ex-Modell soll vor mehr als 30 Jahren vom Regisseur unter Drogen gesetzt und vergewaltigt worden sein Los Angeles – Erneut werden Missbrauchsvorwürfe gegen Roman Polanski laut. Ein weiteres mutmaßliches Opfer bezichtigt den Regisseur, sie vor über 30 Jahren unter Drogen gesetzt und vergewaltigt zu haben.
hallo,
ich hab die kommentare auf standard.at dazu gelesen. wahnsinn, echt. die meisten leute sind der meinung, die frau, die die vorwürfe erhebt, würde sich in den mittlepunkt stellen und geld absahnen wollen.
es wird ihr von so vielen unterstellt sie würde lügen oder einen unmöglichen affenzirkus veranstalten, nur weil ihr der polanski vor dreißig jahren mal auf den arsch gegriffen hat. sie wird verspottet und diffamiert.
ich kann das, was mir passiert ist, auch nicht beweisen. ich überlege mir sehr gut mit wem ich darüber rede. das risiko als lügnerin und dreiste betrügerin hingestellt zu werden ist sehr hoch. deswegen könnte ich mir auch nicht vorstellen, hier zu verraten wie ich wirklich heiße.
Liebe a,
es ist ein langer, steiniger Weg, das Schweigen zu brechen. Ich glaube, egal welchen Weg eine „Überlebende“ oder ein „Überlebender“ wählt, zu sprechen, liegt in der Entscheidung des Einzelnen und hängt von vielen Faktoren ab und muß von allen anderen Menschen auch so respektiert werden. Ich denke, es kann da keine Festlegung geben, so wie jede/jeder es tut, ist es GUT so. Auch ich habe länger überlegt, mich mit meinem Namen zu äußern. Es war ein längerer Prozess bei mir, bis ich mich dazu entschließen konnte.
Heike
Die Tendenz zu schweigen, ist bei den durch s*xuellen M*ssbrauch traumatisierten Opfern verständlich. Die Zuordnung „Lügner(in)“, „Selbst-Schuld“ , „Stell-dich-nicht-so-an“ oder auch „Ist-nicht-so-schlimm“ geschieht bereits während des M*ssbrauchs durch den Täter !…….. Wenn ich die jeweilige Täter-Androhung von Strafe dazurechne (Motto: Wenn du was erzählst, wird etwas Schlimmes geschehen, ist bereits zum Tatzeitpunkt ein „Outing“ fast unmöglich…..Nun stellt sich die Frage, weshalb unsere Gesellschaft eher täteridenifiziert ist….Einerseits gibt es sicherlich weitaus mehr Täter, als allgemein bekannt. Andererseits scheint es auch dem beurteilenden „Nichttäter“ schwer zu fallen, das tiefe Gefühl von OHN(e)MACHT und Hilflosigkeit auszuhalten, das sich oft bei Menschen einstellt, wenn sie sich schützend auf die Opferseite stellen (Opferidentifikation)…
cave: Diese Analyse ist nicht vollständig und gilt zuerst einmal nur als Anregung, sich mit den Hintergründen der ängstlich- schamvollen Zurückhaltung von Opfern und der gesellschaftlichen Zuordnung „LügnerIn“ auseinander zu setzen….. Sie soll letzten Endes dazu führen, dass Opfer von dem subjektiven Gefühl der Wertlosigkeit loslassen können und mit nachdrücklichem Selbstbewusstsein lernen, ihre RECHTE zu erkämpfen….Dies wird nur mit der Unterstützung derer geschehen können, die Opfer ernst nehmen.
Gudrun Pfennig
@ a: Verspottet und diffamiert zu werden, ist, was Opfer sexueller Gewalt erwartet, wenn sie es wagen, Gerechtigkeit zu fordern. Das ist so. Dagegen müssen wir uns aber wehren. Es ist ja offensichtlich, dass eine Gemeinschaft, die solche Regeln toleriert, keinen Schutz gewährt. Also ihre Funktion nicht erfüllt. Wir leben schließlich in einer offiziell gewaltfreien Gesellschaft, bzw. in einer Gesellschaft, in der das Gewaltmonopol beim Staat liegt.
De facto teilt der Staat des aber mit den Kindesmissbrauchern und Vergewaltigern, die allermeist ungestraft ihren grausigen Verrichtungen nachgehen – eben weil Opfer es nicht wagen, Gerechtigkeit zu verlangen, durch Diffamierung mundtot gemacht werden.
Da muss man schon mal die Frage stellen und immer wieder stellen: JA WO LEBEN WIR DENN?!
Auf welche Art man das tut, offen oder verdeckt, ist unwichtig. Es ist einfacher, wenn man sich nicht auch noch verstecken muss. Ich fühle mich besser, seit ich offen damit umgehe. Es ist nicht immer einfach, aber es gibt mir das Gefühl, zu mir zu stehen. Manchmal heißt aber zu sich stehen auch sich schützen vor Häme und Diffamierung. Das muss JedeR von Fall zu Fall selbst entscheiden!
@ Gudrun Pfennig
Ihre Analyse trägt sehr zur Klärung der Einordnung bei – mir gefällt die Schau durch das ‚umgekehrte Fernrohr‘:
als neulich Journalisten ihm zur Verabschiedung ein altes Fernrohr schenkten, sagte Reg-sprecher Wilhelm u.a., dass man das Fernrohr eigentlich umdrehen und dann hineinschauen müsse, um als Beteiligter mehr Distanz zum Geschehen zu bekommen.
Nur so stelle ich mir das noch erst zu weckende Verständnis im Sinn einer echten Opferidentifikation vor – der Nah-Blick löst in jedem Betrachter Bilder seiner individuellen Ängste aus … – leider geht ein kluger Politiker.
Liebe Astrid,
Sie schreiben : „Wir leben schließlich in einer offiziell gewaltfreien Gesellschaft“
Das ist leider nicht so !
Wir leben zwar nicht mehr in einem totalitären Staat , aber die offiziellen Zahlen sind auch erschreckend.
Laut BKA Statistik gab es 2009 über 6 Millionen erfaßte Straftaten bzw. über 200000 Gewaltdelikte.
http://www.bka.de/pks/pks2009/download/pks2009_imk_kurzbericht.pdf
Über die Dunkelziffer haben Opfervereinigungen Einiges abgeschätzt.
Strafverfolgungsbehörden und Gerichte sind total mit diesen Mengen überfordert und haben meiner Meinung gar nicht die Zeit sich lange mit allen Fällen zu beschäftigen.
Wo allerdings aus Scham und Angst und Vertuschung keine Anzeigen gemacht wurden , blieb alles im Dunkeln und Therapeuten versuchen
Opfer wieder zu stabilisieren.
Wenn Opfer dann nach Jahrzehnten wieder so stabiliert sind und Mut haben in die Öffentlichkeit zu gehen, wird ihnen vorgeworfen, dass sie nicht früher tätig wurden oder sie werden gar mit Unterlassungsklagen mundtod gemacht.
Mfg
Eva
Ja, mit Unterlassungsklagen drohen jetzt auch Vertreter des Jesuitenordens in Deutschland denjenigen, die es jetzt endlich wagen zu sprechen. Schadenswert 75.000 Euro!
Wie hoch werden da erst die Genugtuungszahlungen ausfallen, die der hochkarätig besetzte Runde Tisch festlegen soll?
Oder werden sie ausfallen?
lieber kommentator georg bohm, da die kirche einen von fachleuten geschätzten besitz im wert von über einer halben „BILLION“ euro hat, – und mit sprichwörtlicher gier weiter hortet -, dürfte da kaum etwas zu erwarten sein. prof.dr.gernot lucas