DIE PRESSE 24.06.2010
DIETMAR NEUWIRTH (Die Presse)
Österreichs Bischöfe beschließen einen Codex gegen sexuelle Gewalt. Wann folgt Rom, wann der Staat?
In Krisen zeigt sich üblicherweise relativ bald, wo es Leadership oder nur aufgesetztes Macher-Gehabe gibt. Nur Eremiten oder Menschen mit massiven Wahrnehmungsproblemen vermögen nicht zu sehen, dass sich die katholische Kirche Österreichs in einer Krise befindet. In einer tiefen Vertrauenskrise, die durch eine unappetitliche Welle hunderter Fälle sexueller Gewalt, meist vor Jahrzehnten begangen, ausgelöst wurde, die über Österreich schwappte. Kardinal Christoph Schönborn hat – es fällt gar nicht so schwer, das anzuerkennen – vom ersten Bekanntwerden an mehr oder weniger alles richtig gemacht.
Dietmar Neuwirth findet für Österreich klare Worte: „… Wo bleibt ein staatlicher Opferfonds? Wo die Entschädigung für längst verjährte und damit judiziell nicht mehr fassbare Fälle im außerkatholischen Bereich? Die Politik auf Bundes- und Landesebene stellt sich tot. Ein einziger sogenannter runder Tisch der Regierung zum Thema in Wien mit mickrigen Ergebnissen, das soll alles gewesen sein? Erbärmlich, wie der katholischen Kirche mit mehr oder weniger unverhohlener Häme zugesehen wird, wie so getan wird, als sei sexueller Missbrauch exklusiv deren Problem. Schon vergessen? In mehr als 99 Prozent der Fälle sind sexuelle Gewalttäter keine Pfarrer, Kapläne, Präfekten oder Ordensleute sondern Familienväter, Nachbarn, Onkel…“
Und wie sieht es bei uns aus?
Wir brauchen für ALLE den OPFERFONDS.
Die geschlossene Gesellschaft Kirche wirkte hinein in all die anderen geschlossenen Gesellschaften, denen sie mit ihrem Verhältnis zur Macht über Menschen ein schlechtes Vorbild mit fatalen Folgen wurde – gerade im Privatleben …