DA-im Netz.de 3.06.2010

von STEFAN MICHALZIK

Drei Menschen, die reden. Nach Jahrzehnten des Schweigens, der Sprachlosigkeit ist das ein Schritt nach vorn, wo wahre Befreiung nicht sein kann. Mit einem Monolog-Triptychon zum Missbrauchsmotiv greift das Frankfurter Autoren-Theater eine Thematik auf, die nach lange währender gesellschaftlicher Verdrängung hervorgebrochen ist.
Die gleichsam tagesaktuelle Schnelligkeit ist dem Theater, ist der dramatischen Produktion an sich wesensfremd. Einen heiklen Schnellschuss hat Wolfgang Spielvogel, der Regisseur und Begründer des FAT in der Hausener Brotfabrik, gleichwohl nicht gelandet.
Den Textvorlagen ist die Unmittelbarkeit der autobiografischen Äußerung eigen. Das Ringen um eine Sprache für das schier unaussprechliche stellt der Frankfurter Schriftsteller Bodo Kirchhoff in den Mittelpunkt seines im März im Magazin „Der Spiegel“ veröffentlichten Essays „Sprachloses Kind“. Der Täter, Kantor und Leiter eines evangelischen Internats am Bodensee, wird charakterisiert, das Geschehen präzise geschildert. Vor allem ist es das eigene Empfinden mitsamt der fatalen Prägung für das Leben, das Kirchhoff in diesem Schlüsseltext für sein Werk darstellt, mit schneidender Genauigkeit.
Ringen um die Sprache: Der Ich-Sprecher in Wolfgang Spielvogels auf einen Bericht des inzwischen medienbekannten Norbert Denef zurückgehenden Monodramas „Alles muss raus“ arbeitet an einer für eine Familienzusammenkunft – mit Beisein des Täters, eines katholischen Pfarrers und Freundes der Familie – bestimmten Bekenntnisrede. Ausgang offen: Es bleibt unklar, ob diese Rede je gehalten wird.
Impromptuhaft zwischen diesen Hervorbringungen männlicher Urheber steht der kurze Bericht einer Anonyma, die ob der Übergriffe des Vaters bei der Mutter, die das Bild vom guten Ehemann nicht angekratzt sehen mochte, kein Gehör fand.
Reduktion und Dichte sind die Charakteristika dieses gerade mal eine Stunde kurzen Abends. Es ist beachtlich, zu was für einer Differenziertheit die Schauspieler Sandra Baumeister-Roth, Ilja Kamphues und Victor Vössing gelangen an einem Motiv, das kein Pathos vertrüge. Dem wird entgegengewirkt mit Mitteln des Tanzes und der Musik, vor allem aber durch intensive, genaue Arbeit an der Form.

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