DER MERKUR 19.05.2010
Brandenburgs Justizminister fördert Opferschutz für Kinder: Sozial-Therapeutisches Institut Berlin-Brandenburg erhält knapp 41.000 Euro
Brandenburgs Justizminister fördert Opferschutz für Kinder: Sozial-Therapeutisches Institut Berlin-Brandenburg erhält knapp 41.000 Euro
Kinder und Jugendliche, die Zeugen sexueller Gewalt und dadurch traumatisiert und selbst zu Opfern geworden sind, verdienen nach Überzeugung von Justizminister Dr. Volkmar Schöneburg besondere Unterstützung. Dem 1991 gegründeten Sozial-Therapeutischen Institut Berlin-Brandenburg STIBB e.V. überreicht Dr. Schöneburg deshalb heute 40.924,11 Euro aus Lottomitteln für das Vereinsprojekt „Sozialpädagogische Hilfen für kindliche Opferzeugen und ihre Familien im Strafverfahren bei Sexualdelikten“.
Schöneburg: „Mit ihren Ängsten und Nöten dürfen Opfer von Gewalttaten nicht alleingelassen werden. Richter und Staatsanwälte lassen Opfern Gerechtigkeit widerfahren, indem sie Täter angemessen bestrafen. Aber nicht immer ist der verletzten Seele des Opfers damit hinreichend geholfen. Auch nach der Verurteilung des Täters lebt das Opfer oft weiterhin in Angst. Darum ist es so wichtig, dass es Vereine wie das Sozial-Therapeutische Institut Berlin-Brandenburg gibt. Das STIBB ist mit aller Kraft ausschließlich für die Opfer da und tut alles, damit sie trotz der Gewalt, die sie erlitten haben, im Leben wieder Tritt fassen können. Das STIBB hilft nicht nur Opfern und ihren Familien, es kann auch verhindern, dass Opfer einst zu Tätern werden, die wiederum neue Opfer erzeugen. Es ist wissenschaftlich belegt, dass Opfer nach einer Traumatisierung, die nicht psychologisch behandelt wird, oft nicht mehr sie selbst sind und Schwächeren Gewalt antun, die sie selbst erlitten haben. Die Spirale der Gewalt muss durchbrochen werden. Das ist auch ein Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit. Wer früh straffällig wird, hat später oft schlechtere Chancen im Leben.“
Das Justizministerium des Landes Brandenburg unterstützt die Arbeit des in Kleinmachnow ansässigen Sozial-Therapeutischen Instituts Berlin-Brandenburg und auch anderer Vereine, die sich der Opferhilfe verschrieben haben, seit Jahren finanziell.
So bedeutsam die psychologische Betreuung von Gewaltopfern ist, so gefährlich ist es nach Auffassung von Justizminister Schöneburg, der Öffentlichkeit ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit zu vermitteln.
Schöneburg: „Spektakuläre Einzelfälle von sexueller Kindesmisshandlung und Gewalt gegen Kinder und Jugendliche werden leider allzu oft politisch – und zwar auf Stammtischniveau – missbraucht, um nach Strafrechtsverschärfungen zu rufen. Unsere Gesetze reichen aus. Wer den Eindruck erweckt, als nähme die Gewalt gegen Kinder und Jugendliche seit Jahren kontinuierlich zu, handelt wie ein Scharlatan und argumentiert, wie man es sonst nur von rechtsextremistischen Volksverführern gewöhnt ist. Die Zahlen der Strafverfolgungsstatistiken sind eindeutig: Es gibt keine Zunahme von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche.“
Es ist sehr löblich, wenn ein Justizminister Vereine finanziell unterstützt, die sich der Opferhilfe verschrieben haben!
Es ist sehr löblich, wenn Richter und Staatsanwälte Opfern Gerechtigkeit widerfahren lassen, und Täter angemessen bestrafen!
Häh, Moment mal! Angemessen bestrafen??? Unsere Gesetze reichen vollkommen aus?
Strafverfolgungsstatistiken? Spekulative Einzelfälle???
Schon klar! Die meisten werden ja nicht verfolgt, oder??? Über die Begrifflichkeit „angemessen“ ganz zu schweigen!
Dr. Volkmar Schöneburg überreicht dem 1991 gegründeten Sozial-Therapeutischen Institut Berlin-Brandenburg STIBB e.V. 40.924,11 Euro.
Wie nett!!! Wofür noch mal??? Ach ja, weil Opfer mit ihren Ängsten und Nöten nicht allein gelassen werden sollen! Weil Opfer auch nach der Verurteilung des Täters weiterhin in Angst leben.
Und weil STIBB e.V. bei dieser Summe bitte schön ins gleiche Horn blasen soll! Gibts dafür nicht so ein unschönes Wort???
Schmierg…? Upps – die Gedanken – sie sind frei!!!
Sarah M.
Hallo Hr. Dr Schöneburg,
wie war das eben? Haben Sie das wirklich gesagt?
Zitat: Schöneburg: “Mit ihren Ängsten und Nöten dürfen Opfer von Gewalttaten nicht alleingelassen werden. Richter und Staatsanwälte lassen Opfern Gerechtigkeit widerfahren, indem sie Täter angemessen bestrafen.“
LÜGE!
siehe Stellungnahme von:
Prof. Dr. Thomas Fischer Karlsruhe, den 22. März 2009
Richter am Bundesgerichtshof
Bundesgerichtshof
Herrenstr. 45a Tel 0721 / 159-0
76133 Karlsruhe
Deutscher Bundestag
Rechtsausschuss
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Betr.: Öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen
Bundestages am 25. März 2009 zu dem
a) Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Verständigung im
Strafverfahren
BT-Drucksache 16/11736
b) Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Absprachen im Strafverfahren
BT-Drucksache 16/4197
Bezug: Zum Schreiben vom 11. März 2009
Zur Vorbereitung der Anhörung gebe ich die folgende
Stellungnahme
ab. In der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit ist es mir leider nicht mehr
möglich gewesen, mich umfassend mit den vorliegenden Entwürfen, der Vielzahl
inzwischen veröffentlichter Alternativvorschläge sowie der großen Zahl von
Äußerungen in der rechtswissenschaftlichen und rechtspolitischen Literatur
auseinander zu setzen1; ich beschränke mich daher auf einige grundsätzliche
Bemerkungen.
I. Zum Regelungsvorhaben insgesamt
1) Zum Regelungsanlass und zur Verfahrenspraxis
a) Die heute bestehende Absprachepraxis hat sich in den vergangenen 25 Jahren in
der deutschen Strafverfahrenspraxis weit verbreitet; ebenso lange wird sie als Problem
betrachtet. Als Gründe für ihr Vordringen werden meist genannt:
• Hohe Belastung der Justiz mit umfänglichen und „schwierigen“ Verfahren
• Hoher Druck durch Vordringen von sog. Konfliktverteidigung
• Unzureichende personelle Ausstattung der Strafjustiz
• Ermittlungsprobleme, namentlich in Wirtschaftsstrafsachen, durch
Kompliziertheit von Lebenssachverhalten und Ausdehnung von
Straftatbeständen in unscharfe Gefährdungsbereiche.
Welche Bedeutung solche objektiven Faktoren für die Ausbreitung tatsächlich haben,
muss letztlich offen bleiben; belastbare empirische Untersuchungen dazu gibt es nicht.
Es ist zu vermuten, dass die Angabe der genannten Gründe in Umfragen zumindest
teilweise auch der (scheinbaren) Rationalisierung sowie einer (vorbeugenden) Abwehr
möglicher Vorwürfe dienen. Persönliche Erfahrung als Strafrichter, Strafkammer-
Vorsitzender und Revisionsrichter sowie eine Vielzahl von Gesprächen, Diskussionen
und Veranstaltungen zum Thema geben mir Anlass zu der Annahme, dass das
Gewicht individueller Motive in öffentlichen Stellungnahmen häufig übergangen und
unterbewertet wird. Denn in der Verfahrenswirklichkeit verhalten sich die handelnden
Personen nicht in erster Linie nach Maßgabe von rechtspolitischen Zielsetzungen oder
wissenschaftlichen Erkenntnissen. Sie verfolgen vielmehr nahe liegender Weise das
Ziel, mit möglichst geringem Aufwand und Risiko möglichst großen Erfolg zu erzielen.
Für die am Verfahren beteiligten Berufsgruppen ist das, was als „Erfolg“ anzusehen ist,
zwar jeweils unterschiedlich definiert; unter den verschiedenen Blickwinkeln geht es
hier um Kriterien insbesondere von persönlicher Arbeitsbelastung, Einkommen und
Ansehen, auch um Minderung der erheblichen Stress-Belastung, welche die Führung
von Strafverfahren auch für die professionell Beteiligten mit sich bringt. Informelle
Verfahrensabsprachen, wie sie sich in der Praxis eingebürgert haben, weisen aber den
entscheidenden Vorteil auf, den individuellen Interessen aller professionell Beteiligten
zugleich entgegen zu kommen.2 Hierin liegt zugleich ihre besondere Gefahr, denn sie
setzen ihrer Natur nach die ausdifferenzierten Regeln wechselseitiger Kontrolle außer
Kraft, welche das rechtsstaatliche Strafverfahrensrecht bisher prägten.
b) In der Verfahrenswirklichkeit haben Absprachepraktiken weite Teile der
Strafgerichtsbarkeit erfasst. Dabei werden sowohl Regeln der geltenden
Strafprozessordnung als auch Begrenzungen der Absprachepraxis, die vom
Bundesgerichtshof aufgestellt worden sind3, regelmäßig und in weitem Umfang außer
Acht gelassen. Das betrifft insbesondere die Verpflichtung zur umfassenden
Wahrheitsermittlung, das Verbot von Zusagen bestimmter Strafhöhen, von Maßregel-
Aussprüchen oder Neben- und Folgeentscheidungen, das Verbot der Verpflichtung
zum Rechtsmittelverzicht sowie die Erfordernisse der Verfahrensöffentlichkeit.
Öffentliche Verlautbarungen hierzu sind, nach Erfahrungen des Verfassers, meist von
Beschwichtigung und Vorwürfen an die jeweils andere Seite, häufig auch von
Unehrlichkeit geprägt. Umfang und praktische Folgen des tatsächlichen
Abspracheverhaltens werden verharmlost, soweit es das jeweils eigene Verhalten
betrifft. In informellen Gesprächen sowohl mit Richtern und Staatsanwälten als auch
mit Strafverteidigern erfährt man dagegen, dass die Prozesswirklichkeit teilweise weit
stärker „aus dem Ruder“ gelaufen ist, als dies öffentlich zugegeben wird, dass die
Vorgaben des Gesetzes und der höchstrichterlichen Rechtsprechung teilweise weithin
umgangen werden und dass sich Strukturen gegenseitiger Abhängigkeit und
Verpflichtung entwickelt haben, die dies ermöglichen und absichern. Praktisch jeder
Richter oder Staatsanwalt berichtet im persönlichen Gespräch über „skandalöse“
Praktiken Dritter, von denen er gehört oder die er erlebt hat, und fast jeder
Strafverteidiger offenbart im persönlichen Gespräch Umgehungspraktiken oder
„vertrauliche“ Usancen und Taktiken der Absprache-Erzwingung, die von ihm, ihm
bekannten Kollegen, Strafrichtern oder Staatsanwälten geübt werden.
Hinzu kommen zahllose Berichte einerseits von Strafrichtern über eine missbräuchliche
Verwendung von Verfahrensrechten durch Strafverteidiger, um auf diese Weise
Absprachen zu erzwingen, andererseits von Strafverteidigern über sachwidrige
Strafdrohungen oder unangemessene Verhandlungsführung durch Strafrichter, um
Druck in Richtung auf Absprachen auszuüben. Mögen auch solche Berichte im
Einzelnen interessegeleitet sein, so sind sie doch in ihrem Kern, gerade wegen ihrer
Häufigkeit und charakteristischen Gleichförmigkeit, glaubhaft und Besorgnis erregend.
Erschreckend erscheint, dass es sowohl auf Verteidiger- als auch auf Richterseite
inzwischen gang und gäbe ist, sich mit Fähigkeiten besonders erfolgreichen,
nachhaltigen „Dealens“ unter Umgehung der gesetzlichen und höchstrichterlichen
Vorgaben geradezu zu brüsten. Schlaglichtartig mögen folgende Beispiele erwähnt
werden:
• Der Verfasser plante im Rahmen einer Vorlesung über Strafprozessrecht, mit
einer Gruppe von Studenten eine Hauptverhandlung vor dem Landgericht zu
besuchen. Als besonders geeignet erschien eine Schwurgerichts-Verhandlung.
Der Verfasser suchte daher zum Anfang eines Wintersemesters (November)
den Vorsitzender der Schwurgerichtskammer eines Landgerichts auf und bat
ihn um Mitteilung ggf. geeigneter Termine. Der Vorsitzende blätterte eine
Weile in seinem Kalender und antwortete dann: „Ich kann Ihnen im nächsten
halben Jahr nichts anbieten. Bis März ist schon alles ausgedealt, und am April
arbeite ich gerade.“ Es handelte sich, entgegen erster Annahme, nicht um
einen Scherz. Der Schwurgerichts(!)-Vorsitzende teilte auf Nachfrage mit, er
„bevorzuge grundsätzlich ausgedealte Verfahren“. Selbstverständlich sei
jeweils ein Rechtsmittelverzicht Teil der Absprache. Diese werde zwar nie
protokolliert; aber ein Verteidiger, der sich daran nicht halte, mache dies „bei
ihm nur einmal“.
• Ein dem Verfasser gut bekannter Vorsitzender einer Großen Strafkammer
berichtet: Nach Eröffnung des Hauptverfahrens wegen schweren (bewaffneten)
Raubs (gesetzliche Mindeststrafe: fünf Jahre) mit hohem Schaden und
gravierenden Folgen für das Tatopfer erschien einer der Verteidiger beim
Vorsitzenden. Er teilte mit, bei einer Strafe von drei Jahren „könne man sich
einigen“ und die Sache an einem Vormittag erledigen. Der Vorsitzende wies
darauf hin, die Annahme eines minder schwerer Falls sei nach Aktenlage fern
liegend und komme nicht in Betracht. Hierauf antwortete der Verteidiger: „Dann
wissen Sie ja, was jetzt kommt.“ In der darauf folgenden wochenlangen
Hauptverhandlung wurde gegen jede einzelne Verfügung des Vorsitzenden die
Kammer angerufen (§ 238 Abs. 2 StPO), jeder Beweiserhebung
widersprochen, Antragsabweisungen jeweils mit Befangenheitsanträgen
beantwortet.
• Im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung von Richtern und Staatsanwälten
wies der Verfasser in einer Wortmeldung darauf hin, dass nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Zusage von „Punktstrafen“ und
die Verpflichtung zum Rechtsmittelverzicht im Rahmen einer Absprache
unzulässig und rechtswidrig seien. Hierauf meldete sich der Vorsitzende eines
OLG-Strafsenats zu Wort und vertrat die Ansicht, diese Anforderungen seien
„lebensfremd“. Er erklärte sodann nachdrücklich: „Der BGH kann entscheiden,
was er will; daran hält sich sowieso niemand.“ Hierauf erhielt er von den etwa
250 anwesenden Richtern und Staatsanwälten lang anhaltenden starken
Beifall.
• Von Verteidigern und Staatsanwälten wird glaubhaft berichtet, dass es bei
zahlreichen Strafkammern, namentlich an chronisch als „überlastet“ geltenden
Gerichten, üblich geworden ist, Hauptverhandlungen zunächst regelmäßig ohne
vorherige Lektüre der Akten, allein auf der Grundlage der (ungeprüften)
Anklageschrift zu beginnen. Der erste Tag der Hauptverhandlung dient dann
vorrangig der Klärung, wie viel „Verhandlungsstoff“ für eine Absprache
Staatsanwaltschaft und Verteidigung aufzubieten haben, sowie der
Bekanntgabe mehr oder minder fantasievoller Strafmaßerwartungen für den
Fall, dass wider Erwarten die Durchführung einer streitigen Hauptverhandlung
erstrebt werde.
Diese Beispiele sollen nur illustrieren, was inzwischen als allgemeine Kenntnis
jedenfalls der betroffenen Kreise unterstellt werden kann. Die Absprachepraxis hält
sich in weitem Umfang nicht an gesetzliche Regelungen und höchstrichterliche
Entscheidungen. Absprachen über Rechtsmittelverzichte sind weit verbreitet; Verstöße
gegen entsprechende informelle „Erwartungen“ werden mit sachfremdem „Rache“-
Verhalten in anderen Verfahren beantwortet oder damit zumindest gedroht.
Gegenstand von Absprachen sind in der Praxis vor allem:
• Vorwurf der Bandenmäßigkeit (insb. bei BtM-Delikten: Mindeststrafe fünf
Jahre);
• Vorwurf der Verwendung von Waffen oder des Mitführens gefährlicher
Werkzeuge (bei Raub, räuberischer Erpressung und Vergewaltigung;
Mindeststrafe drei bzw. fünf Jahre);
• Anzahl der begangenen Taten;
• Höhe des verursachten Schadens;
• Vorliegen von Mordmerkmalen;
• Anwendung von Jugendrecht bei Heranwachsenden;
• Anordnung von Maßregeln, insb. nach § 64 StGB (Entziehungsanst6alt) und §
66 StGB (Sicherungsverwahrung);
• Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56 StGB).
Einbezogen werden darüber hinaus auch Vollstreckungsfragen (Zustimmung zur
Reststrafenaussetzung bei Halbstrafe; Befürwortung von Maßnahmen nach § 35
BtMG; Befürwortung von Aufnahme in den Offenen Vollzug; usw.).
Als „Gegenleistung“ werden namentlich geboten:
• Geständnis;
• Verzicht auf Beweiserhebungen;
• Rücknahme von Beweisanträgen;
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• Verzicht auf Haftprüfungsanträge;
• Einverständnis mit prozessordnungswidrigem Verhalten;
• Belastende Aussagen gegen Tatbeteiligte oder in anderen Verfahren;
• Rechtsmittelverzicht.
Die Verfahrenswirklichkeit bietet daher, in nicht unerheblichen Teilen, geradezu ein
Zerrbild des gesetzlichen Bildes eines rechtsstaatlichen, ordnungsgemäßen
Strafverfahrens. Die von den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs durch und im
Anschluss an BGHSt 43, 195 ff. entwickelten Begrenzungen des Abspracheverhaltens
werden in der Praxis teilweise eingehalten, in einem erheblichen Umfang aber bewusst
missachtet. Auch wo sie der Form nach befolgt werden (z.B.: Erörterung der
Absprache in der Hauptverhandlung; Protokollierung der Absprache), geschieht dies in
nicht seltenen Fällen vor dem Hintergrund einer wiederum vorgeschalteten informellen
Absprache über diese Form, also im Ergebnis nur zum Schein.
c) Der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs hat diese Gefahren
teilweise gesehen; auch den vorliegenden Gesetzentwürfen liegen teilweise
Erkenntnisse über Besorgnis erregende Entwicklungen zugrunde.
Der große Senat hat hieraus, mit einer weit verbreiteten, allerdings im Einzelnen
äußerst unterschiedlich ausgerichteten, differenzierten Meinung, den Schluss gezogen,
es sei eine (gesetzliche) Regelung des Abspracheverfahrens erforderlich, um eine
Kontrolle zu ermöglichen und weiteren Missbräuchen vorzubeugen.
Diese Ansicht ist auch in den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs und bei der
Bundesanwaltschaft nicht unbestritten.4 Strafverteidiger sprechen sich inzwischen,
jedenfalls in Veröffentlichungen und im Rahmen öffentlicher Veranstaltungen, wohl
mehrheitlich gegen die Absprachepraxis und auch gegen ihre gesetzliche
Festschreibung aus. Das hindert freilich die meisten Kritiker nicht, jeweils im Einzelfall
selbst Absprachen anzustreben und zu treffen.
Ein zwingender rechtspolitischer oder rechtsdogmatischer Grund für die gesetzliche
Einführung eines Abspracheverfahrens ist bisher nicht aufgezeigt worden.5
2) Zu Erfahrungen aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
Zu Wesen, Ziel und Kern der Absprache im Strafprozess zählt es, eine Kontrolle der
Verfahrensergebnisse durch ein Rechtsmittelgericht, namentlich auch durch die
Revision, zu erübrigen oder auszuschließen. Es ist daher gerade ein Kennzeichen der
Absprachepraxis, dass sie der Kontrolle durch den Bundesgerichtshof nur noch
ausnahmsweise, eher zufällig und allenfalls in geringen Teilen zugänglich ist.
„Gelungene“ Absprachen bleiben, gleichgültig ob ihre Ergebnisse und das Verfahren
zu ihrer Erzielung rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechen, regelmäßig jeder
Kontrolle entzogen. Der Bundesgerichtshof hat sich in der Vergangenheit daher
zunehmend nur noch mit „gescheiterten“ oder aus sonstigen Gründen nachträglich
streitig gewordenen Absprachen zu befassen gehabt. Dies kommt vor allem dann in
Betracht, wenn einzelne von mehreren Beschuldigten an einer Absprache nicht
beteiligt waren oder durch ihre Ergebnisse (z.B. belastende Geständnisse)
benachteiligt sind oder wenn ein zunächst erklärter Rechtsmittelverzicht nachträglich
widerrufen werden soll. Auf solchen Konstellationen beruhen die – hier als bekannt
vorausgesetzten – Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu Voraussetzungen und
Grenzen von Absprachen namentlich in Verbindung mit der Zulässigkeit von
Revisionseinlegungen nach Rechtsmittelverzicht.6
Weit weniger Beachtung findet aber bislang der Umstand, dass das Revisionsgericht
schon heute in einem erheblichen Umfang mit der Beurteilung von Sachverhalten
befasst ist, die auf erkennbar fiktiven, auf informelle Absprachen gegründeten
Feststellungen beruhen. Sie stützen sich auf „Geständnisse“, deren angebliche
Glaubhaftigkeit in Absprachen vereinbart und vom Gericht weder hinterfragt noch
durch eine Beweisaufnahme überprüft wurde. Solche ausgehandelten Geständnisse
geben, nach Kenntnis und Berichten der an ihrer Entstehung beteiligten Personen,
vielfach allenfalls das wieder, was einer vermutlichen oder vorläufigen Beweislage
„nach Aktenlage“ entspricht.
Beispielhaft für einen Fall, in welchem sich die Annahme einer rechtswidrigen
Absprache über den Schuldspruch geradezu aufdrängt, kann die Entscheidung des 2.
Strafsenats vom 5. Dezember 2008 – 2 StR 495/08 – zitiert werden:
Anklage und Eröffnungsbeschluss legten den beiden Angeklagten einen
gemeinschaftlich begangenen Mord zur Last. Nach den Feststellungen des
Landgerichts war den Angeklagten bewusst, dass das von ihnen zur
Durchführung des Raubs gefesselte und geknebelte Tatopfer ersticken konnte.
„Dies war ihnen aber gleichgültig, da sie sich einen zeitlichen Vorsprung
verschaffen wollten“. Danach lagen unzweifelhaft die Voraussetzungen eines
vorsätzlichen Tötungsverbrechens vor. Die Angeklagten sind gleichwohl nur
wegen Raubs mit (fahrlässiger) Todesfolge verurteilt worden. Der 2. Strafsenat
hat dies als „unverständlich und offensichtlich rechtsfehlerhaft“ bezeichnet.
Die fehlerhafte Verurteilung beruhte auf einer Verfahrensabsprache, deren
Inhalt der Vorsitzende nach dem Protokoll der Hauptverhandlung wie folgt
vorgetragen hat:
„Vor Beginn der Hauptverhandlung fand ein Gespräch über eine
vorzeitige Beendigung des Verfahrens statt. Dies mag überraschen.
Gleichwohl war dies bereits zu Beginn des Verfahrens angezeigt, weil
die Aktenlage eine solche Vorgehensweise aufdrängte, dies im Hinblick
auf die geständigen Einlassungen beider Angeklagter. Unter
Berücksichtigung dessen konnte zwischen allen Verfahrensbeteiligten
und der Kammer die gebotene zügige Beendigung des Verfahrens ins
Auge gefasst werden im Falle einer Verurteilung mit einer Freiheitsstrafe
gegen beide Angeklagte in Höhe von höchstens 12 Jahren und einer
Unterbringung nach § 64 StGB, dies unter der Voraussetzung, dass sich
beide Angeklagte des mittäterschaftlich begangenen Raubes mit
Todesfolge gem. §§ 249, 250, 251 StGB schuldig gemacht haben.“
Die Angeklagten ließen erklären: „Wir sind mit einer solchen Vorgehensweise
einverstanden. Das Urteil (!) ist schmerzhaft für uns, aber als Sühne für das von
uns begangene Unrecht in dieser Höhe angemessen.“
Sodann beantragte der Staatsanwalt Freiheitsstrafen von jeweils 12 Jahren
wegen Raubs mit (fahrlässiger) Todesfolge. Der Nebenklägervertreter
beantragte dasselbe. Der Verteidiger erklärte wörtlich: „So sei es“ (!).
Das Gericht verurteilte wegen Raubs mit (fahrlässiger) Todesfolge zu jeweils 12
Jahren Freiheitsstrafe. Sogleich nach Verkündung wurden Erklärungen zum
Rechtsmittelverzicht eingeholt und protokolliert. In den Urteilsgründen führte
das Landgericht aus, die Angeklagten hätten die Tat „glaubhaft gestanden“.
Solche Abläufe und Ergebnisse sind weder aus Gründen der Verfahrensökonomie
nahe liegend noch sachlich gerechtfertigt. Sie sind geeignet, das Vertrauen der
Öffentlichkeit in die Strafjustiz zu erschüttern.
Die Feststellung erkennbar unzutreffender Sachverhalte ist nicht auf spektakuläre
Einzelfälle beschränkt. Es entspricht vielmehr täglicher Erfahrung, auch des
Revisionsgerichts, dass Feststellungen auf der Grundlage ausgehandelter
„Geständnisse“ getroffen werden, die trotz ersichtlicher Unglaubhaftigkeit nicht in Frage
gestellt werden. Der Täter „gesteht“ beispielsweise,
• dass die von ihm bei der Tat geführte Pistole ungeladen war;
• dass er sich nicht mit anderen zu einer Bande zusammen schließen wollte;
• dass er das Tatopfer nicht töten, sondern nur verletzen wollte;
• oder dass er den Eintritt eines Vermögensschadens nicht für möglich hielt.
Werden solche im Rahmen einer Absprache angebotenen Einlassungen
augenzwinkernd „geglaubt“ oder als angeblich „unwiderleglich“ behandelt, so wird das
vom Bundesgerichtshof und auch vom Bundesverfassungsgericht mehrfach
ausdrücklich ausgesprochene Verbot einer Absprache über den Schuldspruch formal
eingehalten, in Wahrheit jedoch – bewusst – umgangen.
3) Zum Verhältnis von allgemeinen Verfahrensgrundsätzen und Absprache-
Verfahren
Ein Abspracheverfahren, gleich in welcher Ausgestaltung, muss zu den allgemeinen
Verfahrensgrundsätzen und rechtsstaatlichen Garantien in einem inhaltlich und
systematisch glaubwürdigen Verhältnis stehen. Das Ergebnis der Frage nach diesem
Verhältnis ist auch verfassungsrechtlich nicht zwingend vorgegeben. Es muss aber
darauf Bedacht genommen werden, dass das Gesamt-System des Strafprozesses
seine herausragend wichtige legitimatorische Bedeutung behält. Es erscheint
zweifelhaft, dass die bislang vorliegenden Gesetzesvorschläge diesem Erfordernis
hinreichend Rechnung tragen.
a) Wahrheitsermittlung; Aufklärungsgebot
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts7 ist die Ermittlung der
materiellen Wahrheit die unabdingbare Zielsetzung des rechtsstaatlichen
Strafprozesses und die Voraussetzung für die Feststellung von strafrechtlicher Schuld.
In einer Entscheidung vom 14. Juni 20078 hat das BVerfG ausgeführt:
„Zentrales Anliegen des Strafprozesses ist die Ermittlung des wahren
Sachverhalts, ohne den das materielle Schuldprinzip sich nicht verwirklichen
lässt“;
und in der Entscheidung BVerfGE 106, 28, 48 heißt es:
„Die Aufklärung von Straftaten, die Ermittlung des Täters, die Feststellung
seiner Schuld wie auch der Freispruch des Unschuldigen sind die wesentlichen
Aufgaben der Strafrechtspflege…, die zum Schutz der Bürger den staatlichen
Strafanspruch in einem justizförmigen und auf die Ermittlung der Wahrheit
ausgerichteten Verfahren … durchsetzen soll (vgl. BVerfGE 57, 250, 275; 80,
367, 378; 100, 313, 389).“
Jede Regelung eines Verfahrens über die Absprache von Strafurteilen zwischen
Gericht, Staatsanwaltschaft und Beschuldigtem muss entscheiden, welche Bedeutung
dieser Grundsatz der Wahrheitsermittlung von Amts wegen haben soll. Vor dem
Hintergrund der oben geschilderten praktischen Erfahrungen erscheint es
widersprüchlich und unrealistisch, ein Abspracheverfahren mit dem Grundsatz der
Wahrheitsermittlungspflicht zu „kombinieren“, wie dies die vorliegenden Entwürfe tun
(vgl. insb. BT-Drs. 16/11736, § 257c Abs. 1 S. 2 – E).
Die Prinzipien eines – wie auch immer – „konsensualen“ Verfahrens und der
Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) stehen vielmehr im Widerspruch zueinander
und sind im Grundsatz unvereinbar. Bemühungen, diesen Widerspruch durch die
Formulierung zu lösen, die Aufklärungspflicht bleibe „unberührt“, erweisen sich in der
Wirklichkeit als bloße Worthülsen. Selbstverständlich bleibt in der Praxis die
Aufklärungspflicht gerade nicht „unberührt“, denn ihre Beschränkung ist gerade ein
wesentlicher Teil jeder Absprache.
b) Schuldprinzip
Grundlage der Strafe ist die Schuld des Täters (§ 46 Abs. 1 S. 1 StGB). Das Maß der
Schuld kann sich, nach herkömmlichem Verständnis und nach materiellen
Gesichtspunkten der Gerechtigkeit, nicht wesentlich nach Maßgabe des
(nachträglichen) Prozess-Verhaltens eines Täters bestimmen. Gesichtspunkte des
erforderlichen Verfahrens-Aufwands, der Länge der Hauptverhandlung, der
Inanspruchnahme von Justiz-Ressourcen sind daher nicht geeignet, die Schuld des
Täters in ausschlaggebendem Maße zu beeinflussen.
Dem steht nicht entgegen, dass glaubhafte, von Einsicht getragene Geständnisse,
Wiedergutmachung des Schadens oder ernsthaftes Bemühen darum, Rücksicht und
Verständnis für Tatopfer seit jeher Gesichtspunkte sind, die bei der Strafzumessung
zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen sind. Die einseitige, letztlich allein auf
das Ersparen einer umfangreicheren Beweisaufnahme und auf das prozessuale
„Wohlverhalten“ des Beschuldigten abstellende Praxis der Urteilsabsprachen
widerspricht diesen Grundsätzen eklatant. Es ist nicht erklärlich, warum der bloße
Umstand, durch ein Geständnis zur Entlastung der Justiz beigetragen zu haben, die
Strafe etwa für Raub, Betäubungsmittelhandel oder besonders schweren Betrug
halbieren können sollte.
c) Rechtliches Gehör; faires Verfahren; gesetzlicher Richter
Als materielle Begründung für ein Abspracheverfahren wird häufig der Gesichtspunkt
des „Opferschutzes“ angeführt. Danach soll namentlich der Umstand die Absprache
des Verfahrensergebnisses nahe legen, dass dem Opfer der Straftat auf diese Weise
erspart werden könne, in der Hauptverhandlung aus Zeuge auszusagen und so noch
einmal mit der Tat (oder: dem Täter) konfrontiert zu werden.
Dieser Gesichtspunkt mag in manchen Verfahren, je nach Lage des Einzelfalls, eine
berechtigte Rolle spielen. Als allgemeine Legitimation für ein Abspracheverfahren taugt
er jedoch nicht. In einer großen Vielzahl von Verfahren sind die Tatopfer von dem ohne
ihre Mitwirkung ausgehandelten Ergebnis nicht erleichtert, sondern eher empört. Die
Annahme, Tatopfer seien vor ihrer Vernehmung als Zeugen stets oder meistens zu
„schützen“, erweist sich oft als bloße Behauptung. Informelle „Vorgespräche“,
Vereinbarungen über erwünschte Geständnisse und als Gegenleistung dafür in
Aussicht gestellte niedrige Strafmaße usw. sind geeignet, Geschädigte und
Nebenkläger aus dem Zentrum des prozessualen Geschehens zu verdrängen.
Bedenken unter dem Gesichtspunkt eines fairen Verfahrens könnten sich aus einem
(gesetzlichen) Abspracheverfahren ergeben, wenn die für Verlauf und Ausgang des
Strafprozesses wesentlichen Beweiswürdigungen und Abwägungen in einen
informellen Bereich außerhalb der regelhaften Prozessordnung sowie in
„Vorgespräche“ verlagert werden, die auf der Grundlage von Aktenkenntnis und nach
Maßgabe (vermutlichen) „Verhandlungsstoffs“ geführt werden. Nicht verteidigte
Beschuldigte haben von vornherein keine Möglichkeit, an solchen das weitere
Verfahren prägenden „Vorgesprächen“ teilzunehmen. Auch verteidigte Angeklagte
werden, der Natur der Verständigung nach, mit einer Situation vermutlicher oder
vermuteter Beweisergebnisse, Informationen über die „vorläufige“ oder informelle
Meinung Dritter über das mögliche Ergebnis von Beweiserhebungen oder über den
Akteninhalt sowie mit einer mehr oder weniger zufälligen Konstellation von
„Verhandlungsmasse“ konfrontiert; sie sehen sich zudem den Alternativen möglicher,
angedrohter, vermuteter oder in Aussicht gestellter Verfahrensergebnisse gegenüber.
Hierdurch kann ein außerordentlich hoher Druck aufgebaut werden, dem auch der
verteidigte Beschuldigte ausgesetzt ist und der eine distanzierte, taktisch orientierte
und geradezu „professionelle“ Abwägungs- und Beurteilungsfähigkeit voraussetzt, die
einer Vielzahl von Beschuldigten nach sicherer Erfahrung fehlt.
Die Wahrscheinlichkeit von Fehlentscheidungen steigt hierdurch erheblich an. Über
unwahre Geständnisse, die nach intensiven „Belehrungen“ über – vermutliche –
zukünftige Beweisergebnisse und der Inaussichtstellung milder, ggf. zur Bewährung
ausgesetzter Strafen für den Fall prozessualen Wohlverhaltens abgegeben werden,
wird schon heute von Strafverteidigern immer wieder berichtet.
Die taktisch orientierte Vermischung von Aktenlage, Verhandlungsmasse, vermutlicher
Beweislage, Prozessökonomie und wirtschaftlichen Interessen führt zu einer eklatanten
Ungleichgewichtigkeit der Verfahrensposition. Sie bevorzugt gebildete, taktisch
orientierte Beschuldigte mit großer Verhandlungsmasse, also hohem Drohpotential
gegenüber Gericht und Staatsanwaltschaft durch unübersichtliche, umfangreiche
Beweislage. Das Verständigungsverfahren führt damit zu einer weiteren Zunahme der
gleichheitswidrigen Bevorzugung von Wirtschafts- und Steuerstraftätern.
Eine für Abspracheangebote unabdingbare vorgezogene Verhandlung über
Beweislage, Schuldumfang und Rechtsfolgen auf der Grundlage des Akteninhalts
sowie „in den Raum gestellter“, verfahrenstaktisch geprägter Erwägungen führt zu
einer fast vollständigen Verdrängung der Laienrichter. Da sie die Akten nicht kennen
und an informellen Vor- und Randgesprächen der professionell Verfahrensbeteiligten in
der Regel nicht oder allenfalls in einem späteren Stadium teilnehmen, sind sie fast
vollständig auf die ihnen mitgeteilten Beurteilungen Dritter, d.h. vor allem der
Berufsrichter angewiesen. Es ist fern liegend anzunehmen, dass sich Schöffen einem
zwischen Berufsrichtern, Staatsanwaltschaft und Verteidigung ausgehandelten
Verfahrensablauf mit „schlankem Geständnis“ und vorab ausgehandeltem Strafmaß in
einer nennenswerten Anzahl von Fällen widersetzen werden.
Besonders eklatant ist diese weit gehende Verdrängung der Laienrichter, wenn die zur
Absprache führenden Gespräche schon vor der Terminierung der Hauptverhandlung
geführt werden, wie es häufig der Fall ist. In diesem Fall sind die zur Entscheidung
berufenen Laienrichter schon bei ihrem Eintritt in den Spruchkörper mit einem „fertig
ausgehandelten“ Fall konfrontiert, dessen Beweislage und beabsichtigtes Ergebnis
ihnen der Vorsitzende vor Beginn der Hauptverhandlung mitteilt. Ob dies, namentlich in
seiner praktischen Gestalt im Justizalltag, mit den Grundsätzen der Art. 97 Abs. 1, 101
Abs. 1 S. 2 GG vereinbar ist, mag jedenfalls bezweifelt werden.
Und so weiter ……
Damit wäre auch das Märchen von der Gerechtigkeit widerlegt. Schade, eigentlich.
Herzlichst
Joachim