WELT ONLINE 15.05.2010
Von Matthias Kamann
Interesse an Veranstaltungen zum Thema Missbrauch ist auf dem Ökumenischen Kirchentag in München besonders groß
München – Kaum stand Pater Klaus Mertes vom Berliner Canisius-Kolleg am Mikrofon, schon ging ein älterer Herr nach vorn und rief Mertes zu, er solle aufhören. Diese ganze Veranstaltung zum Thema Missbrauch müsse abgebrochen werden. „Hören Sie auf, Sie haben versagt“, rief der Mann. Es war Norbert Denef, Sprecher des Netzwerks Betroffener von sexualisierter Gewalt, einst selbst missbraucht. Er warf der Runde auf dem Podium sowie dem Ökumenischen Kirchentag vor, dass bei dessen Debatten über Missbrauch in der katholischen Kirche Opfer nicht zu Wort kämen. Dabei hätten die den Skandal erst aufgedeckt. So spitzte dieser Eklat das zentrale Thema des verregneten Kirchentages zu auf die Frage: Wie hält es die Kirche mit den Opfern?
Darüber jedoch konnte Denef auf dem Podium am Freitag nicht mitdiskutieren. Er musste unten vor der Bühne bleiben, wo ihn ein Fotografen-Rudel umringte und alsbald Ordner abdrängten. Warum einer wie Denef nicht nach oben geladen wurde, blieb unklar. Kirchentagsregie gegen Betroffene?
Immerhin vermochte Klaus Mertes mit Denefs Anklage umzugehen. Denef habe recht, sagte Mertes. Es seien die Opfer gewesen, die den Stein ins Rollen brachten. Er, Mertes, habe nur deren Berichte publik gemacht, als er die Missbrauchsfälle am Canisius-Kolleg offenlegte. Er könne als Jesuit, als Vertreter der Kirche, nur über diese sprechen. Was er dann tat.
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