Frankfurter Allgemeine 2.05.2010

Von Volker Zastrow und Philip Eppelsheim (Mitarbeit)

In den siebziger und achtziger Jahren machte ein Musiklehrer an der Odenwaldschule pornographische Aufnahmen von Kindern. Er hatte Helfer. Niemand griff ein, niemand unternahm irgendetwas.

Es gibt zwei Arten von Pädokriminellen. Die einen werden erwischt. Die anderen nicht. Doch die Sexualität ist eine Großmacht, sie verlangt nach Betätigung, was auch immer ihre Objekte sein mögen. Wer einmal damit angefangen hat, Kinder sexuell zu benutzen, hört gewöhnlich nicht damit auf. In den Vereinigten Staaten haben Auswertungen unter verurteilten Päderasten als durchschnittliche Zahl der Opfer ergeben: knapp 170. Die gut 400 untersuchten Täter hatten zusammen 67 000 Kinder missbraucht. Und das waren Männer, die erwischt wurden. Es gibt auch solche, die niemand daran gehindert hat, weiterzumachen.

Wie den Musiklehrer Wolfgang Held, der von 1966 bis 1989 an der Odenwaldschule unterrichtete. Held war „Familienhaupt“, wie es an der Oso heißt, er lebte mit den Schülern zusammen. Meist waren es sechs, an vielen verging er sich; wer nicht mitmachte oder gefiel, verließ die „Familie“ bald wieder. Held allein hat in diesen Jahren an der Schule, niedrig geschätzt, dreißig Jungen missbraucht, gewohnheitsmäßig. Seine Homosexualität war dort jedem bekannt, er hatte nur Jungen in seiner „Familie“, war ständig von einer Traube von ihnen umgeben, darunter auch kleinen, abhängigen Kindern, die eigentlich im Pestalozzi-Haus betreut werden sollten. Aber manche hübsche, weiche Jungs kamen eben zu Held ins Herder-Haus, unter das Dach. Die Vorhänge in seiner Wohnung waren immer zugezogen.

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