Frankfurter Rundschau 16.04.2010
Von Christian Schlüter
Es hat schon etwas Rührendes, wenn angesichts der schwerwiegenden Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche allerorten und mit großem Eifer an Selbstverständlichkeiten erinnert wird.
Selbstverständlich sind wir ein säkularer Rechtsstaat,
selbstverständlich ist die Kirche kein Staat im Staate,
selbstverständlich haben sich auch die Kirchen den staatlichen Organen zu unterwerfen,
selbstverständlich sind bei Straftaten welcher Art auch immer umgehend Polizei und Staatsanwaltschaft zu informieren, und selbstverständlich muss die Kirche nicht nur für die in ihrem Namen oder unter ihrem Dach begangenen Straftaten, sondern auch für alle Formen der Strafvereitelung und Behinderung polizeilicher oder staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen voll zur Rechenschaft gezogen werden.
Die modernen Reiter der Apokalypse : „Verlogenheit, Ungerechtigkeit, Unzuverlässigkeit“
Hier dazu Zitate aus dem „manager magazin“:
„Eine Umfrage für manager magazin zeigt: Die katholische Kirche genießt in Deutschland noch weniger Vertrauen als Großbanken und Parteien. Und dem katholischen Oberhirten Robert Zollitsch wird weniger Wertorientierung zugetraut als Deutschbanker Josef Ackermann.“
„Niemand in Deutschland genießt derzeit weniger Vertrauen als die katholische Kirche.“
„Bei die Frage, welche Personen ihr Handeln besonders stark an jenen Werten ausrichteten, die den Befragten besonders wichtig sind (am häufigsten genannt: „Ehrlichkeit, „Gerechtigkeit“, „Verlässlichkeit“), landete Robert Zollitsch, der Vorsitzende der katholischen deutschen Bischofskonferenz, auf dem letzten Platz. Der zurückgetretenen Ratsvorsitzenden der evangelischen Kirche, Margot Käßmann, hat ihre Trunkenheitsfahrt hingegen nicht geschadet: Niemandem trauen die Deutschen mehr Orientierung an den für sie wichtigen Werten zu als Käßmann. “
„Besonders erschreckend für die päpstliche Organisation: Selbst die eigenen Mitglieder schenken ihr weniger Vertrauen als der evangelischen Konkurrenz.“
„Das geringe Vertrauen in die katholische Kirche und ihre Repräsentanten im Vergleich zur evangelischen Kirche ist eines der bemerkenswertesten Ergebnisse der aktuellen Ausgabe des Ethik-Monitors“, sagt Dr. Jesco Kreft, Geschäftsführer der Hamburger Stiftung für Wirtschaftsethik Wertevolle Zukunft. „Wir sehen das auch als Signal, dass die Öffentlichkeit mit der Art und Weise der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle seitens der katholischen Kirche unzufrieden ist.“
Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.
Angelika Oetken, Berlin
Ich finde, die kathl. Kirche hat sich einen Titel verdient!
„Seelenmörder laufen Amok“
Vielleicht haben wir braven Bürger einfach den Titel „Seelsorger“ bisher falsch interpretiert?
Sarah M.
Mein Mann hat gestern eine an sich einfache, aber bedenkswerte Frage formuliert:
„Warum gehen die Betroffenen nicht gemeinsam in die Gottesdienste und fordern vehement ein, daß sich die Gemeindemitglieder und Priester mit dem auseinandersetzen, was passiert ist?“
Er hat Zeiten miterlebt, in denen „sit-ins“ für Aufsehen und letztendlich für Veränderung gesorgt haben. Damals auf politischer Ebene.
Eigentlich eine tolle Idee:
Denn es ist nicht verboten, so lange in einer Kirche zu sitzen, wie man möchte.
Man stelle sich mal vor, eine katholische Gemeinde muß die Polizei rufen lassen, weil Betroffene sich weigern, den Ort zu verlassen, der eigentlich der Versammlung gläubiger Menschen dient, zu denen sie ja auch gehören, bzw. einmal gehört haben.
Weiß jemand, ob sowas schon mal versucht wurde bzw. wie das verlaufen ist?
Angelika Oetken, Berlin
also, ich habe noch nie davon gehört, dass so etwas schon einmal gemacht wurde, wenngleich die Idee ansich mir gar nicht mal so abwegig erscheint.
Ich habe einige Male versucht, unser Thema mit „erzkatholischen“ Bekannten – alle im Alter ab ca. 65 Jahre – zu diskutieren. Die Reaktion war erschreckend! Das Thema „Missbrauch und katholische Kirche“ wird ganz bewußt verdrängt (es darf nicht sein, was nicht sein darf!). Der Satz, den ich am häufigsten zu hören bekam, war: „Das ist doch alles nicht wahr“ und sogar, ich konnte es, ganz besonders vor meinem persönlichen Hintergrund, nicht glauben: „Die spinnen doch!“
Es wäre schon spannend, zu sehen, wie die „Gläubigen Katholiken“ mit der direkten Konfrontation mit Betroffenen umgehen. Von den Priestern ganz zu schweigen.
Gaby Pypker
Ich schon, und ich habe damals auch einen Link hier ins Forum gestellt.
In Bad Tölz hat eine ganze Gemeinde einen Aufstand geprobt und dann ging während der Predigt die „Bombe“ hoch.
http://www.welt.de/vermischtes/article6779784/Eklat-im-Gottesdienst-um-vorbestraften-Pfarrer.html
Mich würde es ja reizen, in meiner Wahlheimat da etwas anzuzetteln. Während eines Gottesdienstes (da würde ich sogar mal wieder die Kirche betreten) stehen alle Betroffenen einzeln nach der Reihe auf und sagen: „Ich bin Opfer sex. Missbrauchs“! Während der Predigt, da ist am Ruhigsten :-).
Danach fordern die Betroffenen: „Jetzt haben wir uns geoutet, nun bitten wir alle Täter, sich zu erheben!“
Wäre interessant zu sehen, wer aller dann ganz schnell das Weite sucht…
Sarah M.