Als Heimkind erlebte ich „die Hölle auf Erden“.

Welche menschlichen Dramen sich abspielten bleibt nicht immer ein Geheimnis, so wie es viele Heimerzieher von damals es gerne hätten, sowie den Talarträgern in schwarz, ob Pfarrer, Staatsanwälte oder Richtern. Zu den Staatsanwälten komme ich noch zurück, auf den weiteren Ausführungen meiner Klage und diesem Schriftsatz.
15 Jahre lang im Heim, die Hölle kann nicht grausamer sein. Ich hatte die Hölle erlebt und das 15 Jahre lang, von 1947 – 1961, in verschiedenen Heimen untergebracht. Nachdem das Fürsorgeamt Frankfurt/M das Sorgerecht erhielt, da meine Mutter mich nicht wollte, sie sagte, „den Balg können sie mitnehmen“. Auch mein Vater wollte nichts von mir wissen. Meine Mutter und mein Vater hatten sich scheiden lassen in den Kriegsjahren. Die Führsorge über mich bekam das Fürsorgeamt und somit das Sorgerecht über mich und nun ging es in das Diakoniezentrum Treysa- Hephata. 15 Jahre war dies nun mein Zuhause. Morgens wurde man um halb sieben geweckt. Um sieben war das Frühstück. Danach mussten wir uns zur Sichtkontrolle vor dem Hause aufstellen und wurden begutachtet, Friseur, Kleidung, Schuhe. Dann ging es jeden Tag im Gänsemarsch zur entfernt liegenden Schule vom Kinderheim Treysa nach der Schule in Hephata, strenges Regiment, mit Befehlen und einnahmen von Medikamenten. Mein Vornahme Alwin-Hans existierte für mich nicht im Heim. Ich wurde, genau wie all die anderen 90 Kinder, stets mit dem Nachnahmen angebrüllt. Es gab keine Persönlichkeit, keine Intimsphäre, auch keine Rechte. Die einzige Art der persönlichen Aufmerksamkeit waren Prügel. Die Prügelstrafe war an der Tagesordnung. Es lagen überall Rohrstöcke. Mit den Rohrstöcken wurde in der Schule auf die Tafel gezeigt. Wenn in den Reihen jemand redete wurde einfach dreingeschlagen egal wo es hintraf. Das konnte auch mal das Gesicht sein, Das war üblich. Auch auf die flache ausgestreckte Hand, oder auf die Fingerkuppen der Hand schlug man sehr gerne drauf.

Mittagsschlaf – oder besser gesagt Beischlaf.

Nach dem Schulunterricht kam der Befehl zum Mittagsschlaf. Damit wir Kinder zur Ruhe kamen und ein Medikament wurde verabreicht. Dieser Mittagsschlaf war eher ein gezwungener Beischlaf mit dem Erzieher Bruder Gutenberg. Ich wurde fasst täglich vom Erzieher Bruder Gutenberg mitgenommen auf sein Zimmer wo ich mich ausziehen musste und mich zu ihm ins Bett legen musste. Er rieb sich an mich und fing an, an meinem Glied zu spielen und immer sonderbare Laute von sich zu geben und sagte zu mir: „ist das nicht schön? Ich wusste nicht was ich machen sollte. Ich hatte große Angst. Angst vor den Strafen, Schlägen und eingesperrt zu werden, in einem Zimmer ohne Licht. Ich ließ alles über mich ergehen und war still bis ich aufgefordert wurde mich wieder anzuziehen.

Nach dem Mittagsschlaf hieß es oft, raus aufs Feld, Stroh, Äpfel oder Kartoffeln einsammeln. Je nach Korb und Gewicht gab es 10 Pfennig. Ich kam ca. auf einen Betrag von einer DM und dies im Spätherbst, durchnässt und durchgefroren. Mir wurde ständig auf die Hand getreten, da es dem Bauer nicht schnell genug ging die Kartoffeln einzusammeln.

Verlegung ins nahegelegte Kinderheim Hepahta.

Mit 16 Jahren kam ich in das Kinder und Jugendheim Hephata. Dort sollte ich die Lehre als Maler absolvieren. Aber ich hielt das alles nicht mehr aus und weigerte mich zu arbeiten. Als Strafe erhielt ich Essensentzug und wurde in einem Zimmer eingesperrt. In diesem Zimmer war ein älterer Jugendlicher und ich hatte Angst vor ihm. Am zweiten Tag verging dieser sich an mir. Ich schrie und er hielt mir den Mund zu, Er drohte mir, mich zu schlagen, sollte ich was erzählen. Er sagte zu mir noch: „Es glaube mir doch keiner, die Erzieher würden ihm glauben sollte, ich etwas sagen. Ich ekelte mich sehr und wusste nicht was ich machen sollte, Ich dachte nun an Flucht. Als ich die Gelegenheit bekam, ich alleine im Zimmer eingeschlossen war, nahm ich ein Bettuch und lies mich an diesem herab, vom ersten Obergeschoss. Doch das Bettuch riss und ich stürzte in die Tiefe, wobei ich mir die Verse gebrochen hatte. Meine Flucht aus dem Kinderheim scheiterte. Ich humpelte und versuchte aus dem Sichtfeld zu entkommen und versuchte weiter zu fliehen, doch die Erzieher griffen mich auf und brachten mich in das Krankenhaus in Hephata. Wieder aus dem Krankenhaus endlassen, versuchte ich erneut zu entkommen und sah ein Fahrrad und überlegte nicht lange und nahm das Fahrrad, was an der Wand lehnte. Aber ich kam nicht weit, da mich die Polizei aufgegriffen hatte. Von der Polizei Treysa ging eine Strafanzeige an das AG Treysa unter dem Akz.: vom 13.06.1956 AG Treysa „M1812-2 DS-41/56 JUGL“.

Nach dem Berufsabschluss den ich nicht bestand, musste ich das Heim verlassen. Das Fürsorgeamt, das für mich zuständig war, hatte die Zahlung eingestellt für mich. Ich war in das Heim hinein geboren und war nun 21 Jahre alt. Nun musste ich von einem Tag auf den anderen das Heim verlassen, ohne jeglicher Vorbereitung. Da brach für mich eine Welt zusammen.

Nunmehr kam ich nach Frankfurt/M Bornheim in ein Aufnahmeheim für Jugendliche und von da ab beging mein Abrutsch in die Tiefe.

Da ich nicht länger in diesem Heim bleiben wollte suchte ich mir ein Zimmer zur Untermiete und fand dies auch. Bald auch einen Arbeitsplatz, in Frankfurt/M Bockenheim, bei der Firma VDO als Hilfsarbeiter für die Montage von Tachometern, mit einem Stundenlohn von 5,80 DM. Auf dieser Arbeitsstelle lernte ich eine Mitarbeiterin kennen und wir verabredeten uns zu einem Besuch in einer Disco. Nun kam ich in Geldnot, da ich mich wieder verabredet hatte mit meiner Freundin, die ich nun kennenlernte und konnte nicht zur Verabredung kommen, da ich kein Geld hatte. Ich aber auch nicht diese Freundschaft verlieren wollte, stahl ich 15.- DM und einen Ring meiner Vermieterin. Diesen Ring hatte ich meiner Freundin geschenkt. Wollte mich ja ins besondere Licht rücken oder die Liebe und Freundschaft erkaufen, da ich große Angst hatte die Freundin zu verlieren. Das ganze flog auf als meine Freundin mich besuchte und die Vermieterin den Ring an ihrem Finger sah. Sie teilte der Vermieterin mit, dass dieser Ring ein Geschenk sei von mir. Nun kam es zur Anzeige wegen Diebstahl unter dem Akz.: vom 01.02.1961 vom AG Frankfurt/M, M1201 – 915/42LS/61 – ein Jahr Jugendstrafe zur Bewährung bis zum 07.03.1963. Dem Staatsanwalt Fischer und Richter Scholz, die „Halbgötter“ in diesem Verfahren, versuchte ich meine Erlebnisse vom Kinderheim mitzuteilen, zu berichten, was mir passierte im Kinderheim: Missbrauch, Vergewaltigung, es kam nur zögernd über meine Lippen, da ich Angst verspürte, da ich mich sehr schämte darüber zu berichten, zu reden über all die schrecklichen Erlebnissen, die ich erlebte als Kind, Als der Staatsanwalt Fischer dies hörte, schrie er mich an und sagte zu mir: „Sie heißen nicht umsonst Schnabelrauch, wenn sie den Schnabel aufmachen kommen nur Lügen aus ihrem Schnabel.“ Ich weinte bitterlich. Wieder wurde ich als Lügner bezichtigt, wie so immer in meiner Kindheit, Auch der Jugendrichter Scholz hatte kein Interesse einzugreifen. Die Hauptsache war ja, der Staatsanwalt konnte seinen Frust und seine Wut an meiner Person abreagieren und es ging lediglich um ein Urteil zu erzielen, ob mit Recht oder Unrecht, Gerechtigkeit steht auf dem Papier, um Gerechtigkeit zu erzielen, muss man viel Geld besitzen und haben, um Gerechtigkeit sich zu erkaufen, um so zu seinem Recht zu kommen, so wie in den vielen Fällen der Geldschiebung ins Ausland, in Millionenbeträge und noch Abfindung in Millionenbeträgen zu erhalten und ein freier Mann – hoch lebe die „Gerechtigkeit“.

Nun habe ich jüngst versucht, die ganze Sache mit Hilfe von Psychologen aufzuarbeiten. Die Entgegnung war: „Sie sind kein Fall für uns, es ist alles vernarbt. alles ist verschlossen, sie können damit gut Leben, lassen sie die Vergangenheit ruhen.“

Was soll ich machen, bin nur ein kleines Licht, ein Sandkorn in den Machenschaften der Justiz, die alles unter den Teppich kehrt. Dieses Leid der Wehmut, Hilflosigkeit und Verbitterung über das Unrecht was mir widerfahren ist, dem Missbrauch, Vergewaltigung in meiner Kindheit, ein Unrecht der Menschlichkeit und der Menschenwürde. Wo ist dieses Gesetz: Die Menschenwürde ist unantastbar! Oder ist dieses nur ein Spruch? Was bleibt ist der Hass auf die, die mir dies angetan haben. Dies trage ich heute noch mit 70 Jahren mit mir herum. Das ist im Kopf, in der Seele. Heute lebe ich mit einer Rente von 234,- Euro und einer Grundsicherung von 150,- Euro. Ein Leben wie im „Schlaraffenland“. Dies ist eine Menschenrechtsverletzung. Eine Entschuldigung gab es bis jetzt nicht, für die Zerbrechlichkeit von Kinderseelen und Kinderkörpern. Bin missbraucht worden für alle Schweinereien die es gab. Bin todkrank. Mit zwei Herzinfarkten, mit einem Anorysma, Dazu kommt ein Schlaganfall, sowie ein Nierentumor und nicht OP fähig.

Alwin Michel