Zur Einberufung des Runden Tisches und Vorstellung der Missbrauchsbeauftragten Frau Bundesministerin a.D. Bergmann: Gesetzgeberischer Handlungsauftrag schon jetzt gegeben

Deutsche Kinderhilfe e.V.
(Verbandspresse, 25.03.2010 09:34)

(Berlin) – Die Deutsche Kinderhilfe begrüßt die Einberufung eines Runden Tisches sowie die Einsetzung von Frau Bundesministerin a.D. Bergmann als Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung. Gerade gegenüber den Opfern von Sexualstraftätern ist dies ein wichtiges Signal. Jede Form der öffentlichen Debatte, die Schaffung eines Ansprechpartners und die Aufarbeitung insbesondere in der Vergangenheit liegender Missbrauchsfälle sind wichtige Schritte nach vorne.

Unabhängig von der Einberufung eines Runden Tisches liegen die Defizite im Umgang mit Sexualstraftaten auf der Hand und gesetzgeberisches Handeln ist bereits jetzt geboten. Kinder, die sexualisierte Gewalt erfahren mussten, sind aktuell Opfer zweiter Klasse:

Der sexuelle Missbrauch von Kindern ist in Deutschland lediglich ein Vergehen, kein Verbrechen. Die Beseitigung dieser unverständlichen Schieflage wäre ein deutliches Signal der Ächtung dieser Straftaten.

Das Herunterladen von so genannten „kinderpornographischen“ Dateien – es handelt sich dabei um die Wiedergabe realen Kindesmissbrauchs – spielt in nahezu allen Fällen, in denen Sexualstraftäter verurteilt werden, eine Rolle. Diese Straftat wird mit nur maximal zwei Jahren bestraft. Wer Hollywoodfilme oder Software aus dem Netz herunterlädt, erhält wegen des „wirtschaftlichen Schadens“ drei Jahre Haft. Dies führt dazu, dass die meisten Verfahren gegen Auflage oder durch Strafbefehl eingestellt werden und eine Auseinandersetzung des Täters mit der Tat nicht erfolgt. Insbesondere können keine Therapieauflagen verhängt werden.

Kinder als Opfer sexualisierter Gewalt werden immer noch mehrfach vernommen und müssen in Hauptverhandlungen aussagen, da eine flächendeckende Ausstattung von kindgerechten Videovernehmungszimmern, wie sie lediglich im Land Baden-Württemberg existiert, fehlt.

Therapieauflagen für Sexualstraftäter im so genannten unteren Deliktsbereich, gerade beim Herunterladen pädokrimineller Dateien, können nach geltender Rechtslage nicht angeordnet werden. Ferner fehlt es an einem ausreichenden Angebot von Therapieplätzen.

Die Defizite in der derzeitigen Rechtslage spiegeln sich auch und gerade in den Verjährungsfristen wider. Sexueller Missbrauch ist dadurch gekennzeichnet, dass die Opfer oft Jahrzehnte benötigen, um zu erkennen, dass sie missbraucht wurden. Die Betroffenen erfahren durch die täterfreundlichen Fristen vom Gesetzgeber das klare Signal, dass ihm an einer Aufarbeitung der Taten nicht gelegen ist und dass berechtigte Ansprüche nicht mehr geltend gemacht werden dürfen. Dies führt häufig zu einer weiteren Traumatisierung. Diese unwürdige Rechtslage zu ändern muss nun höchste Priorität für die Politik haben. Zu Recht verjähren Mord und NS-Verbrechen in Deutschland nicht – Täter müssen ihr Leben lang Strafverfolgung und die Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche fürchten. Gleiches sollte für Sexualstraftäter gelten, deren Opfer lebenslang unter den Taten leiden.

„Der Runde Tisch darf nicht dazu führen, dass notwendige Schritte unterlassen werden. Die traurige Geschichte des Runden Tisches gegen Alkoholmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen, der von der damaligen Familienministerin von der Leyen einberufen wurde, hat gezeigt, dass Runde Tische auch dazu dienen, Druck aus einer öffentlichen Debatte zu nehmen. Dies darf bei der gesamtgesellschaftlichen Herausforderung der sexualisierten Gewalt gegen Kinder nicht geschehen“, so Georg Ehrmann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe.

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