- Thema: Sexueller Missbrauch
– Plädoyer für eine Verlängerung der Verjährungsfrist beim Straftatbestand sexueller Missbrauch - Freitagsforum-Diskussionsrunde
Das gebrochene Tabu – der Weg von Männern, die sexuell mißbraucht worden sind
Ina Krauß im Gespräch mit Norbert Denef, Autor des Buches: „Ich wurde sexuell missbraucht“
Quelle:
http://www.br-online.de/bayern2/notizbuch/index.xml
Podcast:
Hallo Herr Denef,
haben Sie sehr vielen Dank für dieses ganz ausführliche offene Gespräch eben im Radio! Es ist wirklich bewundernswert, mit welchem Rückrad sie darüber sprechen. Ihre Gefühle kann ich bis zu einem gewissen Grad verstehen, wie sie fühlen und…oje, das haben sie alles sicher schon an die hunderttausend Mal gehört und vielleicht hängt es ihnen schon zu den Ohren heraus?! Ich denke, ich kann ihnen kaum nch etwas wünschen, was ihnen noch niemand gewünscht hat. Mein ganzer Leib fühlt mit ihnen und mein ganzer Geist schickt ihnen Licht, Wärme, Meeresrauschen zur Beruhigung und frische Gischt für wache Momente! Danke für ihren großartigen Einsatz und viel Kraft & Sonne für ihre Frau und
Kinder!!!
Sehr herzliche Grüße
Elisabeth Noack
Lieber Norbert,
zunächst möchte ich Dir erst einmal danken für Deine Offenheit und Deinen Mut, die Du in dieser Sendung bewiesen hast.
Für den Zuhörer war der Mensch Norbert in seiner Gesamtpersönlichkeit sehr klar zu spüren. Ein Norbert, der kämpft, um die Folgen der derzeitigen Verjährungsfrist auch Unwissenenden aufzuzeigen, ein Norbert, der Politikern und bestimmenten Fachkreisen ihre Verantwortung aufzeigt, ein Norbert, der sich jahrelang fortgebildet hat, und weiß – wovon er spricht.
Aber auch der Norbert, der leidet, der seinen unsichtbaren Rollstuhl annimmt – was – wie fast jedem Betroffenen – nicht immer 100 % gelingt, der dennoch weiß, dass er nicht alleine ist, dass ihm viele den Rücken stärken und ihn begleiten auf seinem Weg. Sei es mit wissenschaftlichen Beiträgen, mit positiven Reaktionen von Zuhörern, Puplikum, TV – zuschauer, darunter acuh einer Hand voll Politiker, Wissenschaftler, Prominenten, und ganz wichtig – deiner Familie oder von uns allen hier im Forum.
Ja, dieser Norbert, der sich heute bei Millionen von Zuhörer offenbarte, hat berührt, überzeugt, informiert, aufgeklärt und für die Durchsetzung notwenidiger Ziele motiviert.
Vielen, vielen Dank, auch dafür, dass du dein inneres, verletztes Kind gezeigt hast. Ganz ehrlich, an dieser Stelle war ich so gerührt, dass mir – ohne es zu wollen – die Tränen kamen…
Du warst hundertprozentig authentisch! Danke für deinen Mut!
Nachdem ich den Radio-Beitrag gehört habe, fing ich an, in meinen „alten“ Unterlagen zu wühlen, grub meine „alte“ -gescheiterte- Petition gegen die Strafvollzugs-Verjährung (1994) hervor, machte mir Gedanken, die letzten überlebenden Täter (nicht nur weg. sexueller Gewalt) anzuzeigen, entschloss mich meine „Geschichte“ jetzt publik zu machen. Mehr denn je stärkt in mir der Gedanke, die leidvolle Opferrolle jetzt zu verlassen und in die Anklagerolle zu wechseln. Was hab ich noch zu verlieren? Wer weiß, wie lange mein Leben noch dauert? Bevor es zu Ende ist, will ich „vorher“ die Wahrheit in die Öffentlichkeit tragen – auch auf das Risiko hin, von Tätern und Justiz als „ungläubig“ oder „geisteskrank“ deklariert zu werden und eine Klage zu erwarten. Was kann man von den Tätern noch erwarten? Wie groß ist (noch) ihre Macht? Klein, sage ich.
Ich gehe in die Offensive, bevor es zu spät ist. Der Selbstmord und Tod von Menschen, die ähnliches erlebt haben (es waren einige in den letzten Jahren, und ich kenne noch nicht einmal alle persönlich, dennoch trifft es mich hart), lässt mich zu dem Schluss kommen: Jetzt ist Schluss mit Schweigen und dem Hinnehmen des Schicksals ohne es bewusst zu bekämpfen.
Spätestens nach dem Radiobeitrag, Herr Denef, spüre ich in mir, wie die Zeit/Wahrheit drängt ans Tageslicht befördert zu werden.
Danke!
Es ist so bitter nötig, uns, die nicht selbst betroffen sind, die aber schon lange, oder auch noch nicht lange, wissen um dieses unsagbare Verbrechen an Kindern, zu schildern, wie es einem solchen traumatisierten Kind ergeht. Wie es in seiner Seele aussieht. W a r u m es Seelenmord ist.
Ich glaube, viele wissen nicht, aber w o l l en wissen, was es heißt, als Kind mißbraucht worden zu sein. Welche Spuren diese Tat hinterläßt. Wir wollen v e r s t e h e n.
Danke für Ihre Offenheit. Sie tragen so viel dazu bei, das Thema in seiner tatsächlichen Tragweite in die Herzen der Deutschen zu tragen. Wenn Si nicht so offen wären – die Täter könnten sich weiterhin erfolgreich wegducken.
Von mir bekommen Sie jetzt schon einen Orden verliehen: den Orden „Hört uns zu!“
Denn Sie haben so recht: die wahren Experten sind die Opfer , und nicht irgendwelche Theoretiker, oder Kirchenmänner, oder Politiker.
Lieber Willi Schewski,
auch mich beschäftigt in der letzten Zeit immer wieder die „Rolle“ als Überlebende / Opfer. Für mich ist es so: manchmal überwiegen die „Opfer-Anteile“ (mit dazugehörigem Verhalten), manchmal die „Überlebenden-Anteile“.
Nachdem ich vor über zehn Jahren meine Familie mit den Missbrauchs-Erfahrungen konfrontiert hatte, haben sie mir nicht geglaubt, obwohl sie selbst immer und immer wieder gerätselt hatten, warum ich nach einem Aufenthalt bei meinem Onkel als sehr kleines Kind immer nur krank war und total verstört. Ich hatte als jüngeres Kind schon Alpträume und Ohnmachtsanfälle und Migräne und körperliche Beschwerden.
Der Täter – der Bruder meines Vaters – war im Jahr 1999 schon seit Jahren untergetaucht, angeblich wegen Steuerschulden; allerdings war er vorher schon einmal zehn Jahre verschwunden, angeblich zur See gefahren, ich denke aber eher: vermutlich im Gefängnis gewesen wegen einer Sexualstraftat.
Mein Vater und seine Schwester haben sich geweigert, eine Vermisstenmeldung aufzugeben (Zitat meiner Tante „vielleicht will er ja nichts mit der Polizei zu tun haben“ – wegen der „Steuersache“, schon klar). Ich habe daraufhin endgültig den Kontakt abgebrochen, den ich eigentlich schon mit Mitte 20 beendet hatte wegen Jahren von Psychoterror, Demütigungen und Hass, was in meinen Jugendjahren zu sozialer Isolation, Todesangst und Panikattacken geführt hat – wie ich heute weiss, Flashbacks und eine Retraumatisierung, da meine Psyche ihr Alarmsystem angeworfen hatte aufgrund der massiven Gewalterfahrung als kleines Kind.
Jetzt bin ich über 40, meine Eltern über 70 – in den letzten zehn Jahren war ich damit beschäftigt, nicht den Verstand zu verlieren wegen dem ganzen Erinnerungs-Horror, der plötzlich über mich hereingebrochen war, am Leben zu bleiben und zu versuchen, wieder stabil zu werden und trotz einer Verschlimmerung der körperlichen Beschwerden, die ich schon als Kind hatte und Arbeitsunfähigkeit / Hartz IV in Würde zu leben.
Ich bin stolz, dass ich trotz der – mir als Jugendlicher und jungen Erwachsenen unerklärlichen – andauernden Todesangst und Panikattacken ein Studium und einige Jahre Berufstätigkeit geschafft habe.
Was jetzt? Ich werde wohl nie wieder Vollzeit arbeiten können. Ich habe einige Versuche mit Aushilfsjobs hinter mir und bin dann wieder kollabiert.
Ich fahre im Sommer wieder zur Reha, will eine neue ambulante Therapie beginnen und nach der Reha versuchen, wenigstes ein paar Stunden pro Woche Arbeit zu schaffen. Erwerbsunfähigkeitsrente wollte ich nie.
Ich bin so wütend, wenn ich daran denke, dass meine Eltern im selben Jahr, als sie den Missbrauch geleugnet haben (ihre eigene Gewalt sowieso), darüber nachdachten, ob sie nach dem Anbau eines Wintergartens und elekronisch gesteuerter Rolläden noch weitere Sachen an ihrem Haus verändern sollen. Während ich trotz Studium und qualifiziertem Beruf auf Sozialhilfeniveau dahinvegetiert bin.
Manchmal denke ich, ich möchte offiziell auf meine Erbansprüche verzichten, ich will nur meine Kuscheltiere von früher und Kinderfotos von mir. Ich möchte offiziell, schriftlich dokumentieren, dass ich mit der Familie nie wieder etwas zu tun haben möchte.
Andererseits könnte ich einfach warten, bis ich als Erbin meine Stofftiere irgendwann zurückbekomme.
Dann denke ich, ich konfrontiere sie noch einmal mit meiner ganzen Wut und Verzweiflung – was beim letzten Mal damit endete, dass ich unter dem Hohngelächter meiner Eltern das Haus verließ. Das gönne ich ihnen eigentlich nicht noch einmal, dazu fühle ich mich eigentlich nicht stabil genug. Und es würde wohl dazu führen, dass ich offiziell enterbt werde. Trotzdem neige ich in letzter Zeit dazu.
Ein Teil von mir hat immer gedacht, wenigstens erbe ich etwas, das ist dann eine kleine Kompensation. Aber vielleicht ziehen meine Eltern ins Heim und verbrauchen ihr Geld und ich würde ohnehin nichts erben. Und natürlich hasse ich mich dafür, überhaupt das Geld haben zu wollen und über die letzten elf Jahre auf Sozialhilfeniveau zu jammern.
Dass Sie sich so klar dafür entschieden haben, das Schweigen zu brechen bewundere ich SEHR! Ich wünschte, ich könnte ebenso klar noch einmal den Mut dazu aufbringen.
Ich wünsche Ihnen ganz viel Kraft bei der Konfrontation der Täter. Niemand kann Ihnen Ihre geistige Gesundheit absprechen. Ich glaube auch, in den letzten Wochen ist etwas passiert, was nicht mehr rückgängig zu machen ist.
Dieshalb werden Täter und die, die zu ihnen halten, es nicht mehr schaffen, Opfer sexualisierter Gewalt pauschal zu diffamieren. Die Lawine, die losgetreten wurde, ist zu groß.
Alles Gute für Sie!
Herzlichst,
Lena