4. März 2010 von Redaktion DER SONNTAG

Es sind Einzelfälle – doch sexuelle Gewalt gibt es auch in der sächsischen Landeskirche. Sie könnte mehr für vorbeugenden Schutz tun.

In den letzten sechs Jahren hat es unter den mehr als 700 Pfarrern der sächsischen Landeskirche zwei Fälle sexueller Straftaten gegeben – zumindest nach offiziellen Angaben. Für das Dresdner Landeskirchenamt ist das Verfahren klar: Wird ein rechtswidriges Fehlverhalten bekannt, folgt ein kirchliches Disziplinarverfahren und eine Anzeige bei der Justiz. Doch die Realität ist keineswegs so eindeutig.

Als ein Pfarrer in Penig vor vier Jahren wegen Verbreitung von Kinderpornografie angeklagt wurde, suspendierte ihn die Kirche sofort und entließ den beliebten Theologen später. Denn die Staatsanwaltschaft ermittelte bereits. Anders lag der Fall in einer Kirchgemeinde einer anderen sächsischen Region (alle Namen und Orte sind der Redaktion bekannt). Dort wurde vor drei Jahren bekannt, dass der Ortspfarrer eine Minderjährige aus der Jungen Gemeinde sexuell belästigt habe.

Das Strafgesetzbuch verbietet eindeutig den sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen. Die Landeskirche eröffnete ein Disziplinarverfahren, der Pfarrer räumte sein Vergehen ein, er wurde nicht entlassen sondern in den Wartestand versetzt. Eine Anzeige bei der Justiz durch die Kirche blieb aus. Das Opfer und seine Eltern wollten die Strapazen eines öffentlichen Prozesses vermeiden, hieß es. Die Folgen der Übergriffe habe das Mädchen bis heute nicht verwunden, sagen Menschen, die mit ihr in Kontakt stehen.

Einen typischen Loyalitätskonflikt zeigt ein Fall aus dem Jahr 2003. In zwei Instanzen befanden damals Gerichte, dass ein Diakon aus Westsachsen ein 12-jähriges Mädchen auf den Mund geküsst und unsittlich berührt haben soll und verurteilten ihn wegen viermaligem sexuellen Missbrauch in einem weniger schweren Fall zu einer hohen Geldstrafe. Doch Kollegen und Vorgesetzte halten ihren geschätzten Kollegen für unschuldig und bezweifeln – anders als die Gerichte – die Aussage des Kindes. Der Diakon blieb im Dienst und arbeitet bis heute mit Kindern und Jugendlichen. Als er die Gemeinde und den Kirchenbezirk wechselte, erfuhren seine neuen Vorgesetzten nichts von der Vorstrafe. Erst als er Religionsunterricht in einer staatlichen Schule geben wollte, wurde sie zum Problem.

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Quelle:

http://www.sonntag-sachsen.de/2010/03/04/gefahrlich-nahe/