Im Canisius-Fall gibt es neue Hinweise auf Suizide von Schülern. Experten fordern Schulstandards gegen Missbrauch.
Von Hadija Haruna
12 Täter, 120 offizielle Opfer – so lautet die bisherige Bilanz zu den Missbrauchsfällen im Jesuitenorden. Die Dunkelziffer ist unbekannt, und einige derer, die das Martyrium erlebten, sind nicht mehr am Leben. Der Mitschüler Johnny Haeuslers beispielsweise, der nach seiner Schulzeit erst einen Anschlag auf Täter-Pater Peter R. verübte und sich anschließend das Leben nahm, sei nicht der Einzige gewesen, der Selbstmord begangen habe, schreibt ein ehemaliger Canisius-Schüler in seinem Blog „Spreeblick“. Dabei beruft er sich auf Aussagen anderer Mitschüler.
Auch Ordensanwältin Ursula Raue habe von mehreren mutmaßlichen Opfern gehört, die offenbar ihr Leben durch Suizid beendet haben oder die der Gedanke daran täglich begleite. Von vier Opfern und Familienangehörigen kenne sie die Details. „Es sind Geschichten von Kindern, die missbraucht wurden und im Leben nie richtig Fuß fassen konnten.“
Selbstmord sei das Mittel, an das man denke, wenn man die Schmerzen nicht mehr aushalte, sagt Norbert Denef. Der Suizidgedanke sei für viele Opfer ein ständiger Begleiter. Acht Jahre lang wurde er von einem Pfarrer und einem Kirchenangestellten missbraucht. „Bei denjenigen, die ihre Geschichte verdrängt haben, kann die Erinnerung unvorstellbare Schmerzen auslösen.“
Bei der Offenlegung ihres Zwischenberichts sprach sich Anwältin Raue für die Entwicklung institutionalisierter Modelle aus, mit denen Missbrauch in Zukunft verhindert werden solle. „Jetzt muss endlich im Bewusstsein ankommen, dass Kinder Zeichen senden, wenn ihnen Gewalt passiert und es braucht Menschen, die sie erkennen und zu werten wissen.“ Zudem bedürfe es einer Supervision für Lehrer, die unter Anleitung ihre Einzelerfahrung zusammentragen sollten, um auf Fälle aufmerksam zu werden. „Es wird viel zu viel über die Täter diskutiert und die Opfer werden zu oft außer Acht gelassen“, sagt Bernd Hans Göhrig, Bundesgeschäftsführer des ökumenischen Netzwerks „Initiative Kirche von unten“. In einem Zehn-Punkte-Plan fordert das Netzwerk einen standardisierten Umgang mit dem Thema Missbrauch in der Kirche, der auch für die Schulen gilt – beispielsweise den Einsatz einer unabhängigen Ombudsperson. „Diese aber darf nicht Teil des Lehrkörpers sein oder von der Kirche bezahlt werden, muss aber trotzdem in den Schullalltag eingebunden sein.“ An dieser Stelle müsse das Schulamt eintreten, an das diese Instanz gekoppelt sein könnte.
Insbesondere an den kirchlichen Schulen bedürfe es eines neuen Konzeptes, weil dort das Beichtgeheimnis die geistlichen Lehrer von der Meldung eines Vorfalls entbinde. „Die Frage, die sich stellt ist, ob die Kirche noch in der Lage ist das Problem alleine zu lösen“, sagt Göhrig. Auch die Kieler Strafrechtlerin Monika Fromm fordert kontrollierte Standards. „Wenn eine Einrichtung die betroffenen Personen nur versetzt, dann sollte das Opfer im Anschluss nicht noch nachweisen müssen, dass es geschädigt wurde.“ Die bei einem Verdachtsfall einzuleitenden Schritte müssten öffentlich nachvollziehbar sein.
Quelle:
http://www.tagesspiegel.de/berlin/Canisius-Kolleg-Missbrauch;art270,3035917
Der Gedanke an „Selbstmord“ war auch 44 Jahre lang mein Mittel um in einer Familie und in einem Dorf zu überleben, in dem vor ca. 55 Jahren ein Priester, meine Mutter, 2 Tanten, meine Schwägerin und etliche andere missbrauchte… Dieser Priester wurde ebenfalls immer wieder vom Bistum in andere Dörfer versetzt. Sein Name war Jakob Goldstein. Mir ist bekannt, dass er zuletzt sein Unwesen in Höfen in der Eifel trieb. Dort missbrauchte er unter anderem 3 Messdiener, die wohl alle an Hepatitis erkrankten. Der behandelnde Arzt hat den Missbrauch aufgedeckt und ihn angezeigt. Er sollte verhaftet werden, floh jedoch rechtzeitig über die Grenze nach Belgien. Das alles hat damals in der Presse gestanden unter anderem auch in der Bildzeitung.
Er war Belgier. Er schwängerte die Schwester meines Vaters, ca. 35 Jahre jünger als er, nachdem er als Priester nicht mehr arbeiten konnte, gründete er mit meiner Tante eine Familie. Meine älteste Cousine wurde ebenfalls missbraucht. Jakob Goldstein ist schon lange tot. Seine Opfer leben noch und auch die Opfer der 2. Generation und die Opfer der 3. Generation leben und leiden teilweise noch heute.
Meine Tante erhält vom Bistum Aachen eine kleine Rente für J. Goldstein. Was für ein Hohn! Meine Tante schützt diesen Missbrauchspriester. Sie hat das, was ihr späterer Ehemann getan hat, völlig abgespalten (Dank Alkohol und Beruhigungsmittel funktioniert ihr Leben irgendwie).
Das war ein kleiner Ausflug in die Vergangenheit!
Heute -nach erfolgreicher Traumatherapie- weis ich dass die ANGST vor dem Schmerz, den Schmerz so schlimm erscheinen lässt.
Die Abwehr und die Angst vor dem Schmerz verhindern aber auf Dauer eine natürliche Heilung.
Als ich anfing den Schmerz zu zulassen, ihn willkommen zu heißen, ihn nicht wegzumachen.. fing auch meine Heilung an. Im Laufe der Zeit fing ich an den Schmerz als meinen Heiler zu begrüßen… und so fing der Schmerz an mich zu verwandeln…
Ich habe mich dem Leben im „Jetzt“ radikal hingegeben. Ich identifiziere mich nicht mehr mit dem was geschehen ist und ich flüchte mich nicht mehr in Träume und Illusionen. Das Leben ist für mich zu einem großen und wunderbaren Geschenk geworden in jedem Augenblick.
Das heißt aber nicht, daß da keine Traurigkeit und kein Schmerz mehr wäre.
So wie in jedem Menschenleben gehören Freude, Glück, Schmerz und Traurigkeit zum Menschsein. Genauso wie die Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter, Leben und Sterben zur Natur. Der ewige Kreislauf….Wie wunderbar! Einfach schön!
ELVIRA
Kurz bevor ich meine Therapie 1992 begann, las ich einen Satz, (leider ist mir die Quelle unbekannt) der mir zum Leitspruch der darauf folgenden 8 Jahre wurde:
Vergessen wollen
verlängert das Exil
Die Kraft
der Erlösung heißt
ERINNERUNG
und er hat mir immer dann Mut gegeben, Schritt für Schritt mein Trauma hoch zu holen, es anzusehen, durch den Schmerz, der Trauer, der Scham, der Demütigung zu gehen, und es als einen Teil meiner Geschichte anzunehmen.
Das „sich- wieder – erinnern“ ist die Rettung aus einem durch Täter, Generationstraumaübertragung… geschaffenen Exil.
Liebe Sarah M.,
ich finde deine Sätze sehr treffend. Ich bin in meinem Dorf und in meiner Familie durch die Double-Bind-Botschaften der Opfer fast „Irre“ geworden. Ich bekam mit ca. 20 Jahren kurz vor dem Abitur in der Kirche beim Kommuniongang plötzlich Panikattacken. Mein Kopf und meine Hände zitterten. Ich bekam Schweißausbrüche, Herzrasen und Schwindel. Heute weis ich warum ich die Gefühle in der Kirche hatte. Damals habe ich mich nach und nach von der Gemeinschaft isoliert. Ich konnte diese Ängste, die ich dort erlebte, nicht mehr aushalten und habe immer gedacht, ich wäre nicht ganz normal. Das gewählte Exil, die Isolation hat mich dann schwer, schwer depressiv werden lassen.
Das kollektive „sich-wieder-erinnern“ ist die Rettung aus einem durch Täter, Generationstraumaübertragung … geschaffenen Exil und Gefängnis.
Danke Elvira
Bernd Schulz Stülerstraße 2 99974 Mühlhausen Thüringen Telefon 03601 478124
Sehr geehrte Frau Dr. Bergmann,
hiermit möchte ich noch einmal auf meine Email-Nachricht vom 05.07.2010
erinnern. Leider haben Sie bis heute nicht reagiert und den Eingang meines Schreibens auch nicht bestätigt.
Möchten Sie mein Fall verschweigen und ignorieren?!
Das junge Leben, dass über zwei Jahrzehnte gezeichnet ist
von Missbrauch, Armut, Hunger, Schlägen, Demütigungen und
Erniedrigungen sowie harter Arbeit. Und das habe ich 21 Jahre ertragen müssen!
Ich leide heute noch, „der Missbrauch“ alleine hätte schon
gereicht, um mich in ein tiefes Unglück zu stürzen.
Frage Frau Dr. Bergmann;
“würden Sie die Qual des Leidens an ihre Kinder spüren wollen”?
Ich denke mal nicht, dass sie es ihren Kindern zugelassen hätten und wie ist ihr Bild zu dem Missbrauch von meiner Kindheit?
Jeden Tag muss ich heulen, Leiden, mich in meinen Gefühlen erniedrigt fühlen. Mich kotzt dieses Leben sehr an und ihnen scheint es ja auch egal zu sein?!
Ich hoffe Sie haben erbarmen und fürchten sich vor dem, dass Sie es nicht eingestehen können?!
Mit freundlichen Grüßen
B. Schulze
Dieser runde Tisch ist doch ein Witz-das Ergebnis -welches?-nicht der Rede wert.Nach dem Motto:Immer schön wieder unter den Tisch.Diesmal auch wieder 1:0 für die Täter.Das ist Konsens in Politik, Justiz, Bildungseinrichtungen, Kirche.Schulen, Heimen , Internaten etc. sowie in weiten Kreisen der Bevölkerung.Seit eh und je.Und das ist auch gut so.
Auch für das Aloisiuskolleg in Bonn-Bad Godesberg vermutet man eine unnatürlich hohe Zahl an Selbstmorden. Leider wurden diese immer noch nicht genauer untersucht. Auch einen Amoklauf mit mehreren Toten, durch einen Schüler des mutmasslichen Haupttäters hat es gegeben. Der zurückgetretene Schulleiter und langjährige Wegbegleiter des vielfach Beschuldigten hat jetzt eine neue Stelle als Seelsorger angetreten. In Göttingen. Die meisten der dort Betroffenen haben die von den Jesuiten angebotenen 5.000.- nicht angenommen.