WELT ONLINE 6. Februar 2010

Missbrauch: Bayern fordert längere Verjährungsfristen

Von Peter Issig

München – Es ist ein Dammbruch. Nachdem in der vergangenen Woche zahlreiche Fälle von sexuellem Missbrauch an der katholischen Eliteschule Canisius-Kolleg in Berlin aus den 70er- und 80er-Jahren bekannt wurden, melden sich täglich neue Opfer aus anderen Schulen und Internaten. Anwälte sind eingeschaltet, erste Zivilklagen werden bereits geprüft. Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) erwartet hier aber Probleme. „Es ist zu befürchten, dass das deutsche Recht den Opfern keine Hilfe ist.“ Oft würden Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs erst nach vielen Jahren aufgedeckt.

München – Es ist ein Dammbruch. Nachdem in der vergangenen Woche zahlreiche Fälle von sexuellem Missbrauch an der katholischen Eliteschule Canisius-Kolleg in Berlin aus den 70er- und 80er-Jahren bekannt wurden, melden sich täglich neue Opfer aus anderen Schulen und Internaten. Anwälte sind eingeschaltet, erste Zivilklagen werden bereits geprüft.

Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) erwartet hier aber Probleme. „Es ist zu befürchten, dass das deutsche Recht den Opfern keine Hilfe ist.“ Oft würden Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs erst nach vielen Jahren aufgedeckt. „Die Täter müssen von unserem Staat auch in diesen Fällen noch zur Rechenschaft gezogen werden können. Deshalb gehören die Verjährungsregelungen auf den Prüfstand“, sagte Merk der WELT.

Die CSU-Politikerin fordert, dass die Verjährungsfristen deutlich angehoben werden: auf 30 Jahre sowohl im Zivilrecht wie im Strafrecht. „Die Verfolgung der Täter darf nicht an Fristen und Formalien scheitern.“ Nach geltender Rechtslage liegen die Verjährungsfristen im Strafrecht bei Kindesmissbrauch gestaffelt bei zehn bis 20 Jahren. Deutlich kürzer ist dagegen die Frist im Zivilrecht. Sie beträgt nur drei Jahre. Ein Missbrauchsopfer muss sich also beeilen, Schadenersatzansprüche oder finanzielle Hilfe, beispielsweise für Therapien, geltend zu machen. Bei minderjährigen Opfern beginnt die dreijährige Verjährungsfrist mit dem 21. Lebensjahr. Die aktuellen Fälle zeigen aber, dass aus Scham oft über Jahrzehnte hinweg geschwiegen wird.

„Drei Jahre Verjährungsfrist – aus der Sicht der Opfer klingt das wie Hohn“, sagte Merk, die auch stellvertretende CSU-Vorsitzende ist. 36 Monate dürften nicht entscheidend sein, ob ein Opfer Hilfe erhält. Um die Verjährungsfristen im Strafrecht zu verlängern, hat Bayern bereits 2008 einen Gesetzentwurf im Bundesrat eingebracht. Demnach soll jeder sexuelle Missbrauch als Verbrechen eingestuft werden. Bislang gelten „einfache Fälle“ von sexuellem Missbrauch aber nur als Vergehen.

Quelle:

http://www.welt.de/die-welt/politik/article6275936/Missbrauch-Bayern-fordert-laengere-Verjaehrungsfristen.html