Von Simone Matthieu.

Immer wieder hören wir von sexsüchtigen Prominenten. Zurzeit lässt sich etwa Tiger Woods gegen diese Abhängigkeit therapieren. Was steckt hinter diesem Phänomen?

In der berühmten Pine Groove Klinik im Süden von Mississippi lässt Tiger Woods zurzeit seine Sexsucht therapieren. Er hat sich damit in die wohl fähigsten Hände auf diesem Gebiet begeben: Der dort tätige Psychologe Patrick J. Carnes ist Pionier und Koryphäe auf dem Gebiet der Hypersexualiät. Carnes definiert Sexsucht so: «Nur ein ausser Kontrolle geratenes Verhalten, das einhergeht mit den klassischen Anzeichen für Sucht – Besessenheit, Machtlosigkeit und die Benutzung von Sex als Schmerzmittel – weisen auf sexuelle Sucht hin.»

Auf wen diese Beschreibung zutrifft, der sollte sich Hilfe holen. Viele Prominente haben das getan: Michael Douglas, David Duchovny, Ron Wood oder Liza Minelli. Obwohl Frauen nur 10 Prozent der Sexsüchtigen ausmachen, können sie genauso darunter leiden. Schätzungen zufolge sind 4 bis 5 Prozent der Bevölkerung sexsüchtig.
In den USA gibt es Fachkliniken, die sich auf die Behandlung dieser Störung spezialisiert haben. In der Schweiz stehen Betroffenen Einzeltherapien bei Psychologen oder Psychiatern zur Verfügung sowie Selbsthilfegruppen, die meist als sehr hilfreich empfunden werden. Eine davon betreibt das Mannebüro Zürich. Ähnliche Angebote gibt es in allen Schweizer Städten.

Mit dem Problem nicht allein sein

Werner Huwiler, Gruppenleiter beim Mannebüro zürich, betont gegenüber bazonline.ch/Newsnetz den Vorteil der Gruppentherapie: «Viele Männer, die bei uns Hilfe suchen, haben bereits verschiedenste Sachen ausprobiert und fast schon resigniert. Umso grösser ist die Erleichterung, wenn sie bei uns feststellen, dass sie mit ihren Problemen nicht alleine sind.» Der Leidensweg sei bei den meisten Betroffenen lang. Beziehungen gingen an ihrer Sucht kaputt und einige landeten dadurch in der sozialen Isolation. Sexsucht kostet auch viel, je nachdem, wie häufig die Süchtigen zu Prostituierten oder ins Bordell gehen müssen.

Auf Gruppentherapien setzt auch Dr. Carnes. Mindestens sechs Wochen dauert ein Aufenthalt in der Pine Groove Klinik, soll er erfolgreich sein. Neben Gruppensitzungen erhält der Patient Einzeltherapien, bei denen speziell auf vergangene Traumata und familiäre Probleme fokussiert wird. Laut Dr. Carnes ist es emminent wichtig, den Partner des Patienten ebenfalls in die Therapie miteinzubeziehen. Auch bei Tiger Woods gehört das zum Weg der Besserung: Seine Frau Elin Nordegren ist immer wieder bei ihm in der Klinik und offenbar bereit, ihrem Mann eine zweite Chance zu geben.

Sex als Genuss, nicht als selbstauferlegter Zwang

Das Ziel von Huwiler und seinem Mannebüro ist, die Betroffnen zu lehren, Sex zu geniessen und nicht einfach nur zu konsumieren. Mit Körperarbeit – Übungen im Bereich der Atemtechnik, Bewegungs- und Entspannungstechniken – soll das erreicht werden. Die Techniken lernen die Männer in der Gruppentherapie, zu Hause können sie sie im Selbststudium üben.
Huwiler nennt das «eine Art Weiterbildung, bei der die Methoden der Selbstbefriedigung erweitert werden». Der Mann solle nicht nur vor dem Computer sitzen und onanieren, sondern seine Sexualität ganzheitlich geniessen. «Sexsüchtige sind oft nur auf pornografische Bilder fokussiert. Es geht darum, die körperlichen Empfindungen auch zuzulassen und alles wahrzunehmen. Sobald man mehr geniessen kann, werden die Bilder weniger wichtig», so Huwiler.

Quelle:

(bazonline.ch/Newsnetz) Erstellt: 29.01.2010, 12:41 Uhr  http://bazonline.ch/panorama/leute/Wenn-Sex-zum-Schmerzmittel-wird/story/27583639