Schülerin im Praktikum sexuell bedrängt

Artikel aus der vom 22.01.2010

Böblingen Ein Arbeiter ist deshalb zu 15 Monaten Haft verurteilt worden.

Von Oliver im Masche

Das erste Mal Berufsluft schnuppern wollte eine 14 Jahre alte Schülerin, als sie im vergangenen Sommer eine Woche lang in einer Firma ein Berufspraktikum gemacht hat. Das machen alle Achtklässler der Hauptschulen im Land. Vier Tage lang lernte das Mädchen die Arbeitsabläufe in dem Betrieb im Gewerbegebiet Hulb kennen. Doch am letzten Tag ihres Praktikums verging sich ein 34 Jahre alter Mitarbeiter an der Schülerin. „Ich habe davon bis heute immer wieder Albträume“, sagte die Schülerin.

Der Mitarbeiter der Firma ist gestern am Amtsgericht in Böblingen zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt worden. Sie wurde zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem muss der Mann 2000 Euro Geldbuße an die Beratungsstelle Thamar in Böblingen zahlen, deren Mitarbeiter Opfer sexueller Gewalt unterstützen.

Der 34-Jährige hat die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft strikt von sich gewiesen. „Ich habe nichts gemacht“, erklärte der Familienvater, der drei Kinder im Alter von einem bis neun Jahre hat, von seinem Chef als vorbildlicher Mitarbeiter beschrieben wird und noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist. Er wisse auch nicht, warum die Schülerin ihn beschuldigte, sich an ihr vergangen zu haben. „Vielleicht aus Rache, weil ich ihr einmal gesagt habe, dass sie so langsam arbeitet und ein bisschen schneller sein sollte“, sagte der Mann.

Die Richter des Jugendschöffengerichts schlossen sich hingegen der Version des Mädchens an. Demnach traf sich die 14-Jährige mittags mit dem 34-Jährigen und einem 17 Jahre alten Lehrling zur Mittagspause im Gemeinschaftsraum der Firma. Als der Auszubildende zum Rauchen das Zimmer verließ, ging das Mädchen in den Umkleideraum, um dort ein Getränk aus ihrer Tasche zu holen. Der 34-Jährige folgte ihr. Mit den Worten „Du willst es doch auch“, bedrängte der Mann das Mädchen, drückte es gegen die Wand, hielt es fest, begrapschte die 14-Jährige und versuchte sie zu küssen.

„Ich habe erst geglaubt, dass es sich um einen Spaß handelt“, sagte das Mädchen. Sie habe sich gewehrt, sei dem Mann aber körperlich absolut unterlegen gewesen. Ein Geistesblitz bewahrte die 14-Jährige offenbar vor weiteren Übergriffen. Sie erklärte, dass die Mittagspause zu Ende sei und man zur Arbeit zurückkehren müsse. Als der Mann daraufhin kurz auf die große Wanduhr blickte, nutzte das Mädchen den kurzen Moment der Ablenkung, schlüpfte unter den Armen des 34-Jährigen hindurch und lief an ihren Arbeitsplatz.

Zunächst behielt die Schülerin das Erlebte für sich. Erst nach dem Feierabend schilderte das Mädchen den Übergriff einer Freundin und am Abend der Jugendsozialarbeiterin eines Jugendtreffs, das die 14-Jährige regelmäßig besucht. Schließlich wurde von dort die Polizei verständigt.

Das Mädchen leidet bis heute unter dem sexuellen Übergriff. „Die Erinnerungen kommen wieder hoch“, sagte die Schülerin. Mittlerweile besuche sie eine Therapeutin, um das Erlebte besser verarbeiten zu können. In den nächsten Monaten sind weitere 25 Beratungsstunden anberaumt.

Der vorsitzende Richter Günter Scheible erklärte, dass die Aussagen der 14-Jährigen „absolut glaubhaft“ seien. „Sie hat den Übergriff sehr detailreich geschildert. Dabei hat es auch bei Nachfragen keine Widersprüche gegeben“, so der Richter. Zudem habe das Mädchen keinen Eifer gezeigt, den Mann zu belasten. „Wenn sie Ihnen etwas Böses wollte, hätte sie das Erlebte drastischer formulieren können“, betonte Scheible. Er habe keinen Zweifel daran, dass das Mädchen die Wahrheit sage. „Ich weiß auch nicht, warum die Schülerin Sie aus heiterem Himmel belasten sollte“, so der Richter. Er hoffe nur, dass die 14-Jährige den Übergriff schnell verarbeiten könne, um später unbefangen eine eigene Beziehung zu einem Partner einzugehen.

Quelle:

http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2358378_sz_hier_artikel_1354_-schuelerin-im-praktikum-sexuell-bedraengt.html?_suchtag=2010-01-22