Jedes Jahr werden in Deutschland schätzungsweise 200.000 Kinder Opfer von sexueller Gewalt. Wie ist eine so hohe Opferzahl in einer Gesellschaft möglich, die doch den Schutz der Kinder für sehr wichtig hält?
Dieser Kern-Frage geht die erste Folge der neuen Dokumentations – Reihe „45Min“ im NDR fernsehen, am 12. Januar 2010 um 22:30 Uhr, nach. Auf seiner Spurensuche erhält NDR Autor Sebastian Bellwinkel Antworten, die belegen, dass Politik und Gesellschaft beim Schutz der Kinder an vielen Stellen versagen. Die Dokumentation „45Min – Sexobjekt Kind“ hinterfragt unser Strafrecht, zeigt auf, dass Sexualstraftäter im Gerichtsverfahren nicht von Gutachtern auf ihre Gefährlichkeit und Rückfallgefahr hin untersucht werden müssen. Die Folge: Täter erhalten im Strafvollzug meist keine Therapie. Das Gefängnis verlassen sie dann nach verbüßter Haftzeit als „tickende Zeitbombe“ – so schätzt es ein mehrfacher Kinderschänder in einem Interview mit „45Min“selbst ein.
Das Video zur Sendung:
im Moment gibt es eine Petition beim Bundestag zu dem Thema:
Gesetzliche Krankenversicherung-Leistungen-Kostenübernahme für Sexualtherapie
https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=8738
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Hallo Tara,
in diesem Zusammenhang verweise ich auf meine Kritik zum Projekt der Berliner Charité in der Sendung ARD „Menschen bei Maischberger“ 10.10.2006:
“Lieben Sie Kinder mehr als Ihnen lieb ist?” – damit wirbt die Berliner Charité, um mit Pädokriminellen zu arbeiten. Zweimal wird in diesem Satz von Liebe gesprochen, obwohl es um ein Verbrechen geht – dem Seelenmord, das Schlimmste was man einem Kind antun kann. Ich bin nicht der Meinung, dass es “ein Fehler der Natur” ist, wenn Pädokriminelle Kinder sexuell missbrauchen, sondern ein Verbrechen.
http://www.youtube.com/watch?v=EAcbiu-kF2A
Und ZDF „Johannes B. Kerner“ 2.10.2007:
“Lieben Sie Kinder mehr als Ihnen lieb ist?”
Die Charité vergleicht sexuellen Kindesmissbrauch mit Liebe – das ist ein Schlag in das Gesicht der Opfer.
http://www.youtube.com/watch?v=aZ2e51Oq36o
Freundliche Grüße
Norbert Denef
Hallo Tara,
kannst du näher erläutern/herausbekommen, was in diesem Zusammenhang mit „Sexualtherapie“ gemeint ist? Zielgruppe?
Meine Meinung hierzu:
Ja, es ist ein Verbrechen und hat nichts mit „Gesunder Liebe“ zu tun. Denn „Gesunde Liebe“ kann niemals krank machen. Gesunde Liebe macht frei und heilt. „Kranke Liebe“ bindet, macht abhängig und lässt die darin verstrickten Menschen niemals wachsen.
„Kranke Liebe“ macht blind.
„Gesunde Liebe“ macht sehend.
Prof. Joachim Bauer, einer der führenden Neurobiologen hat dazu ein wunderbares Buch geschrieben: „Wie Beziehungen und Lebensstile die Gene verändern”.
Prof. Gerald Hüther, einer der bekanntesten und führenden Hirnforscher sagt, „Bindung“ und „Wachstum“ sind die elementarsten Urbedürfnisse des Menschen. Er hat ein Buch geschrieben über die „Evolution der Liebe“
Der Mensch ist auf Bindung angewiesen. Ohne jegliche Bindung kann ein Mensch nicht überleben. Nur leider befinden sich viele Menschen in verkrüppelten Bindungen in denen sie aus Angst vor Bindungsverlust bereit sind, jeden Preis zu zahlen. In diesen Beziehungen kann niemand seelisch wachsen. Täter nicht und Opfer nicht.
Um wachsen zu können, brauchen wir Bindungen in denen Wachstum möglich ist. Wir brauchen Menschen an unserer Seite mit denen wir wachsen können. Menschen, die uns loslassen, die wir aber auch loslassen. Menschen mit denen wir uns verbunden fühlen, die uns aber in Freiheit wachsen lassen und dabei stille Freude und stilles Glück empfinden. Das ist Evolution.
Elvira
Noch ein kleiner Nachtrag:
Wenn man nun folgende Gleichung macht: Liebe = Leben.
Dann könnte man sagen, die Täter brauchen die Opfer um tatsächlich leben zu können. Die Opfer dienen dem Täter zum Überleben. Die krankhafte Natur des Täters sucht Bindung, Wäme und Anerkennung bei Kindern. Die krankhafte Natur des Täters will sich nicht klein und winzig fühlen, was sie aber ist, deshalb sucht sie nach Unterlegenen. Die krankhafte Natur des Täters kann nicht anders. Sie benutzt „Kinder“ um das eigene Überleben zu sichern.
Kinder, die auf Bindung angewiesen sind, haben keine andere Wahl, als sich benutzen zu lassen.
Auch die Täter hingen mal an einer Nabelschnur.
Traumata werden sowohl auf Opfer, wie auf Täterseite weitergegeben. Von Generation zu Generation. Das muss man sehen. Das ist wichtig. Das ist Fakt. Das ist kein Hebammenmärchen.
Meine Güte, ich dachte, dass ich viel vertragen kannn, aber der Einstieg des TV-Beitrags hat mich tiefst geschockt / getriggert. Hab die Nacht sehr schlecht geschlafen. Das Weinen des Kindes erschüttert mich; ich erinnere mich, dass es bei mir ähnlich war.
Spielt das Weinen des Kindes bitte mal den Politikern vor! Warum rührt sich nichts bei den verborten von unseren Steuergeldern bezahlten Politikern?
Norbert schrieb: “Lieben Sie Kinder mehr als Ihnen lieb ist?” Die Charité vergleicht sexuellen Kindesmissbrauch mit Liebe.
Diese verunglückte Formulierung hat mich damals auch stutzig gemacht, auch fand ich diesen „Werbespot“ sehr seltsam.
Ausgelebte Pädophilie ist eben nicht das schelmische Zuzwinkern in der Straßenbahn, sondern sexueller Missbrauch an Kindern.
Prof. Beier begründete dies aber so – auf Stern TV – dass man diese Formulierung bewusst verwendet hätte, um damit Pädosexuelle anzusprechen. Denn schließlich soll dieser Spot ja nicht „Herrn und Frau Mustermann“ ansprechen, sondern Pädophilie.
@ Norbert: Was hältst Du von seiner Erklärung?
Einerseits kann ich diese Formulierung mit dieser Erklärung leichter nachvollziehen, andererseits befürchte ich, dass viele Uninformierte dadurch einen völlig falschen Eindruck bekommen. In dieser Form trägt Prof. Beier gleichzeitig zur Verharmlosung und zur Hysterie bei. Einige denken, ach hier geht’s nur um Händchenhalten, alles nicht so schlimm. Andere sehen in eben diesem Händchenhalten schon die Vorstufe von Sex. Missbrauch.
Aber eine so schwierige Thematik ist nicht leicht in einen 30 Sekunden Spot zu quetschen.
Noch ein paar Worte zu dieser angesprochenen TV Dokumentation:
Ich habe mich selten über eine Sendung so geärgert, weil sie ein völlig verzerrtes Bild wiedergegeben hat.
„dass Politik und Gesellschaft beim Schutz der Kinder an vielen Stellen versagen.“
Die Gesellschaft sind wir ja alle.
Und die Politik hat 3 Dutzend Mal das Sexualstrafrecht verschärft. Der Autor erweckte aber den Eindruck, hier wäre nie etwas passiert. Dies ist ja nicht wahr und absolut unseriös. Ich wünsche mir auch noch einige Modifizierungen, aber deshalb sollte man nicht so tun, als wäre hier gar nichts passiert. Alle die dieses behaupten, sollten sich mal ein altes Strafrecht von 1992 zulegen, gerade mal 18 Jahre her, fast alles hat sich seitdem geändert.
Diese Doku kann man jedenfalls völlig vergessen. Da werden aus Foren sinnentstellend zwei Sätze hochgezoomt, es wird nur an der Oberfläche gekratzt, um im Minutentakt möglichst jeden Teilaspekt reißerisch zu beleuchten. Unangenehme Wahrheiten wurden bewusst ausgeblendet. Bezogen auf die Einwohnerzahl hat die Schweiz wesentlich mehr Strafverfahren gegen Sexualstraftäter laufen.
Auch hat nicht jeder Erwachsene, der im Internet mit Kindern chattet, immer nur sexuelle Absichten.
Dies ist doch eher die Ausnahme. Auch im Alltag reden ja Erwachsene mit Kindern, ohne dass sie dabei ständig sexuelle Absichten hätten.
@ Caroline Kaiser
„Lieben Sie Juden mehr als Ihnen lieb ist?“
Würde man diesen Spot bewusst verwenden, um Nazis anzusprechen, damit sie eine Therapie machen?
Ich glaube nicht!
Würde unsere Gesellschaft einen solchen Vergleich zulassen, das Verbrechen an den Juden mit Liebe zu vergleichen?
Ich glaube nicht!
Die Charité vergleicht sexualisierte Gewalt mit Liebe, das ist aus meiner Sicht ein Verbrechen.
Als ich gegen diesen Werbespot der Charité, “Lieben Sie Kinder mehr als Ihnen lieb ist?”, klagen wollte, sagte man mir, dass das aus juristischen Gründen nicht mehr möglich sei.
Norbert Denef
Q Caroline Kaiser …Der Autor erweckte aber den Eindruck, hier wäre nie etwas passiert. Dies ist ja nicht wahr und absolut unseriös. … aber deshalb sollte man nicht so tun, als wäre hier gar nichts passiert. …
Was hat sich denn bitte geändert: Die Justiz und Politik hat komplett beim Thema Dokumentation von Kinderfolter („Kinderpornografie“) versagt. Lesen Sie bitte mal was Frau Gestendörfer dazu schreibt: http://www.lobby-fuer-menschenrechte.de/Sperrung_von_Internetseiten.php
Das bei den Staatsanwaltschaften und Kripo Personal fehlt, ist offensichtlich und wichtig, dass das im TV gesendet wird. Und das IST definitiv auf Grund des Versagens der Politik zurückzuführen!
Also Frau Kaiser, hier zu schreiben, die Politik würde handeln, sieht nur die Halbe Wahrheit.
Aber warum kein Wort über die Aktion von Herrn Denef? Das Herr Denef vor dem EU-Gericht klagen muss, ist wiederum auf das Versagen der Politik zurückzuführen. Die Poltik trägt einen wichtigen Teil dazu bei, dass weiterhin viele Kinder und Jugendliche Opfer von Sexualstraften werden. Das ist Fakt.
Sicher, mir missfielen im Beitrag auch die Begriffe „pädophiel“ was exakt „kinderlieb“ bedeutet. Kam in dem TV-Beitrag zu oft vor, ist unkorrket und verwirrend und verharmlosend gleichzeitig.
Mich ärgert ferner, dass kein Wort über die – berechtigte Kritik – an Prof. Beier und „sein“ Projekt. Da hat der Journalist in der Tat schlecht recherchiert. Man muss ja nur mal Googeln.
Auch wurde in dem Beitrag so getan als würde „Therapie“ für die Täter helfen. Welche Therapie? und wie wird sie ausgeübt? Es wurde keine Kritik an der „Therapie“ sowohl für Täter als auch Opfer geäußert. Sicher hat die Doku Lücken – aber es ist immer noch besser, als wird überhaupt nicht so offen berichtet.
„Diese Doku kann man jedenfalls völlig vergessen. Da werden aus Foren sinnentstellend zwei Sätze hochgezoomt, es wird nur an der Oberfläche gekratzt, um im Minutentakt möglichst jeden Teilaspekt reißerisch zu beleuchten.“
Was heißt denn bitte „es wird nur an der Oberfläche gekratz“?
Hallo Caroline,
ich bin da ganz deiner Meinung. „Wir“ sind die Gesellschaft und es hat sich bereits vieles positiv verändert. Das muss man sehen und anerkennen. Wir sind zwar noch nicht am Ziel aber wir gehen in kleinen Schritten darauf zu. Polarisierungen verhindern den Weg in die Mitte; sowohl auf Opfer- und Täterseite. In der Polarisierung geschieht es leicht, dass die Augen vor der Realität verschlossen werden. Polarisierung macht teilweise blind, weil die Augen aus der dieser Position heraus nicht weit genug schauen können. In der Mitte von zwei Polen ist die Sicht auf die Dinge wesentlich besser und realistischer. Wir brauchen vor allem ein auf unserem Weg: klares Denken, klare Sicht und Frieden im Herzen.
Caroline, deine Sichtweise gefällt mir sehr gut.
Elvira
Hallo Willi,
das weinende, hilflose Kind in dir wurde durch den Beitrag geweckt. (getriggert). Das Kind in dir braucht von dir „jetzt“ liebevolle Annahme. Es will immer noch etwas „heilen“ in dir, weinen in dir, in den Arm genommen werden. Das Kind in dir braucht deine ganze liebevolle Aufmerksamkeit. Hörst du denn sein leises, leises Weinen „heute“ nicht mehr? Es ist in dir. Es ist ein „Wesen“ in dir ein tatsächlicher Teil von Dir. Es lebt. Eine „Teilpersönlichkeit“, die integriert werden möchte. Aber, die gute Mutter in dir, der gute Vater in dir schaut erstmal weg. Der „Krieger“ in dir hat das Sagen übernommen und will in die Schlacht ziehen, dabei lässt er das Kind schon wieder allein.
Das Kind in dir schweigt erstmal, es wird nicht gehört.
Bis zum nächsten Mal, wenn ein anderes Kind im Außen weint, dann wacht es auf und ruft verzweifelt: „Hört mich denn keiner????“
Willi, höre doch auf deine innere Stimme, die manchmal nur ganz, ganz leise spricht und meistens schweigt. Achtsamkeit und ein offenes Ohr haben, für das, was in dir spricht und „heilen“ möchte.
Probier es doch beim nächsten „Triggern“ einfach aus und schicke den „Krieger“ zurück. Es gibt keinen gerechten Krieg. Das Kind braucht „jetzt“ keinen Krieger.
Elvira
Ich bin der Meinung, das Kind braucht nichts weiter als Liebe und einen gescheiten Anwalt, um die Anerkennung seiner Schäden, die ihm zugefügt worden, durchzusetzen – leider gibt es solche Anwälte viel zu wenig.
Stattdessen versucht man immer wieder dem Opfer einzureden, dass es sich ändern müsse, dann wäre alles wieder gut…
»Es gibt nichts Gutes / außer: Man tut es.«
Norbert Denef
Hallo Norbert,
ich finde deinen Vergleich mit den „Juden“ passend. Du hast vollkommen recht. Für dieses Thema herrscht in unserer Gesellschaft keine „Blindheit“ mehr, die Folgen waren ja auch unmittelbar für die Augen sichtbar.
Aber beim sexuellen Missbrauch handelt es sich um seelische Verletzungen, seelische Tötungen, die sind auf dem ersten Blick für die Augen nicht sichtbar. Hier erkennt man die Folgen erst sehr, sehr viel später und dann auch noch verschlüsselt. Deshalb die sogenannte „Traumablindheit“ individuell und kollektiv.
„Ein Wort, das trifft, vermag zu töten oder zu demütigen, ohne dass man sich die Hände schmutzig macht.“
Unsichtbare Wunden! Unsichtbare Tötungen!
Elvira
Noch ein kleiner Nachtrag für Willi:
„Jetzt“ hörst und fühlst du dein „tief verletzes“ Kind noch. Es gibt „Menschen“, die sind schon so weit, dass sie tatsächlich nichts mehr hören und fühlen. Da ist die „innere Spaltung“ abgrundtief vorangeschritten. Diese Menschen sind „eiskalt“ geworden. Es sind noch Wenige. Die anderen sind in der Überzahl. Aber was ein einzelner Mensch anrichten kann, dafür ist „Deutschland“ ein „Paradebeispiel“.
Elvira
Und noch ein kleiner Nachtrag für alle:
Und was ein einzelner Mensch Gutes und Heilsames bewirken kann, dafür stehen u. a. Jesus Christus, Buddha, Mutter Theresa, Ghandi etc. etc.
Man sagt, dass ein einziger Schmetterlingsflügelschlag im Stande ist, einen Hurrikan auszulösen.
Elvira
Hallo Elvira,
„sexuellen Missbrauch“ gibt es nicht! Denn dieser Begriff impliziert ja – ich habe es schon mal geschrieben, und das stammt auch nicht von mir -, dass es auch einen „sexuellen Gebrauch“ (von Kindern) gäbe. Aber gibt es den?? Faktisch JA (das ist das, worüber wir uns hier regelmäßig austauschen), kulturell und rechtlich aber schließen wir (als Gesellschaft) „sexuellen Gebrauch“ von Kindern aus. Stichwort Inzestgebot, Strafgesetz, etc.
Also bitte: Wenn du es schon nicht lassen kannst, hier immer wieder deine „Therapieversuche“ einzustellen („Das Kind in dir braucht deine ganze liebevolle Aufmerksamkeit. Hörst du denn sein leises, leises Weinen “heute” nicht mehr? Es ist in dir. Es ist ein “Wesen” in dir ein tatsächlicher Teil von Dir. Es lebt.“…), dann sei bitte auch korrekt in deiner Ausdrucksweise.
Das was – Uninformierte – „sexuellen Missbrauch“ nennen, ist sexualisierte Gewalt. Und das, was Kinder wie wir erleben mussten, sind Traumatisierungen durch sexualisierte Gewalt.
Und ich gehe immer noch mit dir, dass EIN Faktor in der Bewältigung (die du gerne „Heilung“ nennst) die eigene innere Arbeit ist. Ein weiterer WESENTLICHER Faktor ist aber auch der gesellschaftliche Umgang (JA: WIR ALLE!!! Aber das heißt eben NICHT NUR die Betroffenen!!) und die gesellschaftliche WAHRNEHMUNG (mit) dieser (tagtäglich seit Jahrhunderten vorkommenden) Gewalt gegen Kinder.
Ich habe es schon einmal erwähnt: Es ist schön, wenn für dich der „Heilungsweg“ vor allem ein innerer ist. Wenn du damit (gut) leben kannst und magst: okay. Aber deine Ausführungen machen mir immer wieder deutlich, wie gefährlich dieser innere Weg als einziger ist. Denn er arbeitet – auch das sagte ich bereits – denen, die das überhaupt nicht interessiert, was da direkt vor ihrer Nase mit Kindern passiert, in die Hände. Es arbeitet den Tätern, die natürlich daran interessiert sind, dass nichts groß an die Öffentlichkeit dringt, damit sie keine Verantwortung für ihre Taten übernehmen müssen und/oder ihre Gewalthandlungen an Kindern weiter ungestört durchführen können, in die Hände.
Und es schwächt – und darüber ärgere ich mich bei deinen Beiträgen regelmäßig am meisten! – die Betroffenen. Sie sollen nicht „den Krieger“ rauslassen, empfiehlst du. Weiß du was? Ich bin HEILfroh, dass es den in mir gibt, und dass der endlich aufsteht und die Wahrheit ausspricht. Und dass er fordert, dass diejenigen, die mein Leben so schwer beschädigt haben PLUS diejenigen, die nur zugesehen haben PLUS diejenigen, die nichts dafür getan haben, dass meine Rechte als Kind gewahrt wurden, zur Verantwortung gezogen werden. Der Krieger in mir kämpft dafür, dass mir Gerechtigkeit widerfährt.
Uns Überlebenden wurde VIEL ZU OFT und VIEL ZU LANGE erzählt, dass unsere Aggressionen etwas „Schlechtes“ seien. Dabei sind sie ein VITALER TEIL unseres Selbst, und eher dann zerstörerisch, wenn wir sie gegen uns selbst richten.
Wir Überlebenden haben nicht begonnen mit den Aggressionen und der Gewalt. Aber wir müssen sie meiner Meinung nach auch nicht auf irgendeine „erleuchtete“ Art schlucken, bzw. bei uns lassen. Dieses ganze Gerede von „vergeben können“ und „loslassen können“ stellt sehr hohe Anforderungen (wieder mal) an die Betroffenen.
Manche/r hier liest deine Auslassungen und fühlt sich vielleicht (wieder mal) „schlecht“, weil er/si noch Wut und Aggression in sich spürt. Weil er/sie nicht „vergeben“ kann. Weil er/sie seinem inneren Kind noch nicht so beistehen kann, wie du es für allein seligmachend erklärst. Du beschämst (und schwächst) die Betroffenen, merkst du das eigentlich??
Auch das habe ich schon mal gesagt in deine Richtung: Uns Betroffenen wurde ZU LANGE von anderen gesagt, was „richtig“ ist und was nicht. Es reicht jetzt!
Und noch ein letztes Wort zu deiner beliebten Analogie „Wir sind alle Täter und Opfer“:
Ich befinde mich hier auf einer Seite, wo – ENDLICH – vor allem mal die Betroffenen (Opfer) zu Wort kommen können. Ich möchte hier nicht ständig damit konfrontiert werden, dass die Täter „auch nur Menschen sind“, „auch mal an einer Nabelschnur hingen“, uns Opfer und Taten „brauchen, um zu überleben“, „Bindung, Wäme und Anerkennung bei Kindern“ suchen, usw. usf.
Ich möchte nicht immer wieder den Fokus auf die Täter als „Opfer“ gerichtet haben!! Mein Fokus auf sie geht auf sie als TÄTER.
Selbstverständlich weiß ich, dass auch sie eine Geschichte haben. Und selbstverstädnlich weiß ich, dass auch ich als Überlebende bestimmte Einschränkungen weitergegeben habe. ABER: ICH habe diese Einschränkungen NICHT BEWUSST UND ABSICHTLICH und schon garnicht ZUM EIGENEN NUTZEN, bzw. ZUR EIGENEN TRIEBBEFRIEDIGUNG weitergegeben, sondern unbewusst, weil ich aufgrund schwerer Verletzungen aus meiner Kindheit sozial eingeschränkt bin.
Die Täter dagegen haben sich NICHT DIE MÜHE GEMACHT, sich ihre eigene – vielleicht traurige – Geschichte anzusehen, sondern haben es stattdessen vorgezogen, es IM BEWUSSTSEIN, DASS SIE VERBOTENES TUN (warum sollten sie sonst so auf das Verheimlichen drängen???) an uns UNSCHULDIGEN (ich bin mir SEHR SICHER, dass ich nicht schon zuvor „Täterin“ war!!!!!!!!!) Kindern auszulassen.
DESHALB möchte ich NICHT AUF EINE STUFE MIT DIESEN ASOZIALEN (im Sine von a – sozial!) Menschen gestellt werden!!!!!
Denn ich mache mich Zeit meines Lebens (notgedrungen) auf den Weg, mich mit meiner Geschichte auseinanderzusetzen – und handle damit so gut es mir eben möglich ist VERANTWORTUNGSVOLL gegenüber all den Menschen, mit denen ich in Kontakt bin.
Ich bin also keine „Täterin“ wie es der Täter war. Vielleicht war er Opfer wie ich. Aber das ist sein Problem, seine Lebensgeschichte. Er hatte kein Recht, diese auf mich abzuwälzen!!!
Ich weiß: Es könnte im Sinne des zukünftigen Opferschutzes wichtig sein, dass sich allgemein auch mit den Motiven und Hintergründen der Täter beschäftigt wird. ABER ZUNÄCHST MAL MÜSSEN SIE DAS SELBST WOLLEN UND TUN!!!! Und nicht der Gemeinschaft aufhalsen, man solle sich um sie kümmern („ich kann mir auch nicht erklären, wie es so kommen konnte“ lautet bekanntlich eine beliebte Täterausrede).
Ich weiß: Du bist der Meinung, „man“ (wer auch immer das ist, du hast es mir bisher noch nicht beantwortet) müsse den Tätern „die Gelegenheit geben, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen“. Nein, Elvira: sie müssen – ALS ERWACHSENE MITGLIEDER DIESER HUMANISTISCHEN GESELLSCHAFT, die sich selbst so gerne als das „vernünftigere“, „rationalere“, „stärkere“ Geschlecht bezeichnen – die entsprechende Verantwortung für ihr Leben, ihr Handeln VON SICH AUS übernehmen. Sie sind keine kleinen Kinder, denen man irgendwas „einräumen“ müsste!!!
Jetzt wirst du wieder argumentieren, dass sie das eben sind: „Unentwickelte“, die „Bindung, Wäme und Anerkennung bei Kindern“ suchen. Ich sehe das auch so – aber das ist doch kein Freischein für ihr Verhalten und Handeln??!!!
Aus deinen Beiträgen weiß ich, dass es in deiner Familie bekannte generationenübergreifende sexualisierte Gewalt gegeben hat. Vielleicht ist das der (verständliche) Grund, warum du dich schwerer tust, die „Opfer“-/“Täter“-Rollen klarer abzugrenzen?
JA: WIR MÜSSEN UNS MIT DEN TÄTERN BESCHÄFTIGEN! Aber nicht, indem wir sie weiter in ihrer verantwortungslosen und -verweigernden Art bestärken, sondern indem wir sie als ERWACHSENE, voll Verantwortliche für ihr Handeln ernst nehmen. Vielleicht ist es das, was sie am Nötigsten haben, weil ihnen das in ihrem Leben zu wenig wiederfahren ist???
Für mich jedenfalls sind deine Beiträge – sowohl, was den allein heilsverkündenden, autoritären Ton betrifft, als auch hinsichtlich der regelmäßigen Fokussierung der Täter in einem entschuldigenden, nachsichtigen Licht – sehr schwer zu ertragen und machen das Forum für mich langsam zu einem Ort, den ich lieber meiden möchte.
Ich bin ein Opfer der 2. Generation. Das nicht integrierte Trauma meiner Mutter habe ich schon im Mutterleib übernommen. Ich wurde schon vor meiner Geburt schwerst traumatisiert. Ich habe von Kindheit an unter schwersten Ängsten, Schuldgefühlen und Schamgefühlen und immer unter Depressionen gelitten, die Gefühle, die meine Mutter abgespalten hatte, musste ich übernehmen. Danach habe ich auch nicht gefragt, das habe ich mir auch nicht bewusst ausgesucht. Es war meine Erblast. Das wollen viele nicht sehen und nicht verstehen. Ist ja unsichtbar. Mit 40 Jahren habe ich mir endlich Hilfe geholt und dort erlebte ich selber einen Missbrauch. Das alles hat mich zutiefst verletzt, zutiefst verwirrt. Ich war kaum noch lebensfähig. Schon geschädigt geboren um dann nochmals geschädigt zu werden. Deshalb reicht es nicht nur die Täter an den Pranger zu stellen. Ich bin ein Opfer der 2. Generation. Ich weis was es heißt, wenn die Mutter ihr Trauma in der Abspaltung lässt. Wie verheerend sich das auswirkt. Darum meine Kommentare hier auf dieser Bühne.
Ich habe meinen „Täter“ angezeigt. Ich habe schon ein Gerichtsverfahren hinter mir. Ein weiteres Gerichtsverfahren steht noch aus. Ich tue alles damit der Täter die Verantwortung übernimmt. Ich werde mit meiner Vita noch in diesem Jahr an die Öffentlichkeit gehen und ich habe alles getan um mein „Trauma“ zu integrieren. Ich werde meinem Sohn diese Erblast nicht mitgeben. Sonst würde ich mich schuldig machen.
Das ist meine Meinung. Vielen passt das nicht.
Elvira
Hallo,
nun ist die Diskussion ja etwas vom Thema „Kinderschutz“ weggekommen und Richtung „Verantwortung“ gegangen.
Beides hat ja miteinander zu tun.
Mir ist es beim Lesen der letzten Beiträge so gegangen, dass ich dachte – „ja, was wird Betroffenen da eigentlich zugemutet?“. Ich kann das Ganze aber noch nicht recht fassen, muss noch mal in Ruhe darüber nachdenken und melde mich später noch mal zu Petras vorletztem Beitrag.
Ich habe erstmal nach einem passenden Vergleich gesucht. Manches wird durch Übertragung in andere Zusammenhänge ja klarer (Parabel).
In Deutschland greift ja in solchen Fällen ein Beispiel aus der Welt der Autofahrer am besten – da fiel mir eins ein.
Stellt euch doch mal vor, eine Gruppe von „Autofreunden“ verwickelt regelmäßig gezielt Fahranfänger in Unfälle und wenn die dann die Straftaten anmelden, dann heißt es „verjährt“, „tut uns leid, kann man nicht beweisen“ und – „Schadenersatz nicht möglich“.
Insgesamt wird von diesen Fahranfängern erwartet, dass sie die folgenden Jahre als Autofahrer vor allem damit verbringen, die Schäden am Fahrzeug selbst zu beheben, bzw. das auf ihre Arbeitgeber, Freunde oder Familien abzuwälzen und vor allem alles daran zu setzen, fortan diesen „Tätern“ aus dem Weg zu gehen und die Unfallfolgen zu „integrieren“ bzw. zu „verarbeiten“.
Nach dem Motto „Ein guter/richtiger/kompetenter/sauberer Fahrer wird nicht von Autofreunden angefahren. Er oder seine Freunde/Familie hätte ja besser aufpassen können“.
Und wer nach Jahren den Unfall nicht verarbeitet hat, ist nach dieser Logik unwillig oder inkompetent.
Mal angenommen, nur 15 Prozent der Fahranfänger würden regelmäßig Opfer der Autofreunde.
Anfangs würden die Autofreunde von der Öffentlichkeit noch als umtriebige Strolche und Außenseiter angesehen werden, im Laufe der Zeit würde sich aber herausstellen, dass sie in Wirklichkeit eine große, ganz heterogene Gruppe sind.
Ich nehme an, innerhalb von einem Jahr hätte man den „Autofreunden“ das Handwerk gelegt. Mit vereinten Kräften. Und die „Autofreundeopfer“ bekämen sicherlich jede Menge Unterstützung und viel Mitgefühl von der gesamten Bevölkerung.
Immerhin ginge es dann ja um der „Deutschen liebstes Kind“. Und nicht um echte, lebende Kinder.
Mir hat folgende Sichtweise immer geholfen, in diesem ethischen Dschungel meine Position zu suchen und zu finden:
„Bestimmte Verhaltensweisen benennen und für unerwünscht erklären, nicht bestimmte Menschen“.
Hier geht es nicht um Reaktionen, die Menschen nicht beeinflussen oder dauerhaft unterdrücken können. Dazu gehören nämlich eigentlich nur reflektorische (Atmen, Husten, Schutzreflex bei Schmerz, Darmentleerung …).
„Verhaltensweisen“ wie die, mit Kindern sexuelle Beziehungen aufzunehmen oder Kinder sexuell zu misshandeln sind so gut wie von jedem steuerbar. Sie stellen eine freie Entscheidung dar.
Es sein denn, man ist krank. Im Bereich sexuell abweichenden, übergriffigen Verhaltens ist jemand dann ein Fall für die Forensik.
Eine dritte Möglichkeit gibt es nicht.
Das ist an sich ganz einfach.
Wer etwas anderes behauptet, spielt eigentlich unreflektiert mit archaischen Mythen aus der Zeit, als Sexualität zu einer Waffe und zu einer Ware wurde.
Von wegen „eine Frau ist aus Dummheit triebhaft“ und ein Mann „nimmt sich, was er haben will und benutzt, was ihm gehört“. Er „braucht das“. Es „steht ihm zu“.
Er ist ja nicht umsonst „ein Ebenbild Gottes“.
Müssen die „Sexualopfer“ eben aufpassen.
Finde ich nicht.
Herzliche Grüße von
Angelika Oetken, Berlin