Zitat Luise Reddemann 2006:
Luise Reddemann – PITT (Psychodynamisch Imaginative Trauma Therapie)
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass Trauma-Opfer verdrängen müssen, um zu überleben. Angst, Scham und Schuldgefühle bestimmen das „wollen“. Und sie „fahr’n“ damit nicht gut, sondern verdammt schlecht!
Norbert Denef
Hallo,
natürlich ist Verdrängen und Vergessen auch eine Möglichkeit, mit traumatischen Erfahrungen umzugehen.
Abgesehen davon, dass so etwas oft jahrelang gelingt und dann irgendwann später große Probleme gibt, hat Verdrängen auch eine gesellschaftliche und politische Dimension. Jedenfalls was sexuelle Gewalt angeht. Je mehr Menschen ihre Erlebnisse bearbeiten und damit erstmal die Gesellschaft „belasten“, desto eher reagiert diese Gesellschaft, weil sie ihrerseits nicht mehr so leicht verdrängen kann.
Und sich den Realitäten stellen muss.
Persönlich erlebe ich das in meiner Arbeit mit Opfern sexueller Gewalt, die jetzt alt und psychiatrisch erkrankt sind. Bei einem großen Teil dieser Menschen – oft demenzkrank – offenbart sich erst im Alter, dass sie früher Opfer sexueller Übergriffe geworden sind. Sie haben lange äußerlich angepasst gelebt, aber ihre Angehörigen berichten, dass es oft so wirkte, als schleppten sie etwas mit sich herum. Manche sagen, die Mutter habe immer „funktioniert“.
Hätte man diese Menschen vor Jahren, als sie noch „gesund“ waren gefragt, wie es ihnen geht, hätten sie sicherlich „gut“ geantwortet – um nicht negativ aufzufallen. Und sie hätten niemals von sexuellen Übergriffen berichtet.
Im Westen waren sie angehalten, die „saubere“ deutsche Hausfrau und Mutter und den fleißigen, angepassten Mann zu spielen, im Osten wurden sexuelle Übergriffe ebenfalls tabuisiert. Der sozialistische Mensch war aus Prinzip glücklich und nicht übergriffig. Auch über sexualisierte Gewalt im Krieg und Nachkriegsdeutschland wurde im Osten wie im Westen nicht gesprochen – höchstens heimlich.
Das was Frau Reddemann entwickelt hat funktioniert- aber es ist keine alleinige Lösung. Und auch kein Allerheilmittel.
Die Psychiatrie und Psychotherapie ist leider derzeit ziemlich unpolitisch. Es gibt nur wenige Leute im medizinisch-therapeutischen Bereich, die bei der Entstehung und Behandlung psychischer Erkrankungen auch gesellschaftliche Aspekte betrachten.
Meist herrscht die Grundannahme vor, es handele sich um eine rein individuelle Entwicklung.
Das war mal anders. Es gab Leute wie Prof. Dörner, die Psychiatrie und Politik in viel engerem Kontext gesehen haben.
Angelika Oetken, Berlin
Finde ich zu dem Thema so alles ja ganz richtig.
Nur fehlt mir dabei etwas der Aspekt, dass es nicht immer etwas mit „Wollen“ oder „Müssen“ zu tun hat.
Im Verlauf ergibt sich so Manches ungesteuert, und die Ausrichtig kann sich dabei mit der Zeit auch ändern.
Es kann hinderlich und störend sein, sich dabei auf eine Ausrichtung festzulegen.
Es sollte dabei auch niemals Zwang oder Druck in irgendeiner Form ausgeübt werden.
Der Betroffene selbst braucht sehr viel Geduld und Zeit dazu, und vor allem auch die Gesellschaft.
Es stellt sich dabei sogar die Frage, was man von einem derart betroffenen Opfer überhaupt noch fordern kann.
Und die Forderungen und Erwartungen, welche dazu momentan noch an die Betroffenen gestellt werden, sind nicht selten kontraproduktiv.
Ich finde, dass die Formulierung „Opfer wollen verdrängen“ die dahinter stehende Problematik krass verharmlost. Denn das Verdrängen hat nichts mit wollen zu tun. Wenn man Opfer sexueller Gewalt wird, ist man fern ab von wollen oder können. Da geht es dann um das nackte Überleben. Und ich musste verdrängen bzw. mich aufspalten in mehrere Persönlichkeitsanteile. Sonst hätte ich und meine Eltern nicht überlebt, denn die Täter drohten mir, wenn ich über die „Dinge“ spreche, dass sie dann meine Eltern umbringen würden.
Als nach Jahren alles ein Ende hatte…. versuchte ich zu verdrängen in Form von psychischen Krankheiten, Destruktivitäten und Sucht. Aber je mehr ich alles wegdrücken und verdrängen wollte, umso geballter kam alles zu mir zurück. Das kann man sich vorstellen, wie mit einem Wasserball. Je tiefer man den Ball unter Wasser drückt, um so mehr schnellt er dann nach oben aus dem Wasser. Und einen Ball kann man auch nicht dauerhaft unter Wasser gedrückt halten. Irgendwann knallt es sicher. Und wenn es nicht sichtbar knallt, dann auf unscheinbareren Ebenen, wie z.B. in psychosomatischen Symptomen oder in Form von schweren Krankheiten, wie z.B. Krebs. Da gibt es wissenschaftlich erwiesen, enge Zusammenhänge zwischen der Psyche und körperlichen Krankheiten. In dem Fall hat die Psyche verdrängen wollen, aber der Körper nicht! Aber der betroffene Mensch wie auch deren Angehörigen wissen und fragen meist nicht nach der Ursache.
ich schließe mich der Sylvia an…
Ich selber mache derzeit eine Reha/Traumatherapie…bin Inzestopfer. Meine Kinder ebenso. Ich habe viel zu lange geschwiegen. Alles verdrängt mit dem Vorsatz „alles wird gut“… nix wurde gut… mein weg bis zur Erkenntnis war verdammt hart und lang. Ich bin hier am Anfang meines „Eisberges“, ein sehr, sehr krasser Weg… aber ich gehe KEINEN Schritt mehr zurück, denn ich merke die Veränderung mit mir, in mir. Kann dies nur jedem Überlebenden empfehlen… egal wie jung oder alt er ist, dies ist wenigstens ein kleiner Weg zu einer Linderung unseres Leides…
Ich grüsse hier jede/en einzelnen Betroffenen, Überlebenden oder einfach auch Menschen, die sich für uns so stark einsetzen…
Ein grosser Dank besonders an Sie, Herr Denef. Sie sind für mich ein Vorbild, ein Held.
Schöne Feiertage Euch allen.
Ihre Peggy Jansen
Hallo Peggy,
möchte mich dem Dank an Herrn Denef anschließen und seinen großen Mut anerkennen.
Er hat sich entschlossen unserer Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten, ist dafür große Risiken eingegangen und hat auch dafür bezahlt.
Besonders berührt hat mich auch die Aussage seiner Tochter, dass Kinder von Betroffenen mitbüßen müssen.
Das kann ich aus meiner eigenen Erfahrung nur bestätigen.
Ihnen und Ihren Kindern Peggy, wünsche ich weiterhin viel Kraft und dass Sie zusammen einen guten Weg gehen können.
Mir hat bei der Verarbeitung meiner Erfahrungen irgendwann die Vorstellung geholfen, wie sehr das Leben des Mannes, der mich missbraucht hat, eigentlich verpfuscht war und wie tief man als Mensch wohl gesunken ist, wenn man ein Kind missbraucht. Und wie mies man sich dann wahrscheinlich wohl fühlt…
Und wie gut es ist, dass ich die Entscheidung fällen konnte, im Gegensatz dazu ein wertvolles Leben führen zu wollen. Auch wenn es jeden Tag viel Kraft kostet.
Ich wünsche ebenfalls allen hier schöne Feiertage.
Angelika Oetken, Berlin
Liebe Angelika,
ich danke Ihnen sehr für Ihre mitfühlenden Zeilen.
Es ist nicht einfach mich hier zu öffnen, da unser Täter uns auch hier schon fand. Aber meine Kinder und ich stehen zu der Wahrheit…
Wir hatten nicht viel Glück mit der Justiz, denn unser Täter bekam im Zweifel für den Angeklagten in 2. Instanz Freispruch. Was für uns wie ein Schlag ins Gesicht ist, denn man fühlt sich als Lügner dargestellt. Wir kämpfen täglich um ein ÜBERLEBEN. Aber es wird von Tag zu Tag stärker. Ich kämpfe nun für jeden Betroffenen, auch in der Öffentlichkeit, da es nicht geschafft wird unsere Gesetze um zu ändern. Ich kann es nicht ertragen, dass Menschen in unserem Land weniger Wert sind, als z.B. Steuerhinterziehung. Ich bin eine Überlebende in mindestens sieben Fällen, aber ich stehe immerwieder auf, kämpfe eben für unsere Rechte, was auch Unbetroffene tun sollten, denn „erwischen“ kann es doch jeden. Ich freue mich, dass es viele gibt die hinter Norbert stehen, dass wir eben auch etwas bewirken können für ihn und uns selber. Denn Schweigen lernte man uns doch bei Zeiten, nun sollten und müssen wir unsere „Krallen“zeigen. In diesem Sinne, an jeden hier, Kopf hoch, vorwärts blicken und kämpfen. Frohes Fest Euch allen hier.
Lieben Gruß, Peggy und Kinder
Der Ausspruch der Frau Reddemann bestätigt mich in der – schon lang in mir bestehenden – Auffassung, dass die Dame nicht frei von Pädagogik ist und es ihr an Kompetenz und Opfer-Empaphie mangelt.
Ferner missfällt mir der Begriff „er / sie verdrägt“, das klingt so, als stünde ein Bewußt-sein ein „Wille“ dahinter. Das ist aber falsch. Verdrängung hat nichts mit „Willen“ oder „nicht Willen“ zu tun und kann nur bedingt vom Willen gesteurt werden (nach dem Motto, jetzt löse ich meine Verdrängung auf). Verdrängung ist ein zentrales Instrument und von der Natur aus geschaffener und gewollter Abwehr-Mechanismus – zum Schutze des Menchen. Er dient dem Überleben (nicht nur bei sexueller Gewalt!), er ist – nach meiner Auffassung – nicht bewusst zu steuern. Angst, Scham, Schuldgefühle und die sogenannte schwarze „Pädagogik“ (Erziehung) spielen beim Thema Verdrängung eine ebenso wichtige Rolle und bilden zusammen einen Komplex. Verdrängen „tut“ man also nicht so (als bewusster Wille), sie ist vorgegeben.
Und auflösen lässt sie sich nur sehr langsam, zum Teil hält sie Jahrzehnte an (und auch dass hat die „Natur“ vorgegeben). Bräche man die Verdrängung (mittels spezieller „Therapien“ und Drogen) rasch auf, hätte es, besonders bei schweren Traumata, unabsehbare Folgen (Retrauma) für den Betroffenen.
Ich denke, das Thema „Verdrängung“ ist ein wichtiges und es herrscht, meiner Meinung nach, zu viel Unwissenheit und es wären mehr korrekte Information notwendig.
@Willi Schewski
Hallo Willi,
ich stimme dir zu, auch ich habe nicht bewusst verdrängt sondern über 40 Jahre lang „einfach“ ein ganz normales Leben geführt. Mir war nicht mehr bewusst, was ich als Kind erlebt hatte. Erst als weitere, zum Teil schwere Belastungen in mein Leben traten, ging mir die Kraft aus. Und es hat dann noch Jahre gedauert, bis ich mir endlich Hilfe holen konnte.
Dennoch denke ich, dass dies nicht in jedem Fall so abläuft, dass es tatsächlich Menschen gibt, die ihren Leidensweg bewusst verdrängen, die ein Deckmäntelchen nach dem anderen über ihre Vergangenheit ausbreiten. Unser aller Problem ist so vielschichtig, es kann kein „genormtes“ Verhalten für das Leben danach geben. Jeder kämpft auf seine Art ums Überleben, bewusst oder unbewusst…
Ich habe übrigens ein kleines Buch geschrieben, und erst beim Schreiben wurde mir wieder klar, was mir da überhaupt passiert war, wie schlimm es war und dass ich letztlich, ganz unterm Strich, doch das bin, was meine Therapeutin mir öfter mal sagt: Eine starke Frau. Ja, das hört sich auch jetzt noch seltsam für mich an, fühl(t)e ich mich doch so schwach und hilflos…
Viele Grüße,
Elke
Elke, so wie es Dir erging, geht es leider vielen so.
Ich habe auch nie bewusst verdrängt, ehr BLACKOUTS gehabt. Als meinen Kindern aber das gleiche passierte, ich ebenso erneut Betroffene wurde, kamen Flashbachs die ich oft kaum deuten konnte. Ich lernte dazu, Puzzelteile ergänzten sich immer mehr… Es ist grausam, dass man vieles vergisst. Der Körper inkl. Gehirn sich aber jede Fussel merkt… Umso schlimmer ist dieser Boomerang dann. Ich sehe alle Erlebnisse, die Bilder heute vor mir, als sei es erst gestern geschehen. Auch ich agierte, lebte ein „normales“ Leben. Auch als alles wieder „da „war, lebte ich weiter. Ich bekam Krebs, Zum 2. Mal… letztes Jahr. Nun lebe ich MEIN Leben. Ich rede, ich lasse mich nicht mehr hindern daran. Meine Familie versteht nicht. Da es intern der Familie geschah. Aber sie werden es verstehen lernen müssen… Irgendwann. Ich habe selber Zeit dafür gebraucht. Brauch sie selbst heut noch dafür.
Hubert, Danke dass es Dich gibt. Ich schätze Dich sehr.
Liebe Peggy,
es tut mir sehr Leid, was dir passiert ist und wie dein Körper auf all das reagiert. Ich kann leider nicht reden, jedenfalls nicht öffentlich. Aber ich habe mir Hilfe geholt und ich merke, wie es langsam besser wird.
Ganz liebe Grüße,
Elke
Stimmt „Verdrängung/Abspaltung“ hat den Sinn das unerträgliche nicht zu fühlen. Es ist ein gesunder Mechanismus, der dem Überleben dient. Der letztlich dem Leben dient und diente und eine große Leistung. Mittlerweile ist die Wissenschaft und Evolution jedoch so weit, dass es möglich ist diese Abspaltungen zu integrieren. „Seelische Spaltung und innere Heilung“ von Prof. Dr. Franz Ruppert ist ein wunderbares Buch, das uns die Evolution zur Verfügung gestellt hat.
Einfach mal reinlesen. Keine Angst. Heilung ist möglich.
Auch wenn die Opferrolle in unserer Gesellschaft eine sehr beliebte Rolle ist.
Ich bin selber Opfer eine missbrauchenden Psychiaters. Meine Mutter, Tanten, Schwägerin mein Dorf wurde vor 50 Jahren Opfer eines missbrauchenden Priesters.
Und doch: Heilung ist möglich. Jetzt.
Das Buch: Neue Wege aus dem Trauma von Prof. Dr. Gottfried Fischer ist ebenfalls ein wichtiger Baustein um aus der Traumablindheit und Traumawiederholung auszusteigen. Niemand schafft das alleine. Aber es ist möglich und die Zeit ist jetzt reif dafür.
Hallo Norbert!
Hallo Alle!
Angenehme Feiertage!
Schön, doch was hilft mir eine Heilung, bin bisher gar nicht krank (das sagen ja alle), will es auch nicht werden, gehöre den „anderen Weltanschauungen“ nicht an, daher durfte ich gegen den Willen meiner Eltern, Umwelt, mit meiner Erlaubnis, Höhen und Tiefen haben.
Konnte nichts dagegen tun, dass ich einige Sachen zeitweise vergaß – es kann niemand alles erinnern, müsste dafür schon eine spezielle Krankheit haben. (Einige Autisten).
Ich will, dass Personen welche mit mir herumexperimentierten, genauso, zur Rechenschaft gezogen werden können, wie Personen, welche per Grundbuch-Fälschung, sich ein Stück Oberfläche der Erde unrechtmäßig aneigneten, das verjährt meines Wissens nicht oder so gut wie nicht.
Wenn es mir schlecht ging als Kind, bin ich in den Wald gegangen, habe mich irgendwo versteckt und an etwas anderes gedacht oder an die eventuelle Zukunft, in der es besser aussieht als hier – ich bin älter geworden.
Die Zukunft wird kleiner.
Dies macht wütend.
Ohnmacht ist, wenn man sich – die Telefonnummer seines Schutzengels – nicht erinnert.
Alles Gute!
Heil sein heisst ganz sein. Ohne Abspaltungen zu leben. Bewusst leben. Im Jetzt. So, dasss es nicht mehr nötig ist in Illussionen und Träume flüchten zu müssen. In den Wald zu flüchten. Nein, sich dem Leben stellen im Jetzt. Dazu gehören natürlich Höhen und auch Tiefen. Dazu gehören alle, alle Gefühle und dazu gehört es präsent zu sein. Mit offenen Augen und offenen Armen im Leben zustehen. Nicht in der Vergangenheit im Trauma und nicht in der Illusion. Leben findet immer nur Jetzt statt. Alles andere ist Wahnsinn.
Es ist absolut richtig, dass die Täter für ihre Taten, die Verantwortung voll übernehmen müssen. Das ist auch meine Intention. Dies geht nur, wenn die Opfer reden, sich zeigen und wahrhaftig auch an der eigenen Heilung interessiert sind. Opfern muss klar sein, dass sie durch die Tat, Täterintrojekte in sich tragen. Es ist wichtig dies zu wissen und daran zu arbeiten. Wer das bei sich nicht aktzeptieren kann, ist letzlich nicht sehr viel weiter als der Täter.
„Wer das bei sich nicht aktzeptieren kann, ist letzlich nicht sehr viel weiter als der Täter.“
Dieser Satz kann für manch eine(n) hier wie ein Schlag ins Gesicht sein! Er gefällt mir nicht.
Wie kann ich reden und mich zeigen, wenn ich dafür bestraft werde, weil alles längst verjährt ist und ich mich wegen angeblicher Verleumdung oder übler Nachrede selbst strafbar machen würde? Soll ich büßen, weil ich die Wahrheit sage? Oder soll ich schweigen, damit ich nicht bestraft werde?
Viele Grüße,
Elke
Hallo,
man benutzt diesen Begriff „Opferrolle“ so selbstverständlich und in so vielen Zusammenhängen.
Weil mich interessiert hat, woher der Begriff eigentlich kommt und wie er genau definiert ist, habe ich dazu mal was aus „wikipedia“ rauskopiert:
[zitat]
Viktimisierung
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Viktimisierung ist ein Fachbegriff, der in der Kriminologie, der Psychologie und den Sozialwissenschaften verwendet wird. Wörtlich bedeutet er „zum Opfer machen“ (lat. victima = Opfer, daraus engl. victim). Seit den 1990er Jahren wird eine Debatte in den Medien, insbesondere über die politischen und sozialen Implikationen des Begriffs geführt.
Seine Verwendung in den Sozialwissenschaften ist nicht eindeutig. Zumeist steht das Wort in Verbindung mit struktureller Benachteiligung. Hier bezeichnet Viktimisierung den Vorgang der Zuschreibung einer Opferrolle an einzelne Mitglieder oder Gruppen der Gesellschaft zumeist durch Mitglieder dominanter gesellschaftlicher Gruppen, Institutionen oder Ideologien. Der Prozess der Viktimisierung macht Menschen durch Gewalterfahrungen wie Diskriminierung, Missbrauch, Rassismus oder Krieg zum Opfer. Hierbei spielt der Effekt der erlernten Hilflosigkeit eine Rolle. Durch Etikettierung von außen oder durch die Übernahme ins Selbstbild kann aus einer Viktimisierungserfahrung eine Opferrolle, Opferstatus oder ein Opfermythos werden. Teilweise wird der Terminus auch pejorativ verwendet im Sinne der Zuschreibung an bestimmte Forscher (z. B. Pierre Bourdieu), sie würden jedes Phänomen in das Raster Opfer-Täter einordnen und einseitig Stellung zugunsten der Opfer beziehen.
[/zitat]
Jetzt weiß ich zwar immer noch nicht, wer diesen Begriff eigentlich zuerst kreiert hat und was ursprünglich damit gemeint war, werde mich aber hier melden, sobald ich was dazu gefunden habe.
Ich frage mich schon seit Längerem und habe mich beim Lesen der Kommentare oben wieder gefragt, was ich eigentlich von „Heilung“ hätte, bzw. ob ich die eigentlich möchte.
Derzeit tendiere ich dazu, dass mir Gerechtigkeit und Anerkenntnis von Unrecht wichtiger ist als meine persönliche Heilung, bzw. dass ich mich bedeutend besser und stärker fühle, seit ich mich intensiv mit den Zusammenhängen von sexuellem Missbrauch ganz allgemein beschäftige und erkannt habe, dass er ganz viele Menschen betrifft und sich mehr Menschen, als ich gedacht hätte, reflektiert mit diesem Thema auseinandersetzen.
Ich glaube, dass man die Folgen sexuellen Missbrauchs genauso wenig heilen kann wie einen Zelluntergang bei Schlaganfall oder Brandnarben.
Man kann die Symptome abmildern und lernen, mit den Folgen zu leben. Man kann trotzdem seinen Platz im Leben finden.
So werden und empfinden wie man geworden wäre oder empfunden hätte ohne diese Traumatisierung ist meiner Überzeugung nach nicht möglich. Vielleicht ist es auch nicht wünschenswert.
„Nicht-Betroffene“ erscheinen mir mehr und mehr „naiv“ bis hin zu „ignorant“, was das Thema „Übergriffigkeit“ angeht. Veröffentlichungen, Vorträge, Sendungen in Radio und TV sehe ich viel kritischer als früher.
Immer häufiger bin ich einfach nur entsetzt. Gerade über die leichtfertigen, oberflächlichen und manchmal auch abwertenden und verharmlosenden Äußerungen von so genannten „Experten“. Menschen, die es eigentlich besser wissen sollten.
In meinen Augen handeln sie durchaus verantwortungslos und ihr Verhalten sagt viel über ihre unzureichende Integrität und ihr mangelndes Rückgrat aus. Oder über ihre eigentliche Ambivalenz zu diesem Thema.
Würde mich nicht wundern, wenn demnächst auch mal ein „Therapeutenguru“ als Missbraucher öffentlich entlarvt wird…
„Übergriffigkeit“ bei Therapeuten, Pflegern und Ärzten ist kein Geheimnis. Wird aber gern totgeschwiegen.
„Heilung“ von den Folgen sexuellen Missbrauchs versprechen ganz viele unterschiedliche Therapiemethoden. Häufig wird propagiert und zugleich von den Betroffenen gefordert, ihre angebliche „Opferrolle“ aufzugeben. Dabei wird unterstellt, Betroffene nähmen diese Rolle automatisch ein und hätten von ihr einen gewissen Gewinn (Schutz, Fürsorge, Leiden dürfen, Recht haben…).
In der Tat gibt es den „sekundären Krankheitsgewinn“ bei Menschen. Sicherlich auch bei von sexuellem Missbrauch betroffenen.
Uns Betroffenen aber per se eine „Opferrolle“ zuzuschreiben ist überzogen. Dazu sind wir eine zu heterogene Gruppe.
Bei einigen „Opfertherapeuten“ beschleicht mich der Verdacht, dass sie mit dieser Annahme eigentlich nur sich selbst entlasten möchten, z.B. beim „Erfinder“ des „Familienstellens“ Bert Hellinger.
Er und seine Anhänger bewerben ganz gezielt von sexuellem Missbrauch Betroffene und nehmen dazu eine in Therapeutenkreisen sehr umstrittene Rolle ein.
Lest mal was zur Vita von Bert Hellinger – ihr werdet es nicht glauben: Er war Priester eines Missionarsordens in Südafrika, bevor er sich erst der Psychotherapie und dann, als die Psychotherapeuten ihm seine Seriosität absprachen der Esoterik zuwandte.
Passt doch wie „die Faust aufs Auge“ oder? Oder wie man bei uns in Berlin so treffend sagt „Nachtigall, ick hör dir trapsen…“.
Mir ist der Mann unheimlich und es würde mich sehr interessieren, was Leute, die ihn während seiner Priesterzeit kennen gelernt haben wohl über ihn sagen…
Kritische Internetseiten und Bücher zu ihm sind jedenfalls sehr erhellend und erschreckend zugleich.
Dass ich mittlerweile ganz ehrlich und im positiven Sinne „nüchtern“ mit dem Thema „sexueller Missbrauch“ umgehen kann, dazu hat diese Seite ganz entscheidend beigetragen.
Vielen Dank an Norbert Denef für seinen Mut, sein Engagement und die viele Zeit und Arbeit, die er in dieses Projekt investiert hat und damit uns allen zur Verfügung stellt und an alle, die hier mitarbeiten und -schreiben auch ein herzliches Dankeschön.
Grüße von
Angelika Oetken, Berlin
Meine Mutter wurde vor ca. 50 Jahren über 7 Jahre lang von einem Priester missbraucht. Ich steckte ca. 5 Jahre in einer Missbrauchsbeziehung mit einem Psychiater. Ich litt unter schweren Depressionen, habe Fehldiagnosen „Manisch-Depressiv“ und war eine zeitlang vom Alkohol abhängig. Ich habe schwere und grausame Zeiten hinter mir. Der Priester missbrauchte nicht nur meine Mutter er missbrauchte 2 meiner Tanten und meine Schwägerin und etliche Mädchen und Jungen in unserm Dorf in dem ich aufgewachsen bin. Man kann sagen ich wuchs unter schwer Traumatisierten auf. Im Sommer 2008 begann ich eine Therapie bei Frau. Dr. Becker-Fischer, Fachfrau für Missbrauch in der Therapie. Vor 14 Tagen hatte ich meine letzte Therpiestunde. Ich befinde mich im Aufbau einer Internetseite: Traumatisierung durch Hilfeleistende und ich werde mit diesem Thema an die Öffentlichkeit gehen. Ein Gerichtsverfahren gegen den Psychiater habe ich schon hinter mir. Ein weiteres steht noch aus. Ich hoffe, diese Internetseite wird im Januar 2010 fertiggestellt sein. Ich glaube es herrscht ein großes Wissendefizit darüber, was es bedeutet ein Trauma zu haben. Ja, ich sage es nochmal, es ist möglich ein solches Trauma zu heilen. Es ist nicht einfach, aber es ist möglich. Ich lebe jeden Tag im Jetzt. Evtl. können Sie mit dem Buch von Eckerhard Tolle etwas anfangen: Jetzt. Meditation gehört ebenfalls dazu.
Jedes Opfer übernimmt auch Täterintrojekte, Denk- und Verhaltensweisen des Täters. Das muss einem klar sein. Das ist wichtig. Traumata werde über das Bindungssystem sowohl auf Opfer- als auch auf Täterseite weitergegeben. Das muss einem klar sein. Das ist mittlerweile wissenschaftlicher Fakt. Als Opfer haben wir die Pflicht alles zu tun, damit die Traumawiederholung von Generation zu Generation endlich beendet werden kann. Man muss den Tätern die Gelegenheit geben, die Verantwortung für ihr Tun voll zu übernehmen. Dabei bin ganz Ihrer Meinung, Täterschutz ist das falscheste überhaupt. Aber auch wir als Opfer haben Verantwortung für unsere eigenen Abspaltungen. Wer glaubt Opfer wären isolierte Wesen, der macht einen fatalen Irrtum. Wir sind alle miteinander verbunden. Niemand existiert wirklich getrennt von dem anderen. Was der einzelne denkt und tut hat eine große Wirkung. Ja, wir wurden zum Opfer. Aber das war kein Zufall. Die Muster dazu haben wir aus unseren Familien mitbekommen. Und genau hier, ist es an der Zeit, diese Muster zu durchbrechen. Es ist möglich und wir sind es unseren Kindern schuldig.
Ich finde die Aussage: Ich will gar keine Heilung. Ich will krank bleiben sehr entmutigend und traurig. Es schmerzt. Heilung ist möglich. Ganzheit ist möglich.
Ich lebe ohne Medikamente und ohne Alkohol etc. etc. Mein Mann und ich leben getrennt aber in Freundschaft miteinander. Mein Sohn ist mit mir gewachsen, seelisch. Ich habe eine nie gekannte Ruhe und Stille in mir. Ich möchte niemanden beleidigen. Ich möchte Augen öffnen. Ich möchte neue Wege aufzeigen. Raus aus dem Teufelskreis. Es ist wirklich möglich. Dazu bedarf es nur ein wenig Offenheit.
Herzliche Grüße
Elvira
„Jedes Opfer übernimmt auch Täterintrojekte, Denk- und Verhaltensweisen des Täters. Das muss einem klar sein.“
Sagte Freud! Sorry, Elvira, aber es kommt mir so vor, als würdest du Dein Denken allen anderen aufzwingen wollen. Jede(r) macht seine eigenen Erfahrungen, jeder benötigt eine andere, spezifisch zugeschnittene Form der Hilfe, es gibt nicht DIE Therapie oder DEN Heilungsweg. Willst du mir allen Ernstes sagen, dass ich als Fünfjährige und als Neunjährige Introjekte der Täter übernommen habe? Oder dass ich meinen Töchtern so einen Schund mit auf den Weg gegeben habe? Ich muss Dich enttäuschen, dem ist nicht so, ganz sicher nicht, auch wenn meine Therapie schon fast vier Jahre andauert und ich einen anderen Weg gewählt habe als Du.
Frohe Weihnachten,
Elke
Hallo Elvira,
ich muss leider noch eine deiner Aussagen zitieren:
„Man muss den Tätern die Gelegenheit geben, die Verantwortung für ihr Tun voll zu übernehmen.“
Tut mir leid, darauf kann ich nur noch sarkastisch reagieren:
Wer ist „Man“? und
Ja, warum sind wir da nicht schon früher drauf gekommen???: Lasst uns alle doch den Tätern endlich mal „Gelegenheit geben“!!!!!!!
Hallo Elvira,
was Sie über Ihren Weg schreiben klingt nach viel Leid und Unrecht. Aber Sie haben sich um Hilfe bemüht und auch welche gefunden.
Dass Sie so viele Schwierigkeiten überwunden haben, zeigt, wieviel Kraft Sie haben und wie positiv Sie trotz all dem schlechten, dass Sie erlebt haben denken und handeln.
Das finde ich höchst anerkennenswert.
Die von Ihnen geschilderte These, dass Missbrauch ein familiär über Generationen weitergegebenes Trauma ist und zu familiär typischen Verhaltensweisen führt, ist weit verbreitet und derzeit sehr populär. Auch ich war lange davon überzeugt, aber mittlerweile kommen mir immer mehr Zweifel.
Ich tausche mich beruflich sehr viel mit Menschen aus, die wie ich therapeutisch, psychosozial oder medizinisch arbeiten.
Und in den lezten Jahren habe ich sehr viel Fachliteratur zum Thema „Traumen“, „chronische Krankheiten“ und „Familientherapie“ gelesen.
Es ist spannend, berührt mich natürlich auch persönlich und schon zu einer Art „Hobby“ geworden.
Wissenschaftliche Studien gibt es viele, aber man sollte sie sehr genau lesen und auch interpretieren.
Wenn man in bestimmten Familien ein Häufung von sexuellen Übergriffen feststellt, dann kann das auch damit zusammenhängen, dass in diesen Familien darüber gesprochen wurde, es also überhaupt Gelegenheit gab, dieses Thema an die Öffentlichkeit oder in das eigene Bewusstsein zu bringen.
Je nach Untersuchung und Art der wissenschaftlichen Fragestellung gibt es Prozentgrade von bis zu 30, was sexuelle Übergriffe angeht.
Ich mag „Missbrauch“ deshalb gar nicht mehr als individuelles Einzelschicksal ansehen, sondern betrachte ihn mittlerweile als „normal“ im Sinne von üblich, nicht von erwünscht.
Das mit der „Heilung“ war so gemeint, dass ich natürlich nur begrenzt Kraft und Zeit habe, die ich in persönliche Angelegenheiten stecken kann.
Und ich habe mich aus der oben geschilderten Erkenntnis heraus entschieden, meine persönlichen Ressourcen und beruflichen Kontakte dafür zu verwenden, dass „sexuelle Übergriffigkeit“ als das angesehen wird, was es ist:
in unserer Kultur üblich, verankert und weit verbreitet.
Und ich hoffe, dass ich es nochmal erleben darf, dass sexuell übergriffiges Verhalten öffentlich und ganz selbstverständlich geächtet wird. Als Unfähigkeit des Täters auf gesellschaftlich akzeptierte Art sexuelle Kontakte aufzunehmen.
Und nicht die Betroffenen als exotische „Opfer“ hingestellt werden, als kleine Gruppe von „Pechvögeln“.
Und übergriffige Personen insgeheim als „stark“ und sexuell nur ein wenig zu „aktiv“ und „grenzüberschreitend“ angesehen werden.
Ihr eigener Fall mit dem Missbrauch durch Ihren Psychiater zeigt, dass die Täter sich ihrer Sache so sicher sind, dass sie kaum noch ein Unrechtsbewusstsein entwickeln. Und das letzte bisschen was noch da ist, wird schnell verdrängt.
Im übrigen sind Psychiater nichts weiter als speziell ausgebildete Ärzte. Ihre Aufgabe ist es, Krankheiten zu diagnostizieren und Therapien zu verordnen (meist Medikamente).
Es gibt Psychiater, die von Therapie und therapeutischem Verhalten weniger Ahnung haben als der Bevölkerungsdurchschnitt.
Ich erlebe in meiner Arbeit immer wieder, dass Opfern auch von „Experten“ insgeheim eine „Mitschuld“ angedichtet wird („projiziert“ im Fachjargon).
Die Betroffenen werden dann ganz schnell verpflichtet, ganz selbstverständlich und höchst individuell an ihrer eigenen „Geschichte“ zu arbeiten, an angeblichen „Widerständen“ und „eigenen Anteilen“.
Kollektive Anteile – also der politisch-gesellschaftliche Aspekt von sexuellem Missbrauch – wird gern ausgeblendet. Kollektiv zu denken und zu argumentieren ist derzeit in Therapeutenkreisen nicht „en vogue“. Alles wird auf individuelles Schicksal und Erleben zurückgeführt.
Aber kollektive Reflektion ist auch ein Weg für Betroffene, sich von der eigenen
Biografie nicht zu sehr einschränken zu lassen.
Leute, die so etwas erlebt, durchlebt und durchdacht haben, empfinde ich oft als viel mutiger und reflektierter als „Nicht-Betroffene“.
In der Hirnforschung gibt es einen Spruch:
„Optimistenhirne verpassen sich regelmäßig eine Dosis Glückshormone, um die Realität auszublenden, Pessimisten sind die wahren Realisten“.
Nicht ganz ernst gemeint, aber ich finde, da ist was Wahres dran.
Ich möchte den realitätsverdrängenden „Optimistenhirnen“ gern eine gute Portion „Wahrheit“ verpassen helfen.
Denn die oben von mir erhoffte öffentliche Ächtung setzt kollektives Bewusstsein voraus.
Im Moment gibt es noch die „böser Mann“ und „dumme Frau/Kind“-Mythen als öffentliche Annahmen.
Allein Herrn Denefs Erlebnisse mit seiner nächsten Umgebung, seinen Familienangehörigen, ehemaligen Nachbarn usw. zeigt, wie stark das Bedürfnis nach Leugnung der Realität noch ist.
Auch – und gerade – bei Therapeuten.
Ich habe mir vorgenommen, im Jahre 2011 auf dem Jahreskongress meines Berufsverbandes zu diesem Thema etwas vorzustellen.
Immerhin besuchen diese Veranstaltung etwa 1500 Fachleute aus dem deutschsprachigen Europa.
Ich bereite mich derzeit darauf vor, indem ich mit KollegInnen meine Thesen und Erkenntnisse diskutiere und ihre Reaktionen, Gedanken und Gefühle ganz genau hinterfrage.
Mir ist schon etwas mulmig und ich weiß noch nicht so recht, wie ich das angehe, aber ich freue mich auch darauf, ein wenig für alle Betroffenen, die sich nicht so gut öffentlich äußern können, tun zu können.
Allen schöne Feiertage wünscht
Angelika Oetken, Berlin
Hallo Angelika,
danke für Ihre Zeilen. Missbrauch ist ein kollektives Problem! Wisenschaftliche Zahlen liefere ich gerne nach. Ich werde zu der Thematik eine eigene Internetseite gestalten. Ich erhalte hier Unterstützung vom Institut für Psychotraumatologie in Much, Frau Dr. Becker-Fischer. Ich werde gemeinam mit Frau Dr. Becker-Fischer im kommenden Jahr mit dieser Thematik an die Öffentlichkeit gehen.
Ich selber habe mich mit dem Thema: „Sexuelle Übergriffe in Psychotherapie und Psychiatrie“ (Professionelle Helfer im Sozial- und Gesundheitswesen, Psychotherapeuten, Ärzte, Seelsorger, Sozialpädgogen) eingehend und intensiv auseinandergesetzt.
Frau Dr. Becker-Fischer ist Wissenschaftlerin und Fachfrau für dieses Gebiet. Sie hat durch ihre umfangreichen Forschungsarbeiten erreicht, dass 1998 ein Straftatbestand geschafffen wurde, der für solche Übergriffe eine Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren vorsieht.
Die Ursache für solche Übergriffe angefangen vom emotionalen, narzisstischen Missbrauch bis hin zum sexuellen Missbrauch liegt hauptsächlich in der jeweiligen nicht aufgearbeiteten Spaltung/Traumatisierung des professionellen Helfers.
Ich zitiere: „unaufgearbeite eigene Traumata verleiten Folgetherapeuten entweder zu distanzierenden Abwehrstrategien oder zur Überidentifikation mit den Betroffenen. Eine dritte Möglichkeit ist die „Wiederholung von sexuellem Missbrauch“ mit den eigenen Patientinnen/Patienten oder Ausbildungskandidaten/kandidatinnen….“ S.122 (aus Sexuelle Übergriffe in Psychotherapie und Psychiatrie, Becker-Fischer, Fischer)
Liebe Angelika ist Ihnen bewusst, dass aus Ihnen 2 Stimmen sprechen:
die eine sagt folgendes – Zitat: „Ich frage mich schon seit Längerem,….was ich eigentlich von „Heilung“ hätte, bzw. ob ich die eigentlich möchte.
die zweite Stimme sagt: „, die wie ich beruflich therapeutisch, psychosozial oder medizinisch arbeiten.“
Wie passt das zusammen????
Wir sollten alle in den Spiegel sehen. Wir tragen Verantwortung im Guten wie im Schlechten.
Das Lehrbuch für Psychotraumatologie von Prof. Dr. Gottfried Fischer und Prof. Peter Riedesser haben Sie jedenfalls nicht gelesen und mit den verheerenden Auswirkungen von veranwortungslosen Helfern haben Sie sich bisher auch noch nicht auseinandergesetzt. Dies sehe ich an ihren Aussagen.
Hier könnte zum Beispiel eine ganz eigene private Bewusstseinserweitung stattfinden.
Traumata können geheilt werden. Jeder hat da seinen eigenen indivuellen Weg zu gehen. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse sollten nicht ignoriert werden. Niemand schafft den Weg allein. In Deutschand gibt es zur Zeit nur sehr wenige, sehr wenige wirklich qualifizierte Therapeuten.
Hier gilt der Satz von Milarepa: „Wer die Arbeit an sich selbst nicht vollendet hat, wird schwerlich anderen helfen können.“
Kommen hier starke Emotionen bei Ihnen auf?
Dann fragen Sie sich mal warum.
Herzliche Grüße
Elvira
Ich möchte hiermit noch einen Nachtrag liefern. Ich habe mit 40 Jahren noch ein Psychologiestudium angefangen. Aufgrund der schwerwiegenden Folgen durch die Traumatisierung durch den Psychiater und Psychotherapeuten musste ich dieses Studium wieder abbrechen. Zwischenzeitlich habe ich ein Fernstudium zum Heilpraktiker Psychotherapie absolviert. Durch die Aufarbeitung meiner eigenen Traumatisierung und der jahrelangen intensiven Beschäftigung dem Thema „Traumatisierung durch Hilfeleistende“ habe ich erkannt, dass es wohl sehr verantwortungslos wäre in diesem Bereich als Helfer tätig zu werden. So machte ich mich Ende 2007 mit einem kleinen Kaffee-Mobil selbständig. Heute bin ich soweit anderen Hilfestellung zu geben. „Neue Wege aus dem Trauma“ zu finden und dafür werde ich mich zukünftig ehrenamtlich engagieren. Gleichzeitig habe ich erkannt wie viel veraltertes Wissen heute noch gelehrt wird. „Traumablindheit“
Das Lehrbuch der Psychotraumatologie von Prof. Dr. Gottfried Fischer und Prof. Peter Riedesser hat mir da geholfen die Augen aufzumachen. Mich aus der Traumablindheit hinausszuführen. Prof. Dr. Franz Ruppert hat dieses Buch jedenfalls auch gelesen. Für mich war die Methode des Familienstellens, ein wunderbares indivuelles Werkzeug auf dem Weg zu mehr Ganzheit und Authentitzität und ein anderes Werkzeug ist und bleibt für mich die tägliche Meditation. Bewusstwerdung ist ein lebenslanger Prozess und er hört nie auf. Dies gilt ausnahmslos für jeden Menschen.
Also wie gesagt, liebe Elvira, ich finde deinen Ton ziemlich bedenklich!!! Und ich kann darin durchaus auch wieder etwas gewalttätig-missbräuchliches (Zuschreibungen, Behauptungen über Personen, die du nicht kennst) erkennen.
Du hast dich – wie viele hier – intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Prima! Du hast – wie viele hier – erkannt, dass es noch viel zu wenig Wissen in der Öffentlichkeit über die wahren Dimensionen von Traumatisierungen durch sexualisierte Gewalt gibt. Du hast – wie viele hier – festgestellt, dass es noch viel zu wenige TherapeutInnen gibt, die wissen, was Traumatisierungen durch sexualisierte Gewalt ist, bewirkt und wie es wirksam zu therapieren wäre. Du hast – wie viele hier – erkannt, dass die TherapeutInnen selbst häufig unaufgearbeitete Traumageschichten haben und ihr Handeln uns gegenüber daher äußerst gefährlich ist. Du hast – wie viele hier – viel gelesen. Du hast – wie viele hier – eine ziemliche Wut im Bauch über die vielen verlorenen Jahre. Du hast – wie viele hier – den Wunsch, endlich etwas an dem öffentlichen Schweigen zu verändern und dich nicht mehr zu verstecken.
Du hast – wie viele hier – mit vielem, was du schreibst recht.
ABER WIESO GLAUBST DU, DASS DU DIE EINZIGE BIST, DIE BESCHEID WEISS??????
Wieso glaubst du, das Recht zu haben, andere zu belehren, ihnen etwas zu unterstellen, Behauptungen über sie und ihren Weg aufstellen zu dürfen??
Du schreibst: „Kommen hier starke Emotionen bei Ihnen auf? Dann fragen Sie sich mal warum.“ Das ist extrem übergriffig und ich behaupte jetzt mal, wenn SO ein Therapeut mit dir reden würde, wärest du (zu Recht) mehr als empört!
Du schreibst: „Das Lehrbuch für Psychotraumatologie von Prof. Dr. Gottfried Fischer und Prof. Peter Riedesser haben Sie jedenfalls nicht gelesen und mit den verheerenden Auswirkungen von veranwortungslosen Helfern haben Sie sich bisher auch noch nicht auseinandergesetzt.“ Woher willst du das wissen?? Du behauptest, du „sähest das in den Aussagen“. Das ist ein starkes Stück schlechtester Kommunikation, kann ich da nur sagen! Projektion lässt grüßen!! Und nochmal: wenn SO ein Therapeut reden würde, dürfte frau zu Recht an seiner Qualifikation zweifeln!
Ich habe Fischer übrigens gelesen. Na und?? Bin ich jetzt geheilt??? NEIN!! Denn all das Wissen ist ja nur ein hilfreiches Mittel auf dem Weg zur Befreiung. Es hilft, sich nicht mehr „verrückt“ zu fühlen, sich nicht mehr zu schämen dafür, dass man auf schreckliche Erlebnisse eigentlich gesund reagiert, es hilft zu erkennen, dass die Traumatisierung die Ursache für viele, viele leidvollen Beschwerden, Erfahrungen bis hin zu Erkrankungen ist.
Aber es heilt nicht. Ebensowenig wie Bücher/Schriften von Herman, Miller, Bass/Davis, Stoffels, Kraemer, Hüther, Dümpelmann, Rauchfuss, Reddemann, Rush, Rijnaarts, Kavemann/Lohstöter, Jatzko, Maercker, Igney, Matsakis etc., etc.
Was (vielleicht) heilt, da hast du Recht, ist die persönliche Auseinandersetzung mit der Traumatisierung, ihrer Geschichte, ihren (gesellschaftlichen) Bedingungen und Hintergründen, ihren Folgen für das eigene Leben und derer, die in dieses Leben involviert sind, ist das Zulassen der Einsicht der schrecklichen Folgen (wie beispielsweise Krebs oder Demenz), ist das Spüren des Schmerzes, der Wut, der Trauer um so viel Verlorenes, ist das Klagen und auch Anklagen, ist das Benennen der Schuldigen und ihrer Helfer, ist das Fordern von Bestrafung und Rehabilitation, ist das Brechen des Schweigegebots, ist das Einstehen für das Kind, das so schwer verletzt wurde, ist das Wachsambleiben gegenüber „Helfern“ und „Heilern“, die statt uns zu helfen ihre eigenen Probleme an uns abarbeiten – ja, all das (und noch mehr) kann (vielleicht) heilen.
Im besten Sinne also eine SELBSTEMANZIPATION (die durchaus die wohlwollende und vor allem NICHT-DIREKTIVE Unterstützung anderer annehmen darf). Aber die wird eben GERADE NICHT durch solche Appelle, Forderungen und diffamierenden Behauptungen, wie du sie hier schon mehrfach eingestellt hast, erreicht. Im Gegenteil!
Wie gesagt, es ist nicht so, dass ich inhaltlich etwas an dem auszusetzen hätte, was du schreibst (jedenfalls an dem meisten nicht)! Was ich äußerst bedenklich finde, ist der missionarisch-autoritäre Ton. Wir alle haben schon mehr als genug Erfahrung mit Autorität, Vorschriften und Geboten, mit Leuten, die glauben zu wissen, was „gut“ für uns ist. Das reicht!
Jede und jeder von uns hat sich AUF IHRE/SEINE ART, IN IHREM/SEINEM TEMPO, MIT IHREN/SEINEN MÖGLICHKEITEN auf den Weg gemacht. Und das verdient ALLEN RESPEKT der Welt und keine anmassenden Verleumdungen!
Noch einmal: Vielleicht solltest auch du nochmal darüber nachdenken, warum dieses „Bekehren“ und Deuten anderer so wichtig für dich ist.
»Es gibt nichts Gutes / außer: Man tut es.«
Ich habe das Institut für Psychotraumatologie in Much angeschrieben und darum gebeten, die Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof gegen die Ablehnung der Petition ‘Verjährungsfrist für sexuellen Missbrauch im Zivilrecht aufheben’ durch den Deutschen Bundestag öffentlich zu unterstützen.
Schauen wir mal, ob diese Psychoexperten UNS wirklich helfen…
Hoffnungsvolle Grüße
Norbert Denef
Hallo Norbert,
SEHR gute Idee!!!
Und: DANKE, dass du uns dieses Forum zum Austausch zur Verfügung stellst! Es ist EINE Möglichkeit, das Schweigen zu brechen.
Schöne Grüße und schöne, geruhsame und friedliche Weihnachten wünscht
Petra
Erst mal wünsche ich Norbert und allen Autoren ( und stillen Mitlesern ) ein FROHES WEIHNACHTSFEST !
Ich will nur ein paar kurze Worte zum vorangegangen Dialog verlieren. Man muss sich in der Wissenschaft auf bestimmte Begriffe und Definitionen einigen, weil man ansonsten ständig aneinandervorbeiredet. Wenn die Definitionen hier nicht mehr deckungsgleich sind, kann man u.U. eine ganze Studie zum Thema vergessen.
Mir gefällt die inflationäre Verwendung der Begriffe „Opfer“ und „Täter“ auch nicht, weil sie extrem verkürzt sind, der Komplexität eigentlich nicht gerecht werden. Es ist nur so, dass sich der Bereich der Erforschung und Behandlung sexueller Übergriffe ( in den USA ) aus der Kriminalistik heraus entwickelt hat, etwa ab den 50er Jahren, nicht aus der Psychologie. Deshalb findet man auch in psychologischer Literatur viele dieser Begriffe wieder. Einige Standardwerke werden auch schon seit den 50er und 60er Jahren durch den akademischen Apparat mitgeschleppt, obwohl sie mittlerweile hoffnunslos veraltet sind. Dies ist eher die Macht der Gewohnheit als böse Absicht.
Die Psychotraumatologie hat sicher das Problem, dass sie in vielen Ländern lange als Außenseiterdisziplin galt.
Abgesehen davon kann die eine Methode für jemanden schädlich sein, während sie anderen helfen kann.
Es gibt hier keine Universalmethode für jeden, auch wenn viele gesetzliche Krankenkassen dies gerne behaupten, die erstaunlicherweise immer die günstigste Methode für die beste Methode halten, sondern jeder muss die richtige Therapie finden.
u.U. kann es auch besser sein, wenn man erst gar keine Therapie beginnt. z.B. halte ich nichts davon, wenn Betroffene, die durch Verdrängung damit leben können, zur „Aufarbeitung“ gezwungen werden.
Und genauso unehrlich ist es, wenn aus Sorge vor leestehenden Betten in der Klinik, einigen Genesenden eingeredet wird, sie wären noch gar nicht so stabil wie sie sich fühlen, weil leere Betten ansonsten zu einem Minus in der Bilanz führen.
Eine gesunde Skepsis ist gegenüber dem theraupeutsch-psychologischen Komplex immer angebracht.
Mir ist noch was zu “Mich macht dieses Kreisen um die eigene Opferrolle wütend” eingefallen: Kann es sein, dass diese Wut ihren Ursprung in der eigenen („Helfer/innen“-) Ohnmacht hat?? Bzw. in der eigenen Angst davor, diese Ohnmacht spüren zu müssen?
Der die klagende, weinende, ängstliche, bedürftige (!!), traurige Überlebende stellt – solange er klagend, weinend, ängstlich, bedürftig, traurig und somit „Opfer“ ist – eine Kränkung für die Omnipotenz- und Machtbedürfnisse des/der „Helfenden“ dar.
Denn schließlich – so glaubt der (eigentlich selbst bedürftige, nämlich nach Kontrolle und Macht)“Helfende“ – bedeutet das „Kreisen um die eigene Opferrolle“, dass der/die „Helfende“ nicht potent (fähig, stark, klug, allwissend…) genug ist, das Leid abzuwenden.
Die (eigentlich selbst) hilflosen „Helfer“ (siehe Schmidbauer) BRAUCHEN „glückliche“, dankbare, „geheilte“ Klienten, um ihre eigene Ohnmacht, ihren eigenen Schmerz (vermutlich aus Kindertagen) nicht spüren zu müssen.
Und werden wütend, wenn diese Klienten ihnen dieses verweigern und weiter „um ihre eigene Opferrolle kreisen“.
Hallo,
ich möchte den wertvollen Hinweis von Caroline Kaiser aufgreifen, dass am Anfang einer Diskussion eine Einigung über grundlegende Begrifflichkeiten stehen sollte.
Ich bedaure, dass ich das in meinem ersten Beitrag versäumt habe. Möglicherweise hat das mit dazu beigetragen, dass diese Diskussion nun leider nicht so respektvoll-sachlich verlaufen ist, wie die meisten anderen hier.
Was ich persönlich hier im Forum sehr schätze.
Also :
Zu „Heilung“ :
(Zitate aus „wikipedia“):
„Heilung in der Medizin
In der Medizin wird Heilung als Wiederherstellung des Gesundheitszustandes unter Erreichen des Ausgangszustandes (restitutio ad integrum) definiert. Bleibt ein organischer oder funktioneller Restschaden bestehen, spricht man von Defektheilung.
Heilung in der Psychotherapie
In der Psychotherapie wird der Heilungsbegriff mit einer Wiederherstellung der psychischen Gesundheit gleichgesetzt. Dessen Definition variiert jedoch individuell nach Therapierichtung als Alltagsfunktionalität, Problemlösung, Stärke des positiven inneren Erlebens, usw. Die Psychopathologie benennt zudem auch Einschränkungen bei manchen Erkrankungsbildern wie z. B. Psychosen, wo Residuen als „übriggebliebene Resteinschränkungen“ der mentalen Gesundheit definiert sind.
Darüber hinaus ist in der Psychotherapie der Begriff der Heilung eng mit der Ebene der Psyche (Persönlichkeits- und Verhaltensstruktur) verwoben, wogegen spirituelle Traditionen (s. a. Heilarbeit) Ihren Fokus auf den Begriff der Seele setzen.“
Das Ziel von Heilung ist Gesundheit, deshalb hier noch eine Definition dieses Begriffes (ebenfalls aus „wikipedia“):
„Gesundheit des Menschen ist laut Weltgesundheitsorganisation „ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“
Da ich im medizinisch-therapeutischen Bereich arbeite, hänge ich persönlich eher der medizinischen Definition von „Heilung“ an.
Aber mir ist bewusst, dass die Definition in anderen Kontexten, eben psychotherapeutischen, soziologischen, formalen (z.B. durch Krankenkassen) oder juristischen auch anders aussieht. Und vor allem im Bereich esoterischer Angebote, zu dem ich das „Familienstellen“ zähle (Privatzahler!).
Um gleich weiteren Mißverständnissen vorzubeugen :
„Familienaufstellungen“ oder „Familienskulpturen“ von seriösen Therapeuten achtsam begleitet erlebe ich als sehr sinnvoll, erhellend und wirkungsvoll.
Methodenabhängige Vorabheilsversprechungen nicht.
Entsprechend meinem beruflichen Selbstverständnis ist mein Auftrag nur da ein funktionell heilender, wo das auch nach medizinischer Definition möglich ist. Insgesamt bin ich als Ergotherapeutin für Rehabilitation im medizinischen Sinne zuständig und das auf einer ganz pragmatischen Ebene.
Da ich nicht voraussetzen kann, dass meinen Patienten das genauso klar ist und der Wunsch nach „Heilung“, „Wiedergutmachung“ und „Rettung“ sehr menschlich ist, steht bei mir am Anfang einer jeden Behandlung die Auftragsklärung.
Meine Patienten und ich vereinbaren, was wir voneinander erwarten wollen und was das Ziel der Behandlung sein soll – das möglichst konkret.
Wir bleiben so in unserem Verhältnis auf Augenhöhe, unrealistische und unangemessene Erwartungen und dementsprechende Enttäuschungen werden vermieden. Auf beiden Seiten. Ich gehe davon aus, dass die Lösungen, die jemand sich selbst erarbeitet hat, die jeweils passendsten und besten sind. Wo das nicht so ist, verstehe ich mich als Begleiterin und Beraterin in einem Prozeß der Optimierung.
Insofern stelle ich mich auf meine Patienten ein. Ich vermeide es, meine Patienten an von mir favorisierte Therapiekonzepte anzupassen zu wollen. Auch wenn ich natürlich meine „Lieblingsmethoden“ habe.
Diese klare Auftragsklärung habe ich von den Systemikern gelernt und schätze und nutze sie immer mehr.
Insofern kann ich Elviras Einwand nachvollziehen.
Zitat aus ihrem Beitrag oben :
„Liebe Angelika ist Ihnen bewusst, dass aus Ihnen 2 Stimmen sprechen:
die eine sagt folgendes – Zitat: “Ich frage mich schon seit Längerem,….was ich eigentlich von “Heilung” hätte, bzw. ob ich die eigentlich möchte.
die zweite Stimme sagt: “, die wie ich beruflich therapeutisch, psychosozial oder medizinisch arbeiten.”
Wie passt das zusammen????“
Elvira hat offenbar vorausgesetzt, dass ich als Therapeutin automatisch „Heilung“ anstrebe. Das tue ich aus oben kurz erläuterten Gründen nicht.
Allen einen schönen „Heiligabend“ wünscht
Angelika Oetken, Berlin
Zitat Angelika Oeteken:
„Elvira hat offenbar vorausgesetzt, dass ich als Therapeutin automatisch “Heilung” anstrebe. Das tue ich aus oben kurz erläuterten Gründen nicht.“
Ja, ganz genau.
Eine Heilung in dem Bereich zu wollen oder gar zu erzwingen, erstickt die Möglichkeit einer Heilung eigentlich schon im Keim. Es verhält sich wohl ganz ähnlich wie mit der Entstehung von Liebe. Auch diese lässt sich weder erzwingen noch wollen.
Es ist vielmehr ein Prozess des Entstehens, etwas was sich ergibt.
Und dieser Vorgang erfordert sehr viel Geduld und Ausdauer. Und man kann damit allenfalls Hoffnung verbinden.
Aber mit Wollen und Fordern hat das absolut nichts zu tun, auch wenn viele ungeduldige Forderer es von den Opfern gern erzwingen würden. Kontraproduktive Druckmittel gibt es dazu leider immer noch viel zu viel.
Zu einer Gruppe dieser Forderer gehören insbesondere sogenannte „Rentenversicherer“.
Hubert
Lieber Norbert,
diesen Schritt finde ich persönlich sehr gut. Ich selber werde mit Frau Dr. Becker-Fischer im neuen Jahr diesbeszüglich Kontakt aufnehmen und danach fragen. Sie befindet sich bis ca. Mitte Januar in Urlaub.
Den anderen Teilnehmern möchte ich noch folgendes mitteilen, zu meinem eigenen Heilungsprozeß, wobei Heilung für mich authentisch sein, ganz sein, nicht gespalten sein, wahrhaftig sein, bedeutet – gehörte im Wesentlichen die Annahme und Akzeptanz des Schmerzes. In der Zeit habe ich immer wieder Perioden von großem Schmerz gefühlt. Ich habe ihn zugelassen und später habe ich den Schmerz meinen „Heiler“ genannt. Ich habe den Schmerz einfach da sein lassen. Wenn nötig, habe ich mich hingelegt. Aber ich habe nichts unternommen um diesen Schmerz nicht zu fühlen. Absolut nichts. Ich habe bewusst nur den Schmerz da sein lassen. Ich habe bewusst keine Geschichte im Kopf und kein Bild damit verbunden. Um dem Schmerz nicht noch mehr Nahrung zu geben, bzw. noch mehr Energie durch mein Denken zu geben.
Das was ich früher nicht fühlen konnte, Schmerz, Ohnmacht, Hilflosigkeit, was ich abgespalten habe, unterdrückt habe, weil es mich damals möglicherweise umgebracht hätte, wollte gefühlt werden, integriert werden und auch betrauert werden.
Das war nicht einfach, aber es ging. Und mit dieser Einstellung hörte das Leiden auf. Das Leiden an meinem Leben. Die Annahme des Schmerzes hat micht verwandelt. In meinem Leben gibt es kein Leiden mehr. Es gibt natürlich, wie in jedem Leben auch Traurigkeit, auch noch Schmerz, aber da ist auch eine unglaubliche Stille in mir verbunden mit stillem Glück und stiller Freude, die ich vorher nie gekannnt habe und die nie wieder fortgegangen ist. Es hat eine wirkliche Transformation stattgefunden. Und ich bin davon überzeugt, das jeder Mensch dieses Potzenial in sich trägt. Und jeder Mensch seinen eigenen Weg hier finden wird, früher oder später.
Ich werde darauf achten in meinen geplanten Internetseiten nicht missionarisch zu wirken. Ich danke für dieses Feedback.
Ich wünsche allen ein gutes Jahr 2010.
Elvira
Zusätzlich möchte ich nochmal darauf aufmerksam machen, dass ich mich gegen den Therapeutenberuf entschieden habe. Ich bin keine Therapeutin. Ich bin ein ehemaliges Opfer mit einer Opfergeschichte, die nicht sehr viel anders ist als die Opfergeschichten anderer, sexuell missbrauchter Menschen. Ich habe festgestellt, dass sich die Geschichten im Wesentlichen kaum voneinander unterscheiden. Meine Geschichte ist insofern nichts Besonderes. Eine Geschichte eben. Es ist geschehn. Nicht mehr und nicht weniger.
Ich bin eine einfache Kaffeeverkäuferin. Diese Arbeit mache ich mit sehr viel Freude und auch mit zunehmendem Erfolg.
Elvira
Zum Thema Verdrängen möchte ich folgendes aus meiner eigenen Erfahrung beitragen.
Die ersten Jahre während die Missbräuche geschahen, hab ich mit Sicherheit unbewusst verdrängt, weil ich das ganze sonst nicht überlebt hätte. Es ist wie bereits erwähnt, ein Schutzmechanismus, den die Natur für Extremfälle hervorragend eingerichtet hat.
Es war später auch kein bewusstes entscheiden, die Verdrängung aufzuheben. Es war vielmehr so, das kleine Auslöser/Trigger die Flashbachs auslösten, die dann in Form von Bildfetzen und Gefühlen zum Vorschein kamen.
Um „normal zu sein“ zu funktionieren“ in die Gesellschaft zu passen“ dafür habe ich dann versucht bewusst zu verdrängen.
Ich habe mich geschämt für das was geschehen war. Gab mir die Schuld an dem Missbrauch. Wäre ich nicht da gewesen, wäre ich nicht ein Mädchen, ein hübsches gewesen, hätte ich Nein gesagt, hätte ich überhaupt irgendjemand irgendwas gesagt, dann wäre das alles ja gar nicht passiert.
Angst, Scham, Zweifel und selbstverständlich auch Drohungen haben mir verboten den Mund zu öffnen. Also schwieg ich.
Eine Weile hat es gut „funktioniert“ und die Betonung liegt auf „funktionieren“
Dieses Wort hat mich immer begleitet. Ich muss funktionieren, damit niemand etwas merkt. Denn wenn man erfährt was mit mir passiert ist, wie schmutzig ich bin, wer wird mich dann noch lieben? So einen Menschen kann man nicht lieben.
Jahrzehnte hat es funktioniert, doch dann ist der Korken von der Flasche gesprungen und alles kam mit geballter Kraft nach oben. Keine Chance mehr zu verdrängen.
Die Seele entscheidet selber wie und wann und in welchem Maß sie bereit ist, die Vergangenheit ans Tageslicht kommen zu lassen.
Dann beginnt der nackte Kampf ums überleben. In einer Gesellschaft die Täter mehr als die Opfer schützen. Die diesen einräumt, dass es eine Verjährung gibt und sie somit aus dem Schneider sind.
Während die Opfer lebenslang kämpfen müssen.
Eine Gesellschaft in der sexueller Missbrauch, Inzest, Vergewaltigung und weitere Trauma immer noch Tabuthemen sind.
Wenn die Fälle nicht extrem Medienträchtig sind, dann erfährt kaum jemand von dem Leiden der Betroffenen.
Solange die Medien interessiert sind, schlachtet man das Geschehen aus, doch Jahre später sind auch diese Menschen vergessen.
Sicherlich fragt sich jedes Opfer wozu soll ich kämpfen? Um stigmatisiert zu werden, als eine Person die sich in ihrer Opferrolle wohl fühlt, sich auf ihrer Erkrankung ausruht, der Gesellschaft auf der Tasche liegt, weil sie arbeitsunfähig ist oder der Krankenkasse aufgrund der Therapiestunden die sie benötigt.
Wer um Himmelswillen fühlt sich in der Rolle gut?
Würden wir schweigen, wenn wir uns damit gut fühlen würden?
Würde nicht jede/r Betroffene losrennen und hier rufen, wenn er sich in der Opferrolle gut fühlen würde???
Zurück zum Thema. Ich denke, Verdrängung ist ein Mechanismus der das Überleben sichert. Er ist nicht kontrollierbar, sondern geschieht automatisch.
Ein späteres versuchen zu verdrängen bedeutet für mich nicht das gleiche, wie das automatische Verdrängen zum Schutze.
Das spätere Verdrängen gleicht meiner Erfahrung nach eher den fast aussichtslosen Versuch, vergessen zu wollen.
ich brauche Hilfe in ganz kompetenter Form!!!
Bin im Knabenheim Westuffeln/Werl sexuell missbraucht worden und später in Aachen von 2 Priestern!
Mein Anwalt reagiert so gut wie gar nicht, da ich den Kandschaftsverband Westf.-Lippe verklagen muss.
Bin z.Z. in therapeutischer Behandlung seit gut einem Jahr.
Wenn Ihr jemanden wisst, der helfen kann und will, bitte Kontakt aufnehmen mit:
Uwe Werner, Aachener Str. 316 in 41069 Mönchengladbach Tel: 0152/ 23627521
Danke an alle und bitte weiterreichen, Mfg Uwe
Hallo Angela,
Ihre ehrliche, persönliche Beschreibung ist sehr anschaulich, ich kann mich gut in Sie hineinversetzen.
Bewusstes, absichtliches Verdrängen der eigenen Missbrauchserfahrungen, die sich in Form von „Erinnerungsfetzen“ täglich ins Bewusstsein schieben, ist absolut nötig, um überhaupt mit den Anforderungen des Alltags zu Recht zu kommen.
Auch das ständige bewusste Abwägen, ob Stressreaktionen angemessen sind, weil ein Auslöser im „Jetzt“ reale Ursache ist oder ob es sich um ein „Überreagieren“ auf Triggre aus der Vergangenheit handelt, ist eine Voraussetzung, um einigermaßen „normal“ leben zu können.
Ich kann mich ja nicht in die Situation von „Nicht-Betroffenen“ hineinversetzen, weil ich mich nicht mehr an die Zeit erinnern kann, als ich „stressfreier“ gelebt habe. Ich war einfach noch zu jung.
Aber ich glaube, dass gerade diese ständige Anpassungsleistung uns Betroffenen enorm viel Kraft kostet.
Und viele Menschen einfach nur krank macht.
Wenn ich nur mal daran denke, wie vielen Menschen ich täglich begegne, die mit einer mehr oder minder deutlichen „Alkoholfahne“ herumlaufen. Oder „riechen“, oder schmutzige Hände und ungepflegte, nikotingelbe Finger haben…
Alles Triggre für mich. Gegen die Reaktionen bei mir (Unruhe, Ekel, flache Atmung, Übelkeit, aggressive Stimmung…) muss ich eigentlich täglich ankämpfen und mir sagen, dass der Kontakt sehr begrenzt sein wird und ich mich ja im Zweifelsfall einfach entfernen kann.
Und ich muss viel tun, um trotzdem leidlich gesund und einigermaßen leistungsfähig zu bleiben.
Zeit, die andere Menschen vielleicht mit angenehmen, wenig anstrengenden Tätigkeiten verbringen.
Sie haben geschrieben:
„Sicherlich fragt sich jedes Opfer wozu soll ich kämpfen? Um stigmatisiert zu werden, als eine Person die sich in ihrer Opferrolle wohl fühlt, sich auf ihrer Erkrankung ausruht, der Gesellschaft auf der Tasche liegt, weil sie arbeitsunfähig ist oder der Krankenkasse aufgrund der Therapiestunden die sie benötigt.“
Ich „forsche“ gerade in der Fachliteratur über die Geschichte der Behandlung von Menschen, die sexuell traumatisiert wurden.
Dabei ist mir klar geworden, dass es ohne die mutigen, ständig gegen Projektionen, Zuschreibungen und Unterstellungen ankämpfenden Betroffenen heute keinerlei Anerkennung, zielorientierte Behandlung und nicht mal den Versuch einer „Wiedergutmachung“ gäbe.
Es gab schon vor Jahrzehnten einige mutige Therapeuten, die auf die epidemischen Ausmaße von sexuellen Übergriffen auf Kinder hingewiesen haben, aber die damals total diffamiert wurden.
Erst der auch politisch motivierte Kampf der Betroffenen um ihre Rechte hat zu einem Umdenken in der Gesellschaft geführt.
Auch mir ist erst als ich mich nach langen Jahren des „Wegdrückens“ intensiv mit dem Thema „Missbrauch“ beschäftigt habe, klar geworden, wie sehr mein Leben davon negativ beeinflusst wurde und wie viel Kraft mich das „Trotzdem-Leben“ kostet.
Aber auch, dass sich der Kampf lohnt. Auf jeden Fall ist er eine bessere Lösung, als sich selbst oder andere zu zerstören.
Ich glaube, dass wir nachhaltig etwas verändern können, wenn wir nicht locker lassen und uns keine fremdbestimmten „Normalitätsnormen“ aufzwingen lassen, sondern immer wieder hinterfragen, wie viel und welche Normalität nötig ist, um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und welche nicht.
Sicherlich muss man da als Betroffener auch Kompromisse machen. Das müssen körperbehinderte oder sozial schwache Menschen auch.
Aber „geopfert“ wurden wir Betroffenen alle schon einmal- nämlich wegen gesellschaftlicher Bedingungen, die übergriffige, sexuelle Handlungen gegen Kinder zulässt, teilweise sogar fördert. Insofern sind die meisten von uns, was Leistungen angeht, mit der „Gesellschaft“ noch lange nicht quitt.
So kann man den Begriff „Opfer“ nämlich auch definieren, als einen „Preis“, den eine Gesellschaft für etwas zahlt. In diesem Fall nimmt sie uns unsere Rechte und lässt uns stellvertretend zahlen. Wir bekommen aber nie eine Gegenleistung – ein schlechtes Geschäft.
Archaische Gesellschaften kannten offizielle Menschenopfer. Wir „modernen“ Menschen opfern immer noch Menschen, aber nur heimlich.
In diesem Fall dafür, den aggressiven, „schmutzigen“ Aspekt von Sexualität nicht anerkennen, zu verarbeiten und irgendwie kanalisieren zu müssen, sondern leugnen, negieren, verdrängen zu können- auch auf die Gefahr hin, dass Kinder dabei zu Schaden kommen bis hin zu deren Tod.
„Wohl wissend“ kann man eigentlich auch sagen.
Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur noch mal an den Brauch der traditionell lebenden Aborigines, die jeden Menschen, der Kinder sexuell missbraucht hat, sofort getötet haben.
Das Gegenteil vom modernen „Kinderopfer“, aber wohl nicht durchführbar, da dann die „Todesquote“ sicherlich sehr hoch wäre.
Aber – Gefängnis und öffentliche Ächtung reicht auch erstmal finde ich.
Ich komme mehr und mehr zu der Überzeugung, dass der Umgang mit Sexualität und der Schutz und die fürsorgliche Erziehung von Kindern ein Maßstab für den Grad an Zivilisation unserer Gesellschaft ist.
Was das angeht, sind wir im Jahr 2010 auf einem ganz erbärmlichen Niveau.
Auf der ganzen Welt.
Aber eigentlich kann man ja nur bei sich selbst anfangen und sich sagen: „Ich mache da nicht mehr mit und ich sage die Wahrheit, auch wenn das für andere unbequem ist“.
Ich habe mir mit der Zeit eine entlastende Taktik angewöhnt:
Wenn irgendwelche Leute mich mit diesem Thema provozieren wollen oder die Sache herunterspielen, dann erzähle ich, was mir passiert ist – mit allen ekelerregenden Einzelheiten, vollkommen aus meiner Perspektive – und mit den Folgen für mein Leben.
Danach frage ich sie, ob wir tauschen wollen. Oder ob sie möchten, dass ein Kind, das ihnen nahe steht, mit mir tauschen muss. Meist möchten sie das nicht.
Ich sage dann aber auch, dass ich ebenfalls nicht mit ihnen tauschen möchte, weil ich „Ignoranz“ mittlerweile für eine der destruktivsten und erbärmlichsten Eigenschaften halte, die es gibt.
Ich wünsche Ihnen viel Kraft auf Ihrem Weg.
Angelika Oetken, Berlin
Kann ich alles gut nachvollziehen, vieles bei mir ähnlich!
Liebe Angelika,
also mir sind diese Aboriginies-Methoden immer noch sympathisch!! Ich finde das – mal wieder – einen tollen, durchdachten, sehr offenen Beitrag, und wollte dir – mal wieder – dafür danken.
Denn wie du selbst schreibst: Wenn wir Betroffenen uns nicht hätten (und solche Menschen wie Norbert, der/die Plattformen dafür zur Verfügung stellen), würden sie uns alle heute noch für dumm verkaufen (zumindest die meisten).
Ich empfinde es auch so, dass der einzige Weg der ist, den du beschreibst. Aufhören zu schweigen. Sich nicht mehr verstecken. Die „offizielle Wahrheit“ („sowas gibt es nicht oder nur als Randproblem“) stören und ein eigener Beitrag zur WIRKLICHEN Wahrheit werden.
Irgendwann können sie nicht mehr an uns vorbeisehen.
Ich empfinde es auch so, dass ich einen hohen Preis zahle: Ich bezahle mit meinem Leben. Und dafür ist mir diese Gesellschaft etwas schuldig. Denn sie hat mich nicht geschützt, als meine Menschenrechte verletzt wurden. Sie hat mich nicht beschützt, als mir Gewalt angetan wurde. Und sie tut BIS HEUTE NICHTS, um mir eine angemessene Hilfe anzubieten. Von einem Ausgleich ganz zu schweigen.
„…solange die Täter und die Verantwortlichen für schwere Menschenrechtsverletzungen nicht zur Rechenschaft gezogen werden, ist der Kampf gegen Straflosigkeit nicht nur ein legitimer Einsatz zur Durchsetzung von Demokratie und Menschenrechten, sondern eine Notwendigkeit auch für eine nachhaltige Stabilisierung der Überlebenden. Denn „es besteht nicht der geringste Zweifel, dass Gerechtigkeit – im weitesten Sinne des Wortes, das heißt, als juristische, soziale und moralische Gerechtigkeit verstanden – eine Wiedergutmachungsfunktion nicht nur für das Individuum hat, sondern auch für die Gesellschaft.“ (Brinkmann, 2005)
Liebe Angelika,
Sie schrieben: “ So kann man den Begriff “Opfer” nämlich auch definieren, als einen “Preis”, den eine Gesellschaft für etwas zahlt. In diesem Fall nimmt sie uns unsere Rechte und lässt uns stellvertretend zahlen. Wir bekommen aber nie eine Gegenleistung – ein schlechtes Geschäft.“
Dem kann ich nur zustimmen. In díesen Zeilen ist alles ausgedrückt was auch ich zu diesem Thema empfinde.
Ich sehe es vom Staat bzw. von der Justiz als weiteren Missbrauch und weitere Vergewaltigung an, dass ich keinen meiner Peiniger strafrechtlich verfolgen kann.
An dieser Gesetzeslage muss sich dringend etwas ändern.
Es ist wirklich so, dass wir nur, wenn wir aufstehen und das Schweigen brechen, etwas verändern können.
Manchmal sind es nur ganz kleine Schritte, doch die sind besser, als es so zu belassen wie es ist.
Auch ich informiere mich gerade wieder über die Tradition des Missbrauchs und kann nur den Kopf schütteln wenn ich lese: “ Seit Menschengedenken d.h. seit es Menschen gibt, ist das Kind als Eigentum der Eltern anzusehen und in jeder Weise sexuell ausgenutzt worden. Die Macht der Erwachsenen über das Kind ist selbstverständlich und deshalb wird nicht darüber geredet. Heldenerzählungen, Mythen, Klagelieder Sprichwörter und Gesetze der Sumerer geben schon vor 5000 Jahren Hinweise auf sexuelle Handlungen von Erwachsenen an kleinen Mädchen (Kramer 1959)“.
Die Liste ist endlos fortführbar und ich kann und will das nicht akzeptieren.
Ja wir kämpfen ständig mit der Gesellschaft und somit auch gegen diese.
Wir kämpfen gegen ihre Taubheit und ihre Blindheit, die sie sich selber angeeignet haben- denn die wenigsten sind tatsächlich taub oder blind.
Das Wegsehen ist um so vieles einfacher wie das hinschauen.
Man muss sich engagieren, etwas tun, aufstehen, sich einmischen, alles Werte, die zum Großteil in unserer Gesellschaft verloren gegangen sind.
Warum werden Täter in einem angeblich so hoch zivilisierten und gerechten Land nicht zur Rechenschaft für ihre Taten gezogen?
Warum verschließt der Staat ein Auge? und schaut mit dem anderen nur bedingt hin?
Ist Justitia wirklich blind? oder wurde sie blind gemacht?
Es ist gut, dass es Menschen wie Norbert gibt.
Ich bin froh ihn kennen gelernt zu haben, denn er vermittelt auch mir weiterhin Kraft um Aktiv zu bleiben.
Manchmal droht der Schmerz einem zu zerreißen, die Blindheit und Taubheit, der Menschen, Behörden und Ämter ist wie ein erneutes Aufreißen der Wunden, die wieder nicht heilen sondern nur verkrusten können.
Man neigt dazu zwischendrin zu sagen: Vergiss es, es hat keinen Sinn, niemals kommst du gegen das System an!
Doch man steht wieder auf, kämpft weiter- für sich, für alle Betroffenen und für all die unschuldigigen Kinder.
Es wird Zeit den Kreislauf zu durchbrechen!
Jedes Opfer das Aufsteht und in seiner eigenen Familie das Schweigen bricht, hat den kleinen Kreislauf schon durchbrochen.
Und jede Überlebende, die einmal Opfer war, die aufsteht und gemeinsam mit anderen kämpft, hilft auch den Kreislauf des Systems zu durchbrechen.
Es ist keine einfache Aufgabe und sie kostet unendlich viel Kraft, doch der Lohn sind die strahlenden Kinderaugen, die nicht missbraucht wurden, das zarte Lächeln der Kinder, die aus dem Missbrauch entkommen konnten und der Stolz der Überlebenden, die zum Leben übergehen können, weil man anerkannt hat, was man ihnen antat.
Angela
Liebe Angela,
ja, gemeinsam können wir unglaublich stark werden.
Dazu brauchen wir viel Kraft. Dazu brauchen wir einen klaren Kopf und Frieden in unseren Herzen. Dazu müssen wir zunächst bei uns selber anfangen. Wir müssen erkennen, dass das Trauma eine wirkliche Spaltung in uns hinterlassen hat. In uns lebt ein tief, verletztes, verwirrtes, hilfloses, schmerzvolles und ohnmächtiges „Kind“ (Trauma-Ich). Und der andere Teil von uns ist halbwegs erwachsen. (Überlebens-Ich). In diesem Überlebens-Ich können wir jedoch nicht mehr authentisch sein. Wir spielen Rollen, die uns davor bewahren mit den im „Trauma-Ich“ oder auch „innerem Kind“ abgespaltenen Gefühlen wirklich in Kontakt zu kommen. Aber mit diesem unserem inneren Kind wirklich in Kontakt zu kommen, es da sein lassen – mit allen Gefühlen – ist zur Heilung notwendig und dieses Kind in uns braucht gleichzeitig Regeln und Grenzen.
Diese Aufgabe kann man nicht alleine schaffen.
Jeder ist es sich schuldig hier gut für sich zu sorgen. Der beste Therapeut/Therapeutin ist gerade gut genug. Ich kann zurzeit nur die Therapeutenliste auf der Homepage von http://www.psychotraumatologie.de empfehlen.
Wer in sich gespalten ist, der kann nicht anders als auch im Außen zu spalten.
Es ist ein Irrtum zu glauben, es gäbe hier die Opfer und da die Gesellschaft. „Opfer/Gesellschaft Spaltung“
Die Opfer sind nicht getrennt von der Gesellschaft. Wir sind ein Teil der Gesellschaft.
Es ist dringend notwendig aus diesem „Spaltungsdenken“ herauszukommen.
Da ist jedes Opfer aufgerufen, fange bei dir selber an.
Der beste Therapeut/Therapeutin ist gerade gut genug.
Das sind wir uns selber schuldig.
Elvira
Noch ein kleiner Nachtrag:
Ein Therapeut/in, der/die stolz darauf ist, Trauer und Schmerz etc. seiner Klienten/Patienten auszuhalten, hat seinen Beruf verfehlt. Er/Sie hat es nicht geschafft diese Gefühle bei sich selber zu integrieren. Wenn er/sie dies geschafft hätte, würde er/sie wissen, dass Trauer und Schmerz zum Leben und zum Heilungsprozeß ganz normal dazugehören. Da gibt es nichts auszuhalten! Da reicht es einfach nur da zu sein. Diesen Heilungsprozeß zu zulassen. In dem tiefsten Wissen, das die wirkliche Annahme von Schmerz und Trauer heilt.
Elvira
Hallo Uwe Werner,
Sie haben am 5.1.2010 angefragt, ob Ihnen hier jemand helfen kann in Ihrem Fall.
Grundsätzlich gerne – allerdings kann ich aus Ihrer Schilderung noch nicht ableiten, wobei Sie genau Hilfe oder Unterstützung brauchen.
Geht es Ihnen speziell um die Klage gegen den Verband? Oder noch um etwas anderes?
Grüße von
Angelika Oetken, Berlin
@Elvira
Sorry, liebe Elvira, irgendwie habe ich Probleme, dich zu verstehen. Das mag durchaus an mir liegen. Das, was du schreibst, kommt mir immer sehr einseitig vor und macht auf mich den Eindruck einer Werbekampagne für ein bestimmtes Therapieverfahren. Ich sage nicht, dass es so ist, aber es kommt bei mir so an. Ich bin mir ganz sicher, dass auch unter den Therapeuten, die der von dir genannte Link anzeigt, gute und schlechte zu finden sind. Und diese guten und schlechten Therapeutinnen werden sicher von den verschiedenen Patienten auch völlig unterschiedlich beurteilt. Es gibt nicht DEN guten Therapeuten, da bin ich mir ganz sicher. Wenn die Chemie nicht stimmt, kann der Therapeut noch so gut und der Patient noch so willig sein – es wird nicht viel bringen.
Du schreibst über Therapeuten, die stolz darauf sind, Trauer und Schmerz ihrer Patienten auszuhalten. Hm, so was mag es vielleicht geben, aber ich kann hier nur von meiner Therapeutin sprechen, die dies weder macht noch stolz darauf wäre. Ich denke mal, dass ihr Verhalten dem Gros der Therapeuten entspricht, schwarze Schafe immer ausgenommen.
Mich würden hierzu mal die Erfahrungen der anderen Menschen hier mit ihren Therapeuten interessieren.
Liebe Grüße,
Elke
Hallo Elke,
Du hast eine spannende Frage gestellt.
Ich fang mal an:
Privat und durch meinen Beruf habe ich verschiedene Psychotherapieschulen kennen gelernt. Alles, was ich kennen lerne und für gut und passend erachte, integriere ich auch in meine tägliche Arbeit und erlebe so einmal die Perspektive des Klienten/Patienten und die der Therapeutin.
Mir persönlich haben in der Vergangenheit v.a. zwei Therapeuten sehr geholfen. Den einen habe ich aus eher beruflichen Gründen aufgesucht (Supervision und Coaching), die andere aus privaten.
Der Supervisor arbeitete mit einem systemischen Ansatz. D.h. er hat versucht, meine aktuellen Probleme immer in einen Kontext mit anderen Menschen, die mit mir zu tun haben zu stellen und mir dabei zu helfen, das Problem aus verschiedenen Positionen zu betrachten und eine neue, bessere Lösung zu finden und auszuprobieren als die, die ich bisher gewählt hatte.
Während der Supervision ging mir auf, dass meine beruflichen Probleme sehr viel mit meinen privaten zu tun hatten. Es ging um Abgrenzung, Vereinbarungen und das Identifizieren und Verbinden pragmatischer und emotionaler Bedürfnisse.
Der Supervisor war sehr provokativ, sehr klar, sachlich und sehr distanziert; allerdings ohne dass das respektlos oder unangenehm auf mich gewirkt hätte.
So konnte er Abstand wahren und den Überblick behalten, so dass es überhaupt möglich wurde für mich, einen möglichen Ausweg aus meinem damaligen, sehr bedrohlichen Dilemma zu finden.
Was ich da gelernt habe, war auch, trotz eines langen, eigentlich sehr persönlichen therapeutischen Kontakts Abstand zu halten und immer eine gewisse sachliche Unverbindlichkeit.
Das war bis dahin sehr schwer für mich, widersprach allem, was ich bis dahin gelernt hatte und für „gut“ angesehen hatte.
Aber gerade von dieser neuen „Persönlichkeits- und Verhaltensvariante“ habe ich ungeheuer profitiert und tue es jetzt noch.
Die Arbeitsweise des Supervisors hat mich so fasziniert, dass ich selbst zwei Kurse in dieser Therapierichtung besucht habe und meine Möglichkeiten, mit „Systemen“ wie Familien, meinem Team, Institutionen zu arbeiten erweitern konnte.
Es ging dabei weniger um „therapeutische Techniken“ als darum, als Therapeut sein eigenes Verhalten kritisch zu hinterfragen und die Klienten dazu zu veranlassen, ihr Leben und ihre Probleme in einem neuen Licht zu sehen.
Aber ich habe auch bemerkt, dass dieser Ansatz für mich persönlich nicht dazu geeignet ist, meine privaten Probleme anzugehen, v.a. die Folgen der sexuellen Misshandlung und das sehr negative Selbstbild, dass ich durch eine bestimmte, familiengeschichtliche Konstellation entwickelt hatte.
Das lag vor allem daran, dass ich über die langjährige Verbindung von Bert Hellinger mit den Familiensystemikern „gestolpert“ bin. Als ich mitbekam, dass eine der systemischen Koryphäen (Virginia Satir, deren Arbeit ich sehr schätze) ihre KollegInnen frühzeitig vor Hellinger und seinen „Familienaufstellungen“ gewarnt hatte und er trotzdem begeisterte Anhänger fand, habe ich viel gelesen und bin daraufhin zu dem Schluss gekommen, dass ich die vorbehaltlose „Urteilsfreiheit“, was das Thema „sexuelle Misshandlung“ angeht der meisten Systemiker nicht teile, sogar fragwürdig bis gefährlich finde.
Die Psychoanalyse kam für mich aus ähnlichen Gründen nicht in Frage.
Deshalb habe ich nach einer anderen „Therapieschule“ für mich privat gesucht.
Eine Weile habe ich mich bei Freunden und Kollegen nach Therapeuten umgehört. Dann fiel mir wieder ein, dass ich mit meinem Sohn einmal einen Babymassagekurs besucht habe, der von einer sehr originellen Psychotherapeutin geleitet wurde.
Ich habe ihre Adresse herausgesucht und einfach einen Termin mit ihr gemacht.
Es war ein Glücksgriff.
Von der Ausbildung her ist sie Tiefenpsychologin, allerdings sehr umfassend ausgebildet – von Körperpsychotherapie bis klientenzentrierter Gesprächsführung über psychoanalytische Ansätze.
Sie entsprach im allerbesten Sinne den Anforderungen an einen humanistischen Psychotherapeuten (nach Carl Rogers).
Von der Arbeitsweise her war sie das genaue Gegenteil des Supervisors, aber für meine persönlichen Probleme genau richtig.
Sie zeichnete sich durch
– eine „bedingungslose positive Wertschätzung“ (den anderen Menschen so annehmen und schätzen, wie er ist, egal was passiert und was er sagt)
– Empathie (Einfühlungsvermögen)
und
– Kongruenz (Echtheit)
aus.
Hier habe ich gelernt, Dinge in meinem Leben (aktuelle und vergangene) so anzunehmen wie sie sind.
Das klingt erstmal banal, war aber für mich ganz wichtig, da ich von meiner Großmutter erzogen wurde, die knallharte preußische Wertmaßstäbe und Ideale hatte und alles, was da nicht reinpasste verdrängt und negiert hat.
„Sexuelle Misshandlung“ passte natürlich überhaupt nicht in dieses Weltbild. Nach dem Motto „es kann nicht sein, was nicht sein darf“.
Mit meiner Therapeutin hatte ich den „Gegenentwurf“ zu meiner Großmutter und konnte so „hinter den Spiegel“ schauen.
Die Therapeutin hat bei allem, was ich geäußert habe, ihren eigenen, ehrlichen Eindruck rückgemeldet, Verhalten von anderen grundsätzlich gewertet und sehr viel mit Emotionen gearbeitet. Es wurde viel geweint, gelacht und geschimpft.
Das habe ich überhaupt nicht als unprofessionell angesehen, sondern als echt, kreativ und wirksam.
Sie hat nämlich persönliches und emotionales immer wieder in einen fachlichen Kontext gestellt, d.h. mit mir zusammen sachlich ausgewertet. Genau durch diese Verbindung habe ich sehr viel gelernt.
Ich habe insgesamt (mit kleinen Unterbrechungen) zwei Jahre mit ihr gearbeitet und mich dann nach Rücksprache mit ihr entschlossen, mit dem Thema „sexuelle Misshandlung“ auf einer anderen Ebene weiterzuarbeiten.
Die Therapeutin hat sehr klug gesagt, dass sie selbst eine sehr positive Einstellung zur Sexualität habe und in ihrem Leben vor allem sehr positive Erfahrungen gemacht habe und es ihr sehr schwer falle, sich in dieser Beziehung in mich hineinzuversetzen, also gut mit mir zu arbeiten.
Das fand ich sehr ehrlich und das ist auch mit „Kongruenz“ gemeint.
Sie schlug mir vor, auf der Ebene der „Selbstwirksamkeit“ weiterzuarbeiten, d.h. dort aktiv zu sein, wo ich eh schon Stärken und Ressourcen habe, z.B. eben mich auszutauschen, Wissen zu sammeln und auszuwerten oder auch im kleinen Rahmen politisch zu arbeiten.
Diese Herangehensweise entspricht mir persönlich.
Jemand anderes hätte vielleicht mit Körperarbeit oder Traumatherapie oder eben Psychoanalyse oder Familientherapie weitergearbeitet.
Aus meiner Perspektive als Therapeutin betrachtet, finde ich es am schwersten, im guten Kontakt mit Patienten oder Angehörigen zu bleiben, die ganz andere Wertmaßstäbe haben als ich.
Wenn ich mir in der täglichen Arbeit klarmache, dass ich gerade anfange zu werten und mich dann zurücknehme und abwarte oder auch einmal dem Patienten spiegele, wie es mir damit geht, dann gelingt es mir auch, eine gute therapeutische Beziehung aufzubauen. Ich lerne dadurch sehr viel, nämlich wozu diese Wertmaßstäbe bei anderen Menschen da sind und wo sie blockieren.
Ich persönlich bewundere Leute, die mit „Tätern“ arbeiten und das womöglich noch den ganzen Tag.
Ich kann mir vorstellen, was das heißt und was das von den Therapeuten abverlangt.
Eben das ständige Ausloten und Zurücknehmen der eigenen Wertvorstellungen, der Verzicht auf vordergründige Bewertung und die ständige Kontrolle der eigenen Emotionen, egal was man da an Scheußlichkeiten zu Hören kriegt.
Ein Therapeut, der mit „Tätern“ arbeitet, sagte mir, er halte das trotz aller Belastungen aus, da er im Laufe der Jahre gelernt habe, dass hinter der übergriffigen „Fassade“ häufig ganz viel menschliches Elend stecke, das zum Vorschein komme, wenn man nur lange genug „dran“ bleibe.
Und wenn das dann irgendwann soweit sei, dann könne man mit den Tätern auch effektiv arbeiten.
Sonst ist die Beziehung „weg“ und es entsteht keine Möglichkeit der ehrlichen und schmerzhaften, letztendlich auch „heilsamen“, nämlich prophylaktisch wirksamen Auseinandersetzung mit der Tat.
Er sieht darin auch eine politische Dimension.
Das sehe ich auch so.
Respekt, Respekt kann ich da nur sagen.
Grüße von
Angelika Oetken aus Berlin
Liebe Angelika,
jetzt hätte ich fast deine so ausführliche Antwort übersehen! Dankeschön dafür, ich finde deine Ausführungen immer extrem hilfreich!
Ich fange mal mit Hellinger an, sehe sein Handeln und Denken genau wie du, meiner Meinung nach ist der Mann bzw. die Methode hinter ihm sogar nicht ungefährlich. Zudem stört mich der häufige Showcharakter. Ich habe vor ein paar Jahren mal an einer Tieraufstellung teilgenommen. Eins meiner Tiere hatte sehr schwerwiegende Darmprobleme. Wie es so ist, man rennt von Arzt zu Arzt, niemand kann wirklich helfen, und irgendwann gerät man an einen Arzt, der Verbindungen zu einem Hellinger-Verschnitt für Tiere hat. Okay, die 200,- Euro lege ich dann auch noch hin, wenn’s denn hilft. Wenn dieses Spektakel nicht genau in meine tief depressive Zeit gefallen wäre, ich könnte heute noch drüber lachen. Im Nachhinein komme ich mir jedoch als Opfer vor, wieder mal. Man hat mir eingeredet (und das war damals nicht schwer, ich war ja eh immer Schuld an allem), dass es MEINE Schuld ist, dass das Tier krank ist. Man hat mir mein Fehlverhalten dem Tier gegenüber unter die Nase gerieben, so klar und deutlich, dass ich es geglaubt habe. Dabei weiß ich 200%ig, dass ich mein Tier geliebt und nicht mehr falsch gemacht habe, als andere Menschen! Man hat mir vorgehalten, mich von meinem kurz zuvor verstorbenen Vater nicht nach Hellinger-Art verabschiedet zu haben – ich könnte das endlich weiterführen, nehme aber Rücksicht auf Norbert… Kurzum, die arme Susi starb ein paar Monate später an malignen Lymphomen des Darms. In meiner Trauer habe ich diesem „Hellinger für Tiere“ dies mitgeteilt, wütend auch, weil diese Krankheit nicht meine Schuld war. Die Antwort: Wärst du regelmäßig weiter zu den Tieraufstellungen gekommen, dann wäre das nicht passiert! Soviel dazu.
Ich gehe seit fast vier Jahren zu derselben Therapeutin. Ich habe zunächst eine Verhaltenstherapie gemacht, die mich aus der Depression holte und „fit“ machte für die Traumatherapie. Ich fahre ein- bis zweimal die Woche zu ihr, der Weg ist weit, aber ich kenne hier an meinem Wohnort fast alle Therapeuten (ich war in der Betreuungshilfe tätig) und konnte mir im Leben nicht vorstellen, mich einem oder einer von ihnen anzuvertrauen.
Die Verhaltenstherapie lief unter Supervision ab, ich fand sie gut erträglich, ging nach den ersten Anlaufschwierigkeiten sogar gerne hin und das Erzählen fiel mir zunehmend leichter. Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich ja noch nie über die Missbräuche gesprochen. Meine Therapeutin war natürlich distanziert, aber ich spürte viel deutlicher ihr Mitgefühl, ihr Verständnis und den großen Halt, den sie mir gab. Als ich zum ersten Mal konkret über die Missbräuche sprach, sagte sie: „Nun müssen sie das nicht mehr alleine auf ihren Schultern tragen.“ Ein Satz, der mir unglaublich gut tat. Und auch ich habe gelernt, das Positive, was noch da war, auszubauen, das, was verschüttet war, wieder Hochzuholen, Negatives zu hinterfragen, und sie unterstützte mich auch bei meinem plötzlichen Wunsch, alles einmal aufzuschreiben. Für mich lief dieser Teil der Therapie perfekt ab.
Teil 2 war und ist die Traumatherapie, vor der ich wieder zuerst Angst hatte, dann aber nach und nach die Gewissheit erlangte, dass der Satz: „Sie sind die Chefin, Sie bestimmen, wie weit Sie gehen und Sie können jederzeit abbrechen!“ der Wahrheit entsprach und meine Angst, zu irgendetwas gezwungen zu werden, völlig unbegründet war.
Was mir auch gut tut ist die Gewissheit, die Therapeutin jederzeit per Mail erreichen zu können. Ich habe das zwar erst einmal ausgenutzt, aber es tut einfach gut, diese „Gehhilfe“ in der Ecke stehen zu wissen.
Meine Tochter erzählte letztens von einem Dozenten, der sich schwer tut, mehr als einen Täter pro Woche zu behandeln, gar täglich könne er das keinesfalls. Fast genauso schwer fallen ihm aber tief depressive Menschen – dies nur am Rande…
Ja, Respekt habe ich ganz sicher.
Liebe Grüße,
Elke
Den Ansatz von Hellinger kenne ich auch. Auch ich bin der Ansicht, dass es nicht ungefährlich ist. Allerdings gehe ich davon aus, dass es nicht die Methode an sich ist, sondern die Menschen, die sie ausführen.
Das mit der Schuld kenne ich nur zu gut, mir hat man erklärt, ich wäre an meinem Missbrauch selber schuld, da ich in vergangen Leben, den heutigen Tätern das gleiche angetan hätte.
Wie das auf die Psyche eines traumatisierten Menschen wirkt, muss ich ja niemanden erzählen.
Des Weiteren hab ich erfahren, dass man den Ansatz auch noch ausweiten kann auf der spirituellen oder religiösen Ebene.
Da wurde es für mich persönlich erst richtig heftig.
Meines Erachtens liegt in jedem Ansatz eine Möglichkeit zu helfen, es kommt nur darauf an, wie und wer damit umgeht.
Die Aussagen von Johann Anton Hellinger, ehemaliger katholischer Pfarrer und Leiter einer Missionsschule in Südafrika (er nennt sich Bert Hellinger nach seinem früheren Ordensnamen Pater Suitbert) ist nicht nur nicht ungefährlich, sondern für jedes Missbrauchsopfer ein furchtbares Gift. Jeder, der schon einmal in ein Buch von ihm geschaut hat, weiß, dass es sich hierbei um einen Mann mit pädophilen Neigungen handelt, der ungehindert sein pädophiles Gedankengut in seinen Büchern verbreitet. Er gilt als die Ikone aller Pädophilen. Meiner persönlichen Meinung nach gehört er ins Gefängnis. Und meine Meinung kann ich ja sagen. Soviel ich weiß, ist es in Deutschland nicht strafbar, pädophiles Gedankengut zu verbreiten. So etwas müsste dringend geändert werden.
Hallo Elke,
ja, es gibt überall schwarze Schafe. Sicher auch bei der Liste, die ich genannt habe. Ich möchte dafür sensibilisieren genau aufzupassen, ob die Therapie wirklich gut tut. Viele Therapeuten haben eigene schwere Traumatisierungen in ihrer Kindheit erlebt und deshalb diesen Beruf ergriffen. Sie haben aber versäumt diese Traumata bei sich selber zu integrieren. Bei einem Trauma trennt sich, spaltet sich ein Teil der „Seele“ aus dem Bewusstsein dauerhaft ab. Diese Abspaltung muss in einer Traumatherapie rückgängig gemacht werden. Diese Arbeit an sich selber fehlt den meisten Therapeuten. Deshalb triggern die Traumata der Klienten auch die Therapeuten und das wiederum merken die Klienten, wenn auch unbewusst und so kommt es häufig zu einer Rollenumkehr. Kurz gesagt: Zwei „Blinde“ können sich nicht gegenseitig helfen. Dies geschieht aber sehr oft in Therapien. Ich selber habe dies 2 x erlebt. Einmal kam es zum sexuellen Missbrauch. In meiner Folgetherapie hat meine Therapeutin nur Mist gemacht, wie mir heute bewusst wurde. Hätte ich den Absprung nicht geschafft würde ich noch heute mit ihr in dieser „unheilvollen Symbiose“ verweilen. Mit Hilfe von Frau Dr. Becker-Fischer und der intensiven Lektüre und Beschäftigung mit dem Wesen des „Traumas“ und täglicher Meditation habe ich es geschafft, dass ich für mich von „Heilung“ sprechen kann. Und dies wünsche ich jedem. Es ist möglich. Nach jahrelangen Fehltherapien, Missbrauchtherapien und falschen Behandlungen in diversen Kliniken und einem absoluten Absturz mit Suizidversuch Alkohol/Tabletten Ende 2007 kann ich heute von „Heilung“ sprechen. Ich, die ich immer Angst vor Menschen hatte, stehe heute mitten im Leben. Ich fühle mich weder schuldig, noch schäme ich mich noch brauche ich mich zu verstecken. Ich habe Klarheit in meinem Kopf und Frieden in meinem Herzen gefunden. Ich lebe nicht mehr in der Vergangenheit und flüchte mich nicht in mehr in Illusionen. Ich habe eine nie gekannte Kraft und Ruhe in mir gefunden. Ich würde das so gerne auch anderen Menschen/Opfern wünschen und ich weis das es möglich ist.
Achtsam sein, wachsam sein. Der inneren Stimme vertrauen, die manchmal nur ganz, ganz leise spricht.
Elvira
Hallo Wilma,
ja das springt einen wirklich an mit der Pädophilie bei Bert Hellinger. Geht mir genauso wie Dir.
Hellinger ist geradezu der „Archetyp“ des Missbrauchers – und verbrämt das mit einer Philosophie, die ein Mischmasch aus Psychotherapie, Esoterik, Sektiererei und Religion darstellt.
Ich stimme Dir zu, dass man zu einem selbsternannten Psychotherapeuten, der dreist und von seiner eigenen Unfehlbarkeit überzeugt, allerlei grundsätzliche Statements über „Schuld“ und „Verstrickung“, „wissende Felder“ und „unausweichliches Schicksal“ in Büchern und auf Veranstaltungen verbreitet klar seine Meinung äußern darf und sollte.
Deshalb tue ich das hier jetzt auch.
Manche Leute sind dabei ja schon auf der Nase gelandet – auch weil hinter „Hellinger“ eine Riesen Geldmaschine steckt.
Erschreckend und bezeichnend finde ich, dass hier durch Übergriffigkeiten erzeugtes menschliches Elend in berechnender Weise benutzt wird, um dadurch Geld zu verdienen, dass man das destruktive, aber menschliche Bedürfnis von Betroffenen ausnutzt, sich selbst zu bestrafen.
Das ist schlichtweg menschenverachtend und passt zu der reaktionären Grundhaltung der „Hellinger-Philosohie“.
Und stellt genau das Gegenteil von „Humanismus“ dar.
Wer sich einen Eindruck verschaffen will – „Gehirnwäsche“ von Frau Reuter ist ein eindrucksvolles, sehr reflektiert geschriebenes Buch.
Ich habe früher mal nach Infos gesucht, die „Pater Suitberts“ Zeit in Südafrika betreffen.
Und erstaunlich wenig gefunden – eigentümlich oder?
Es wäre sicherlich aufschlussreich, einmal mit Menschen zu sprechen, die ihn dort „live“ erlebt haben.
Im übrigen glaube ich, dass ein Teil von Hellingers Faszination, die er ja auch auf „professionelle“ Therapeuten ausgeübt hat und immer noch ausübt, daher rührt, dass er sich in Afrika von traditionellen Heilern abgeguckt hat, wie man archaische Erlebnisse inszeniert und tradierte Bedürfnisse befriedigt.
Allerdings ist es so, dass ein „Heiler“ in Afrika in einem Dorf oder einem Stadtteil ein „Amt“ hat. Wenn er es missbraucht oder sich in Misskredit bringt (z.B. durch Vorteilsnahme), dann verliert er seinen „Job“ und damit seine Einkommensquelle. Insofern wird er immer abwägen zwischen „Macht“ und „Caritas“.
Bert Hellinger hatte das in Europa nicht mehr nötig – da er ja ausreichend von begeistert-unkritischen Therapeuten bejubelt und bewundert wurde und so genug gläubige „Kundschaft“ hatte. Damit war dem Machtmissbrauch Tür und Tor geöffnet.
Ich glaube, dass man der Sache nur wirklich auf die Spur kommt, wenn die ehemals begeisterte Therapeutenseite sich selbstkritisch mit dem Phänomen „Hellinger“ auseinandersetzt.
Er polarisiert, weil er Widersprüche aufdeckt, Dinge, die manche Therapeutenschulen nicht wahrhaben wollen oder nicht ausreichend reflektiert haben.
Zum Beispiel, dass „Gleichberechtigung von Frau und Mann“ gepredigt wird und dann, wenn es unbequem für die männlichen Therapeuten wird (die meistens den Führungsanspruch in Organisationen erheben) aktiviert man die alten „Überlegenheitsmuster“.
Auch hier wirkt sicherlich am besten das bewährte Prinzip „erstmal an die eigene Nase fassen“.
Grüße von
Angelika Oetken, Berlin
Hallo Elke,
Vielen Dank für Deine Anerkennung und Dein Mitgefühl.
Fand Deinen Beitrag sehr erhellend.
Ich wusste nicht, dass es auch „Tieraufstellungen“ gibt. Läuft ja offenbar nach dem gleichen „Macht/Schuldmuster“ wie bei den Familienaufstellungen.
Im Übrigen haben die Familienaufsteller immer Recht – darin ähneln sie den katholischen Priestern.
Denn der „Vertreter Gottes auf Erden“ ist genauso unfehlbar wie das „Schicksal“ und das „wissende Feld“.
Sehr praktisch für den Therapeuten.
Du hast mich dadurch auf eine Idee gebracht.
Werde jetzt mal nach dem Ursprung der „Schuldfrage“ in der Sexualität forschen. „Unschuldige“ Mädchen, „gefallene“ Mädchen, „unschuldige“ Kinder.
Das muss irgendwas miteinander zu tun haben.
Es gibt im Übrigen noch andere, ähnlich reaktionär-übergriffig-autoritär auftretende „Therapiegurus“. Z.B. Frau Jirina Prekop mit ihrer „Festhaltetherapie“ und Fritz Jansen mit seinem „KIT“.
Schlimm, aber nachvollziehbar, dass die soviel Zulauf haben.
Ich habe selbst innerhalb meiner Arbeit einmal mitgekriegt, wie da ein Mädchen, das vom „Stiefvater“ sexuell missbraucht wurde, so „behandelt“ wurde und erst als es „austickte“ und in die Kinder- und Jugendpsychiatrie kam, hat es dort echte Hilfe bekommen.
Entsetzlich!
Das Menschenbild, das hinter diesen „Therapien“ steckt ist krude und sagt viel über die psychische Verfassung der Entwickler und Anwender aus.
Wer sich dafür interessiert – was dahinter steckt, hat Frau Dr. Ute Benz in ihrem Buch „Gewalt gegen Kinder“ zusammengetragen.
Herzliche Grüße von
Angelika Oetken, Berlin
Hallo Elvira,
man müsste das Wort „Heilung“ sicher mal genau definieren, wobei es da bestimmt auch wieder unterschiedliche Definitions- und Interpretationsmöglichkeiten gibt. Meiner bescheidenen Meinung nach hinterlässt jede Krankheit, jede Verletzung und jeder Heilungsprozess Narben, körperlich wie seelisch. Eine hundertprozentige Heilung gibt es nicht. Immer werden uns Spuren an unser Leid erinnern. Ziel einer Therapie sollte doch sein, mit den Erinnerungen und den Narben gut umgehen und leben zu können, und nicht, alles zu verdrängen und vergessen zu wollen. Sagen zu können: „Ich wurde missbraucht!“ ohne dabei zusammenzubrechen. Vielleicht ist es ähnlich wie bei einem Alkoholiker, der immer Alkoholiker bleibt, auch wenn er „trocken“ ist.
Viele Grüße,
Elke
Hallo Angelika, vielen Dank für deinen Beitrag. Was mich am meisten an diesem Typen beunruhigt, ist, dass der sein krankes Innenleben in Büchern verbreiten darf, die eine sehr hohe Auflage haben und dass das nicht gesetzlich verboten ist. Dass du im Internet nichts gefunden hast über den wundert mich nicht. Man kann Einträge löschen lassen. Das hat er bestimmt getan. Von Therapeutenseite haben sich bereits viele von dem distanziert. Wer nicht weiß, was dieser Mann von sich gibt, hier ein Link von der Internetseite von Andrew Vacchs, einem New Yorker Anwalt und engagierten Kinderschützer, der Missbrauchsopfer vor Gericht vertritt.
http://www.vachss.de/mission/berichterstattung/
hellinger.html
Warum ist es nicht gesetzlich verboten, in Büchern einen solch ungeheuerlichen Mist zu verbreiten?
Wir sollten ihm einen gemeinsamen Fußtritt ins Jenseits verabreichen!!!!
Hallo Elke,
das hast du sehr schön geschrieben. Ja, sagen zu können ich wurde missbraucht und dabei nicht mehr zusammenzubrechen.
Aufrecht stehen können!
Den Missbauch (das Trauma) mit allem was dazugehört als Teil des eigenen Lebens annehmen. Alles integrieren.
Vor allem seelische Schmerzen einfach da sein lassen, wenn sie kommen. Es ist wie eine Hingabe an das Leben.
Den Schmerz nicht mehr abweisen, sondern liebevoll umarmen, wenn er anklopft.
Mit sich selber liebevoll sein, wenn der Schmerz kommt. Den Schmerz einfach da sein lassen. Evtl. hinlegen, evtl. einen Tee kochen, Musik hören.
So fühlt der Schmerz sich angenommen und er wird immer weniger. Du brauchst keine Angst mehr zu haben.
Er löst sich mit der Zeit auf. Die Wunden können heilen.
In der liebevollen Annahme des „Traumas“ verwandelt es sich. Die Natur macht das selber. Es ist ein Prozess.
Ein Heilungsprozess für den wir uns bewusst entscheiden können.
Hilfreich ist es, wenn der Schmerz kommt, im „Jetzt“ zu bleiben. Schau dich in dem Raum um, wo du bist, du bist in Sicherheit.
Es kann nichts passieren.
Nun gebe dem Schmerz keine Nahrung mehr in dem du in Gedanken in die Vergangenheit eintauchst. Bleibe bei deinem Schmerz und fühle ihn einfach.
Der Schmerz wird sich mit der Zeit verwandeln. Es wird immer weniger und du bekommst immer mehr Kraft und Stärke. Und dann kommt der Zeitpunkt wo du sagen kannst:
Ich wurde missbraucht. Es ist ein Teil meiner Geschichte. Diese Geschichte ist nichts besonderes, sie ist im Wesentlichen so wie die Missbrauchsgeschichten meiner Mitmenschen:
Die tiefe Verletzung hat meine Seele fast getötet.
In mir ist aber eine unglaubliche Kraft, die trotz allem leben will. Lebenskraft.
Ich habe dieser Kraft in mir vertraut. Ich habe mich selber geheilt und dafür habe ich mir Hilfe geholt.
Tief in meinem Inneren, weis ich, was mir gut tut.
Ich habe einen großen Berg bestiegen, aus eigener Kraft.
Ich kann jetzt aufrecht stehen und jedem in die Augen sehen.
Herzliche Grüße
Elvira