Können Sie mir sagen, ob die Verjährungsfrist von 30 Jahren (BGB Bürgerliches Gesetzbuch § 825 Bestimmung zu sexuellen Handlungen) generell zutrifft?
Denn aus folgender Definition geht das nicht eindeutig hervor:
„Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen…“
Hier wird von „Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit“ gesprochen. Wenn der Körper verletzt wird, ist doch automatisch die Gesundheit betroffen. Wie ist das zu verstehen? In welche Kategorie sind die seelischen Verletzungen einzuordnen? Warum hat man sie hier nicht benannt?

Antwort von Alexandra Ehlert

Für die Definition von Gesundheit aus §825 BGB wird analog der strafrechtliche Gesundheitsbegriff aus § 223 StGB herangezogen. „Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines zumindest – vorübergehenden pathologischen – Zustandes“  vgl. Sch-Sch-Eser, § 223 Rn. 5; Tröndle/Fischer, § 223 Rn. 6
Nun ist es mittlerweile anerkannt (spätestens seit Robert Enke, siehe auch
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,660966,00.html),
dass Depression keine seelische Erkrankung, sondern eine pathalogische Erkrankung ist:
„Viele Menschen in unserer westlichen Welt leben eine “normale Depression”, nämlich die Übung das Leben auszuhalten, anstatt es radikal, mit Hingabe und leidenschaftlich zu leben. Zur eigentlichen “pathologischen Depression” kommt es, wenn eine vielfältige emotionale (Traurigkeit…), kognitive (Grübeln, Konzentrationsmangel…), motorische (Antriebslosigkeit, Unruhe…) und vegetative (Schlaf- oder Appetitlosigkeit, Libidoverlust…) Symptomatik zusammenkommt. Die Ursache ist unbekannt und man geht von einer multikausalen Entstehung aus.“
http://www.jameda.de/blog/psychische-erkrankungen/depression-volkskrankheit-des-21-jahrhunderts/
oder…
„Bei der pathologischen depressiven Reaktion aber kommen zusätzliche Merkmale hinzu. Die Stimmungslage ist nicht mit Traurigkeit gleichzusetzen, sondern sie entspricht vielmehr einem „leeren Gefühl“, Missmut oder Dysphorie. Hinzu kommt u. a. die Tendenz zu Selbstvorwürfen und Insuffizienzgefühle, ängstliches Anklammerungsverhalten sowie Schlafstörungen, Appetitlosigkeit und andere vegetative Erscheinungen sowie eine latente oder manifeste Suizidalität.
http://www.btonline.de/index.html?/krankheiten/depressionen/depressionen02.html
Damit ist die Depression eine pathologische Erkrankung und stellt eine Gesundheitsverletzung dar. Aber jetzt wird es schwierig: Nun muss die Kausalität zwischen Verletzungshandlung und Gesundheitsverletzung einwandfrei bewiesen werden.
In der Wissenschaft wird auf vielfältige Ursachen für Depression verwiesen, natürlich auch auf traumatische Erfahrungen. Aber genauso werden Vererbung und aktuell die Epigenetik als Ursache für Depressionen herangezogen. Es gibt auch Studien, die aufzeigen, dass nicht alle von sexuellem Missbrauch Betroffenen an einer Depression erkranken. Solche beispielhaften Fälle würden vor Gericht herangezogen werden, um die Täter zu schützen. Damit wäre die Kausalität zwischen sexuellem Missbrauch und einer daraus entstandenen Depression nicht zweifelsfrei bewiesen.
Ich denke jetzt bewusst wie ein Richter, denn welcher Richter hätte den Mut, solch einen Präzedenzfall in Deutschland zu entscheiden, wie 2008 in England
http://www.welt.de/vermischtes/article1621379/Opfer_darf_Lottogewinn_von_Sextaeter_einklagen.html
Für uns ist natürlich die Kausalität gegeben und ich will nicht sagen, dass wir vor Gericht keinen Erfolg haben könnten. Aber wir bräuchten viel Geld für Gutachten und einen langen Atem durch die Instanzen.
Möglicherweise haben in den nächsten Jahren auch die Krankenkassen und sogar die Regierung ein Interesse an der Abschaffung der Verjährungsfrist bzw. der Bejahung der Kausalität. Ganz einfach weil dann die Verursacher für die Therapiekosten und Erwerbsunfähigkeit zahlen müssten.

Alexandra Ehlert

Systemische Beraterin & Volljuristin
„Beratung für manipulierte und missbrauchte Menschen!“

www.alexandra-ehlert.de