Kindheitstraumen fordern lebenslang Tribut
Genaktivität lässt Stresshormone außer Kontrolle geraten
Nie ist die Seele so empfindlich wie als kleines Kind
München (pte/10.11.2009/06:10) – Wer als Kleinkind extremen Stress oder Traumen erlebt hat, ist später eher von Depressionen oder Angststörungen betroffen. Warum das so ist, berichten Forscher vom Münchner Max-Planck-Institut für Psychiatrie http://www.mpipsykl.mpg.de in der Fachzeitschrift „Nature Neuroscience“. „Ein Teil derjenigen, die an psychischen Störungen leiden, erlebte Schlimmes in der Kindheit. Auch wenn sich nicht aus jedem frühen Trauma später eine Krankheit entwickelt, steigt die Wahrscheinlichkeit dafür“, so Studienleiter Dietmar Spengler im pressetext-Interview. Im Mausversuch konnte der Mechanismus nun geklärt werden, wie psychische Belastungen die Genaktivität und Stressbereitschaft dauerhaft verändern können.
Dazu trennten die Forscher neugeborene Mäuse für drei Stunden von ihrer Mutter, und zwar an zehn Folgetagen. „Das löste einen rein psychischen Stress aus, während die Nahrungsaufnahme durch die relativ kurzen Abwesenheiten nicht beeinträchtigt wurde“, berichtet Spengler. Ein DNA-Test zeigte später, dass den Mäusen chemische Markierungen, sogenannte Methylgruppen, in einem regulatorischen Abschnitt des Vasopressin-Gens fehlten, die gewöhnlich die Produktion des Eiweißmoleküls Vasopressin im Gehirn hemmen. In Folge wurde dieses Stresshormon ständig weiterproduziert, was sowohl Emotionen, Gedächtnis als auch den Antrieb der Tierchen störte. Die Mäuse kamen ihr ganzes Leben lang kaum mit Stresssituationen zurecht.
Zeitfenster nach Geburt entscheidet
In der Zeit nach der Geburt sind Tier und Mensch für extreme Veränderungen der Umwelt und soziale Belastungen besonders empfindlich, erklärt der Neurowissenschaftler. „Beim Embryo ist die Empfänglichkeit am höchsten, da sich die Gehirnzellen noch teilen. Ab der Geburt ist dieser Vorgang in vielen Gehirngebieten bereits abgeschlossen. Allerdings sind diese Zellen noch außerordentlich plastisch und reifen weiter.“ Je jünger Menschen sind, desto eher kann sich das Gehirn an drastische Änderungen der Umwelt anpassen und hierdurch lang anhaltend geprägt werden, während alte Menschen viel mehr Mühe haben, neue Anforderungen in den Alltag zu integrieren.
Erklärbar sei diese frühkindliche Prägung durch die Anpassung des Gehirns. „Die Abwesenheit der Mäusemutter kann man in der Natur mit schwierigen Umweltbedingungen vergleichen, wenn es etwa viele Katzen oder wenig Futter in der Nähe gibt. Die Mäuse werden so schon früh auf diese Bedingungen sensibilisiert und reagieren später ängstlicher, was ihre Überlebenschance vermutlich steigert“, so Spengler.
Traumabehandlung möglichst früh ansetzen
Entscheidend ist die Frage, ob nach einem frühkindlichen Trauma langfristige Folgen noch abgewandt werden können. „Das ist bei Mäusen am ehesten in der Frühphase der Fall, wenn sich Veränderungen auf die durch den Stress ausgelösten Nervenaktivitäten beschränken. Eingreifen kann man etwa durch vermehrte Fürsorge oder eine besonders weiche Ausstattung des Käfigs“, so Spengler. Dauere das Traumaerlebnis aber über Wochen an, würden die veränderten Nervenaktivitäten in langanhaltende Veränderungen von DNA-Abschnitten umgesetzt. Hierdurch werden traumatischen Erfahrungen gewissermaßen eingraviert und bilden ein äußerst stabiles zelluläres Gedächtnis. Dabei verschwinden Methylgruppen und langfristige Erinnerungsspuren bleiben in der DNA eingezeichnet.
Für die klinische Praxis beim Menschen bedeute das, dass Kinder bei Traumen wie etwa Missbrauch oder Vernachlässigung möglichst bald psychotherapeutische Hilfe erhalten sollten, in besonders schlimmen Fällen auch medikamentöse Behandlung. „Wenn man abwartet, bis in der Schule Lern- und Verhaltensstörungen auftreten, oder psychische Krankheiten im Erwachsenenalter, wird die Behandlung weit schwieriger“, betont der Münchner Neurowissenschaftler gegenüber pressetext.
Abstract und Originalartikel unter:
http://www.nature.com/neuro/journal/vaop/ncurrent/abs/nn.2436.html
Aussender: pressetext.deutschland
http://www.pressetext.de/news/091110004/kindheitstraumen-fordern-lebenslang-tribut/
Hey Leute, hallo lieber Norbert,
Ich bin 38 Jahre, habe nun meinen 2. Suizidversuch hinter mir. Weil ich es nicht ertragen habe, mich alles auffrisst. War nun ca. 5 Wochen im Krankenhaus. Ab 24.11. beginnt endlich meine Reha-Traumatherapie, worüber ich mich zum einen freue, aber auch Angst davor habe, alles erzählen, preisgeben, Widererleben… aber ich ziehe das durch. Mein 13 jähriger Sohn ist mittlerweile ein Vorbild. Er hat es auch geschafft. Ich erhoffe mir keine „Hirnamnesie“, aber lernen, es besser ertragen zu können.
Norbert, Sie wissen, dass auch ich in der Öffentlichkeit zu tun habe. Ich würde ihr Forum gern verlinken, um mehr Aufmerksamkeit auf Sie und Ihre Petition zu bringen. Bitte melden Sie sich mal bei mir.
Danke und für Euch anderen viel Kraft für alles.
Eure Peggy Jansen
Hallo Peggy,
wenn Sie in eine spezialisierte Reha gehen, brauchen Sie keine Angst davor zu haben, dass Sie genötigt werden „alles“ preiszugeben oder man von Ihnen verlangen wird, etwas wiederzuerleben, was Sie nicht wiedererleben wollen.
Gerade das wäre absolut kontraproduktiv.
In einer guten Traumatherapie geht es darum, dass Sie wieder Kontrolle über Ihre Gedanken und Erinnerungen erlangen. Und auch Kontrolle über Ihr Leben – soweit das möglich ist.
Eine „Hirnamnesie“ kann ebenfalls nicht Ziel einer Therapie sein.
Das problematische an Therapie für den, der therapiert wird ist vielmehr, dass Ambivalenzen im Erleben aufkommen könnten. Gerade die Ambivalenzen verursachen Leid. Sich mit ihnen zu beschäftigen, fördert auch Seiten in einem selbst zutage, die man im ersten Moment nicht mag. Gerade die abzuwehren kostet viel Kraft und ist letztendlich häufig das, was krank macht. Wut, Ärger, Schuld, Scham…. Alles Dinge, die jemand von außen in einen selbst hineingetragen hat…
Und es kann schmerzhaft sein, von „alten“ Überzeugungen Abschied zu nehmen. Gerade was „Schuld“ und „Verantwortung“ angeht. Es kann auch sein, dass Sie zu der Erkenntnis kommen, dass Sie Ihr Verhältnis zu Ihrem immerhin noch minderjährigen Sohn neu verorten sollten.
Das Anstrendende an einer solchen Reha ist, dass man in kurzer Zeit soviel Neues, Unerwartetes bei sich selbst entdeckt.
Ich wünsche Ihnen und Ihrem Sohn, dass Sie einen guten Weg finden!
Angelika Oetken, Berlin
Liebe Angelika,
danke für die netten Zeilen. Was mich sehr bedrückt, sind Schuldgefühle. Auch wenn ich weiß, dass ich nicht schuldig bin, fühlt man sich als Mutter doch verantwortlich. Dazu kommt, dass wir durch das Urteil vom Freispruch für den Angeklagten (2. Instanz) stets jeden Schritt „beweisen“ wollen/müssen, als würden wir eh unglaubwürdig dargestellt. Das dritte ist, die Angst loszulassen meiner Kinder. Timon wird bald 14, hat Freunde, mit denen er zusammen Freizeit gestaltet. Meine Angst, dass es erneut passieren könnte (Täter zeigte trotz vieler Umzüge stets Präsents), ich es wieder nicht „verhindern“ kann.
Wegen der Therapie (ich), war noch nie zur Traumatherapie, mir ist schon bewusst was auf mich zukommen wird, zumal es grad in dieser „Jubiläumszeit“ nun liegt. Zusätzliche Belastung also. Ich kann sicher nicht alles be/verarbeiten, dazu wären Monate/Jahre erforderlich. Aber ein Teil hoffe ich zu meistern. lg.
Liebe Peggy,
Sie handeln doch verantwortungsvoll, wenn Sie sich für sich Hilfe holen und darüber hinaus versuchen, den Täter ins Gefängnis zu bekommen.
Das ist mehr, als viele andere Eltern tun – viel mehr.
Nicht wenige verleugnen, was die Kinder Ihnen erzählen, um sich eben diesen negativen Gedanken (Schuldgefühle) nicht auszusetzen oder weil sie unbewusst für ihr Kind dieselbe Situation herbeiführen, in der sie selbst mal gesteckt haben. Weil das das eigene Unglück offenbar schmälert- nivelliert (Dein Leid halbiert mein Leid ist zwar mathematisch nicht korrekt – aber einige Menschen empfinden so)
Kommt leider häufig vor. Außenstehende/nicht-Betroffene können das nicht nachvollziehen.
Ich habe es selbst in der Kindheit so erlebt, erlebe es bei Menschen, mit denen ich beruflich zu tun habe und weiß, dass Menschen leider so gestrickt sein können.
Wenn Ihr Sohn schon 14 ist und gute Freunde hat, kann das ein verlässlicher Schutz sein.
Warten Sie noch ein Jahr – mancher 15jährige verfügt über die Kräfte und das Erscheinungsbild eines ausgewachsenen Mannes.
Falls Ihr Sohn offen mit dem, was geschehen ist, umgehen kann und seine Freunde echte Freunde sind, kann auch ein gemeinsamer „Motivationsbesuch“ einer Horde wilder junger Männer dazu führen, dass so ein feiger Täter verschwindet.
Falls die Polizei kommt – die Jungs sagen, dass sie belästigt wurden. Es gibt ja schon Anzeigen deshalb oder?
Oft ist so jemand selbst mal Opfer gewesen. Er wird Angst bekommen. Klar.
Für den Täter tragen Sie keine Verantwortung. Die Jugendlichen auch nicht. Wenn er eins aufs Dach bekommt, dann hat er das ja selbst provoziert. Er scheint sich seiner Sache ja sehr sicher zu sein.
Falls Ihr Sohn insgeheim die Aufmerksamkeit des Täters genießt – ist leider manchmal so – dann könnten Sie mal überlegen, ob Sie so eine Art „Paten“ für ihn suchen.
Das kann jemand sein, der das ehrenamtlich macht, jemand aus dem Bekanntenkreis oder von einem PC-Club, Schraubertreff oder Jugendclub.
Das wirkt manchmal Wunder.
Alles Gute !
Angelika Oetken, Berlin