ZDF aspekte
Reise in Abgründe einer Familie
Berührender Dokumentarfilm über Kindesmissbrauch
Februar 96. Mechthild Schmitt kämmt sich die Haare und macht sich zurecht. Sie schluckt Tabletten und stirbt qualvoll. Die Familie ist erschüttert. Fragen stellt niemand. Nur Jan, dem jüngsten Sohn, lässt der Tod der Mutter keine Ruhe. Warum hat sie sich mit 53 Jahren vergiftet?
„Das war erstmal ein Riesenschock, dass sie sich das Leben genommen hat,“ erinnert er sich, „ich habe nichts geahnt. Ich bin völlig aus allen Wolken gefallen. Ich bin dann zu ihrem Haus gefahren und da war alles hingelegt, regelrecht bereitgelegt: schau, das ist mein Leben, da in den Tagebüchern, da steht alles drinnen.“
Wo war die Familie?
Jan Schmitt begibt sich auf die Reise. Er spricht mit den Schwestern seiner Mutter, mit Freundinnen von ihr. Er liest Briefe und Akten. Seine Mutter ist in einem Waisenhaus gewesen? Davon hatte sie nie erzählt. Sie hatte doch Eltern! Mechthild sei hysterisch, hemmungslos, anhaltend nervös, heißt es im Entwicklungsbericht des Heims. Mechthild hat Tabletten genommen, ihr musste der Magen ausgepumpt werden, steht da. Und: „Mechthild will nicht nach Hause.“
Warum das so war, schreibt sie kurz vor ihrem Tod in einem Brief an ihre Schwester: „Wo war meine Familie, als ich im Kinderzimmer lag und Pater K. mit seinem Gewicht auf mir, seinen Schwanz zwischen meine Beine steckte und später auch dorthin, wo er eigentlich hingehört? Meine Familie saß in der Küche und freute sich, dass er da war, weil dann eine Atempause in unserer Hölle möglich war.“
Schwanger mit 14 und 16 Jahren
Mechthilds Eltern verstehen sich nicht sonderlich gut. „Es wurde eigentlich ein bisschen als Hölle empfunden, die ewigen Streitereien zwischen den Eltern,“ hat Jan herausgefunden. „Als der Pater ins Haus kam – und die Vermutung liegt nahe, dass meine Großmutter sogar ein Verhältnis mit ihm hatte -, war die Stimmung immer gut in der Familie. Dann ging es allen gut, man hat viel gelacht und es wirkt so, als ob meine Mutter für die gute Stimmung im Haus geopfert wurde.“
Petition
Jan Schmitt unterstützt eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen die zehnjährigeVerjährungsfrist bei Vergehen wie Kindesmissbrauch und sexuelle Gewaltverbrechen.
Mechthild ist neun, als Pater K. sie zum ersten Mal missbraucht. Zehn Jahre lang kommt er immer wieder. Mit 14 bekommt sie ein Kind vom ihm, eine Totgeburt. Mit 16 ein weiteres. Es wird zur Adoption freigegeben. Doch selbst danach, als sie schon im Heim ist, hört es nicht auf. Deswegen will Mechthild nicht nach Hause, nicht einmal in den Ferien. Jan Schmitt macht Pater K. ausfindig. Er lebt! In einem Seniorenheim. Obwohl er 92 ist, kann er sich gut an Mechthild erinnern. „Hoffentlich,“ sagt er, „hat sie sich nicht meinetwegen umgebracht, hoffentlich war ich daran nicht beteiligt!“
Kirche deckelt Missbrauch
„Erschütternd für mich,“ so Schmitt, „ist der Umstand, dass er mir am Ende mit dem Daumen ein Kreuz auf die Stirn machte und sagte, er wird meine Mutter im Himmel wiedersehen. Wie kann er glauben, dass er in den Himmel kommt, mit so einer Geschichte? Und da ist mir wieder klar geworden: Schon wieder sind es die kirchlichen Instrumente, die missbraucht werden, um den Missbrauch weiter zu deckeln, das Schweigen weiter aufrecht zu erhalten. Da bin ich, sozusagen als weitere Generation, mit in das Schweigen gebunden worden durch das Kreuz auf meiner Stirn.“
Film Kino Text
Wenn einer von uns
stirbt, geh‘ ich nach Paris
Dokumentation
Deutschland 2007
Regie und Drehbuch: Jan Schmitt
Erzählstimmen: August Diehl und Suzanne von Borsody
Kinostart: 19.11.2009
Scham, Schuldgefühle, Selbstmordgedanken, oft ein Leben lang. Jans Mutter ist kein Einzelfall. Alle zwei Minuten, schätzt das BKA, wird in Deutschland ein Kind missbraucht. Die meisten Fälle kommen nie ans Licht. Und wenn doch? Der Gesetzgeber schützt die Täter, meint Jan Schmitt: „Es dauert Jahrzehnte, bis ein Opfer sexueller Gewalt überhaupt von dieser Geschichte loskommt, wieder auf die Beine kommt. Es dauert Jahrzehnte! Und deswegen ist es so absurd, dass es in Deutschland eine Verjährungsfrist gibt, die genau nach 10 Jahren endet.“
Schreckliches Familiengeheimnis
Schmitts Mutter wählte den Freitod. Aber sie war nicht frei. Sie war getrieben von ihrer Vergangenheit. Der bewegende Dokumentarfilm ihres Sohnes zeigt den Schmerz, an dem sie zeitlebens litt, und ist zugleich ein eindringliches Plädoyer hinzuschauen.
von Anna Bernard
Quelle:
http://aspekte.zdf.de/ZDFde/inhalt/28/0,1872,7923036,00.html
Ich habe den Filmbericht gesehen und bin selbst ein Missbrauchsopfer. Vor 5o Jahren begann mein Martyrium und es wird erst beendet sein, wenn mein Stiefvater tot ist. Kurz vor dem qualvollen Krebstod meiner Mutter hat mein Stiefvater mir einen Heiratsantrag gemacht, angeblich mit dem Ziel, mich finanziell abzusichern. Tatsächlich ging es darum, ihn abzusichern, da meine Mutter und er ein gemeinsames Testament zu meinen Gunsten gemacht hatten. Mein Stiefvater stellte mir das Ultimatum, ihn zu heiraten oder nur noch über Anwälte zu kommunizieren. Da ich ihn nicht geehelicht habe, überzieht er mich jetzt mit Prozessen, dass gemeinsame Haus betreffend. Da er dabei kürzlich gewonnen hat und ich nicht genug Geld hatte, alle vom Gericht auferlegten Summen, seine neue Heizung betreffend zu bezahlen, lässt er jetzt mein Ruhegehalt pfänden, das schon ohnehin niedrig ist. Auch die Frühpensionierung ist eine Folge des Missbrauchs. Da sich meine Muskeln durch die Daueranspannung des jahrelangen Missbrauchs, zusammen mit meiner Mutter in einem Bett, nicht mehr entspannen, leide ich an einer Muskelfasersehnenerkrankung namens Fibromyalgie.
Ich schreibe Ihnen, um Leser dazu aufzurufen, sich mit den Opfern SOLIDARISCH zu erklären und dafür zu kämpfen, dass Missbrauch NIE VERJÄHRT !!!!!!
@Felicitas
Unglaublich, was du da erlebt hast/erlebst.
Unglaublich auch, dass unser Staatssytem offensichtlich Nichts vorsieht, diesem unglaublichen Miss-Stand hinreichend entgegenzuwirken, sondern stattdessen das Opfer am Ende sogar noch zusätzlich belastet.
Meiner Meinung nach müsste Dein „Stiefvater“ wegen unsittlicher Erpressung „sitzen“.
Aber auch hier ist die Beweislage wohl schwierig.
Wenn ich bedenke, dass ER seine Unwesensart auch aller Wahrscheinlichkeit nach noch woanders betreibt oder fortführt, so ist das um so entsetzlicher.
Wann hat sowas denn endlich mal ein Ende???
Warum gibt es sowas überhaupt noch?
Ja, und wenn das Gesetz nichts anderes hergibt, als ein solches Resultat, dann muss es doch wohl ganz zwangsläufig geändert werden.
Und das nicht erst in 10 Jahren……
Liebe Felicitas,
eine äußerst tragische Entwicklung, sehr ungerecht das Ganze.
Ich kenne einige Leute, die an Fibromyalgie leiden und meistens sind Misshandlungen und/oder Missbrauch eine der Ursachen.
Rein juristisch und formal werden Sie da wohl nicht viel erreichen können.
Aber Sie können anfangen, berechtigte Aggressionen aufzubauen und statt gegen sich (Ihren Körper) gegen den Verursacher richten. Das ist gesund.
Manchmal hilft das bei chronischen Schmerzen. Denn die Stresshormone werden effektiv abgebaut, Serotonin vermehrt ausgeschüttet – jedenfalls als Langzeitwirkung.
Unter der Voraussetzung, dass Sie emotionale Distanz zu Ihrem Stiefvater und Ihrer verstorbenen Mutter gewinnen konnten und dass Sie gute, verlässliche und belastbare Freundinnen haben, ließe sich noch was machen.
Nur mal so ins Blaue gedacht :
Sie möchten nicht auch noch für diesen Mann zahlen oder?
Sie erkennen ihn als schuldig an und empfinden kein unangemessenes Mitgefühl für ihn(er wird den Kriegsjahrgängen angehören und sicherlich entsprechende psychische und charakterliche Schäden davongetragen haben, nehme ich stark an).
Sie schämen sich, so wie es alle Missbrauchsopfer tun, weil sie durch die erzwungene Sexualität beschämt wurden, fühlen sich aber nicht mehr schuldig.
Sie erkennen, dass auch Ihre Mutter falsch gehandelt hat (sie hat zugelassen, dass der Mann Sie missbraucht und ist bei ihm geblieben – sie hat Sie nicht geschützt).
Falls das alles zutreffen sollte, könnten Sie Folgendes tun:
Sie informieren sich über die Vergangenheit Ihres Stiefvaters (Kindheit, Jugend, Kriegs- und Nachkriegserlebnisse – Sie werden mit Sicherheit fündig – Übergriffe während der Kindheit, z.B. in der HJ, emotionale Verwahrlosung, charakterliche Verwahrlosung während des Krieges….)
Sie können sich eine eigene Wohnung nicht mehr leisten, da die Kosten für die Investitionen in das Haus, das Ihnen zum Teil ja mitgehört Ihre Möglichkeiten übersteigen.
Deshalb werden Sie zusammen mit zwei guten FreundInnen in das Haus, das Ihr Stiefvater jetzt bewohnt einziehen.
Der arme alte Mann ist einsam, deshalb werden Sie und Ihre FreundInnen sich häufig (täglich) mit ihm unterhalten. Vor allem über Ihre eigene Kindheit, dass Sie als sexueller Stellvertreter für Ihre Mutter herhalten mussten und die beiden Erwachsenen sich damals nicht entblödet haben, Sie derart zu quälen und zu misshandeln. Falls Ihr Stiefvater droht, leugnet oder flüchtet, werden Sie sich lauthals und ausgiebig mit Ihren FreundInnen weiter über dieses Thema unterhalten.
Demonstrativ, denn Sie wollen ihm ja die Möglichkeit geben, zu bereuen und mit sich ins Reine zu kommen – oder??? !!!
Falls er sich vor Ihnen zurückzieht, sich einschließt, nicht blicken lässt, werden Sie besorgt seinen Hausarzt anrufen, falls Sie ihn länger nicht sehen, die Feuerwehr.
Immer mit dem Hinweis darauf, dass er alt und einsam ist und Sie extra deshalb zu ihm gezogen sind, damit er nicht so allein ist und ihm nichts zustößt. Ihre FreundInnen werden das freundlich bestätigen und Ihnen beipflichten.
Falls Ihr Stiefvater nach einiger Zeit Ihrer gemeinsamen intensiven Fürsorge und Anteilnahme aggressiv oder sonst wie „herausfordernd“ reagiert (so ist der psychiatrische Fachausdruck) werden Sie einen Notarzt rufen und Ihm von den psychischen Abweichungen Ihres Stiefvaters berichtet (Kriegserlebnisse, später charakterlich auffällig, „na und jetzt, ich mach mir Sorgen, er regt sich sonst nicht so auf, es wird immer schlimmer, wissen Sie, manchmal ist er auch ganz versunken, steht nachts auf und geistert herum, ich mag nicht mehr mit ihm allein sein, wissen Sie, ich bin selbst krank – Weichteilrheuma, schon seit Jahren….“.
Ihre FreundInnen pflichten Ihnen kopfnickend mit besorgtem Blick bei.
Ihr Stiefvater wird spätestens jetzt einen Anfall von Bluthochdruck bekommen. Deshalb ist es gut, wenn der Notarzt ihn ins Krankenhaus bringt. Am besten in eine gerontopsychiatrische Abteilung.
Fragen Sie ihn einfach. Oder machen Sie einen Vorschlag. Natürlich haben Sie sich rechtzeitig über die Krankenhäuser in der Nähe mit gerontopsychiatrischer Abteilung informiert – besorgt und umsichtig wie Sie sind.
Sie als seine nächst erreichbare Angehörige gehen natürlich – mit Ihren FreundInnen- sofort dahin und sprechen mit dem Arzt und dem Sozialdienst.
Sie wissen schon – wie schlecht es Ihrem Stiefvater geht und dass er ganz schön belastet ist. Er sorgt nicht mehr für sich, wer weiß, ob er regelmäßig trinkt und isst. Seine Tabletten nimmt er auch nicht immer…
Ein paar Tage wird man ihn dort behalten.
Sobald man ihn entlässt – falls er im Krankenhaus nicht eine Schwächeattacke erlitten hat, ein Aufenthalt in der Gerontopsychiatrie ist nämlich belastend – geht Ihre Fürsorge natürlich umso intensiver weiter. Evtl. haben Sie sich auch Verstärkung und weitere Unterstützung durch einen Pflegedienst oder weitere FreundInnen geholt, die regelmäßig mit Ihnen und dem armen alten Herrn den Tag verbringen.
Und das Gute – Sie verhalten sich vollkommen korrekt.
Der arme alte Mann – rührend, wie die Stieftochter sich kümmert.
Er war so ein toller Vater, deshalb revanchieren Sie sich jetzt entsprechend.
Ein Tipp: Das erfahrene Personal in der Gerontopsychiatrie weiß genau, was Sache ist. Die stehen unter Schweigepflicht und Sie können Ihnen reinen Wein einschenken.
Eine Verleumdungsklage wird deshalb auf keinen Fall erhoben.
Evtl. betrachten die Fachleute in der Psychiatrie Ihren Stiefvater dann intensiver, wahrscheinlich findet man bei ihm hinter seiner Fassade auch jede Menge psychiatrischer Symptome.
Entweder hilft die Biologie Ihnen dann Ihr Problem zu lösen (ich weiß ja nicht wie gesund er ist) oder er wird unter Betreuung gestellt. Was dann mit dem Haus ist (seinen Anteil vermieten/Haus verkaufen und Sie auszahlen?) weiß ich nicht, aber da kann Ihnen ein Anwalt helfen – oder eine Beratungsstelle (die auch Sachen der Pflegekassen regelt).
Falls Sie das wirklich so in Angriff nehmen – tun Sie sich regelmäßig was Gutes – Cafe, Schwimmen, spazieren gehen… was auch immer.
Und ganz wichtig – machen Sie sich mit Ihren FreundInnen zusammen über die Situation lustig. Die aktuelle, nicht die Vergangenheit. Lachen hilft! Und entlastet.
Alles erdenklich Gute, egal was noch kommt wünscht
Angelika Oetken, Berlin