Affäre in Rummelsberg: Wusste Landeskirche von den Vorgängen? – Kritik an angeblich hoher Abfindung

RUMMELSBERG – Missbrauchs-Opfer des einstigen Chefs der Rummelsberger Anstalten, Karl Heinz Bierlein, sind empört über angebliche Pläne der evangelischen Landeskirche, an ihren früheren Chef eine hohe Summe zu zahlen. Zwei Jahre nach den Taten schildern junge Diakone ein «perfides System sexueller Belästigung».

Das jetzt bekannt gewordene Vorhaben des Münchner Landeskirchenamtes, sich mit der Zahlung von bis zu 300.000 Euro an Bierlein still aus der Affäre zu ziehen, kritisieren junge Diakone heftig.

Gehalt wird bis heute gezahlt

Bierlein, bis dahin ein mächtiger Spitzen-Repräsentant der deutschen Diakonie, hatte im Dezember 2007 seinen sofortigen Rücktritt erklärt, nachdem Diakonen-Schüler die Vorgänge in Rummelsberg bei der Polizei angezeigt hatten. Die Landeskirche verbot ihm, sein Amt als Pfarrer weiter auszuüben, zahlt ihm aber bis heute ein – reduziertes – Gehalt.

Ein halbes Jahr später akzeptierte der heute 58-jährige Bierlein einen Strafbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung über eine elfmonatige Bewährungsstrafe und eine Geldbuße in Höhe von 10.000 Euro. Er ist damit vorbestraft. Der Fall hatte tiefe Bestürzung ausgelöst.

Körperliche Misshandlungen

In der Gerichtsentscheidung heißt es, der prominente Diakonie-Manager habe sich «unter dem Vorwand, einen Test zum Thema ,Autorität‘, ,Körper‘ oder ,Schmerzgrenzen‘ durchzuführen, von den jungen Männern die Einwilligung zu körperlichen Misshandlungen erschlichen». Die angeblichen wissenschaftlichen Experimente dienten, so die Justiz, Bierlein aber «ausschließlich dazu, sich sexuell zu erregen oder homosexuelle Phantasien zu befriedigen».

Der frühere Chef in Rummelsberg, einst Herr in einem Sozial-Konzern über 6000 Beschäftigte, hatte stets nur ein «seelsorgerliches Versagen» gegenüber seinen Untergebenen eingeräumt. Von einem Schuldeingeständnis ist er weit entfernt. Heute ist Karl Heinz Bierlein wieder in ähnlicher Position in einem großen diakonischen Werk mit Sitz im Rheinland tätig, das Heime in mehreren Bundesländern betreibt.

Seine Opfer und hochrangige Verantwortliche der Rummelsberger Diakonen-Brüderschaft haben jetzt erfahren, dass das Landeskirchenamt in München Bierlein eine hohe Abfindung bezahlen will. Im Gegenzug soll sein Dienstverhältnis mit der Landeskirche für beendet erklärt werden. Ein kirchliches Disziplinarverfahren, das derzeit läuft, wäre damit vom Tisch.

«Alles vertraulich»

«Es gab schon Gespräche in München, an denen Bierlein, Landesbischof Johannes Friedrich und hohe Vertreter der Rummelsberger Brüderschaft teilgenommen haben», sagte ein Insider, «die Pläne sind bis in juristische Details ausgearbeitet. Der Fall soll jetzt offensichtlich still und leise aus der Welt geschafft werden.» Man habe schon überlegt, aus welchem Titel im Kirchen-Haushalt die Mittel abgezweigt werden können.

Johannes Minkus, Sprecher der Landeskirche, wollte sich wegen des noch «laufenden Verfahrens» dazu nicht äußern. Auch zu Angaben von Opfern, die Kirche habe Hilferufe ignoriert, längst bevor der Skandal durch die polizeilichen Ermittlungen bundesweite Empörung ausgelöst hatte, wollte Minkus nichts sagen. «Das ist alles vertraulich.»

«Wir können da nichts machen»

Gegenüber den NN sagte ein junger Diakon, der unter Bierlein zu leiden hatte: «Als mir klar wurde, dass in Rummelsberg ein massiver sexueller Missbrauch abläuft, wandte ich mich an die zuständige Stelle der Kirche in München.» Als die zuständige Mitarbeiterin erfuhr, wer da beschuldigt wird, habe es geheißen: «Wir können da nichts machen.» Er sei erschüttert, dass die Kirche nun mit Zahlung der hohen Summe nun offenbar einen Schlussstrich ziehen will.

Dem jungen Mann fällt es bis heute sichtlich schwer, über den Missbrauch durch seinen früheren Chef zu reden. Insgesamt sind 28 Opfer namentlich bekannt. «Es gibt aber noch mehr», versichert ein Vertrauter, «die wollen nur nicht, dass ihre Namen bei der Landeskirche bekannt werden.»

Sie befürchten Nachteile oder schämen sich. Seit Anfang 2006, so die Schilderungen Betroffener, habe Bierlein sie mit geschickten Täuschungen, gönnerhaften Vertraulichkeiten, körperlichen Annäherungsversuchen, fein gesponnenen Intrigen oder auch verstörenden Liebeserklärungen in die Falle gelockt.

«Eiskalte Planung»

Dabei informierte er von seinem «Projekt» durchaus auch Außenstehende an verantwortlicher Stelle, blieb aber vage und verpflichtete alle zur Verschwiegenheit. Die Beteiligten sprechen von «perfidem Machtmissbrauch» und «eiskalter Planung», die Bierlein an den Tag gelegt habe. Während ihr Peiniger auf Veranstaltungen wieder Reden hält und offen Applaus bekommt, werden die Opfer von der Kirche hingehalten – so empfinden das die Diakone.

von Michael Kasperowitsch

Quelle:

http://www.nn-online.de/artikel.asp?art=1116391&kat=120