Basler Zeitung…

Nach dem Konkurs eines katholischen Bistums in den USA müssen mehrere Prozesse wegen sexuellen Missbrauchs verschoben werden.

Die «schmerzliche Entscheidung», Konkurs anzumelden, sei nach eingehender Überlegung getroffen worden, um bei begrenzten Mitteln alle Opfern des sexuellen Missbrauchs durch Priester gerecht zu behandeln, erklärte der Bischof der Diözese Wilmington, Francis Malooly, am Sonntag in Annapolis. Das Bistum mit 230’000 Katholiken in den US-Staaten Maryland und Delaware ist bereits die siebte Diözese, die sich für zahlungsunfähig erklärt, seit die Serie von Missbrauchsskandalen vor sieben Jahren in Boston begann.

Die Entscheidung bedeutet, dass der für Montag angesetzte erste von zunächst acht Prozessen verschoben werden muss. In den Zivilprozessen geht es um Schadensersatzforderungen von Opfern sexueller Gewalt. Insgesamt wurden mehr als 100 solcher Klagen eingereicht, nachdem ein neues Gesetz in Delaware für die Dauer von zwei Jahren die Verjährungsfrist bei solchen Straftaten ausgesetzt hatte.

Klägeranwalt Thomas Neuberger kritisierte die Konkursanmeldung des Bistums. Damit versuche das Bistum, sich um seine Verantwortung zu drücken und «die Wahrheit vor der Öffentlichkeit zu verbergen». Es sei nun zu befürchten, dass kranke und ältere Kläger, die teilweise schon im Alter von acht Jahren von Priestern missbraucht worden seien, keine Gerechtigkeit mehr erfahren würden.

Quelle:
http://bazonline.ch/ausland/amerika/Bistum-ist-pleite–kurz-vor-Prozessen-wegen-sexuellen-Missbrauchs/story/11240776

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Frankfurter Rundschau…

Flucht in den Konkurs

Von Dietmar Ostermann
Dies sei „eine schmerzliche Entscheidung. Ich habe gehofft und gebetet, sie nie treffen zu müssen. Nach eingehender Überlegung bin ich aber überzeugt, keine Wahl zu haben, als Gläubigerschutz nach Kapitel 11 zu beantragen.“

Mit diesen Worten hat Bischof Francis Malooly die rund 230.000 Seelen des katholischen Bistums Wilmington im US-Staat Delaware über jenen dramatischen Schritt informiert, mit dem er seinen Sprengel zu retten versucht. Malooly ist in den USA schon der siebte Bischof, dessen Diözese sich im Zuge des Missbrauchs-Skandals in den Gläubigerschutz rettet. Das traditionsreiche Bistum Wilmington, dem auch Vizepräsident Joe Biden angehört, ist das erste an der Ostküste, dem unter der Last der Entschädigungsforderungen von Opfern priesterlichen Missbrauchs der finanzielle Ruin droht.
Laut Gerichtsakten hat der Sprengel von Bischof Malooly bei einem geschätzten Vermögen von 100 Millionen Dollar schon jetzt Verbindlichkeiten von etwa 500 Millionen Dollar angehäuft – und seit Montag rollt eine neue Prozesswelle. Ein Gesetz hatte die Verjährungsfrist ausgesetzt, und in der Folge gingen gegen das Bistum 131 neue Missbrauchsklagen ein. Die erste, gegen den entlassenen Priester Francis DeLuca, wird seit Montag verhandelt. Ein heute 57 Jahre alter ehemaliger Altarjunge wirft dem Ex-Priester vor, ihn vor Jahrzehnten sexuell misshandelt zu haben. Allein gegen DeLuca, der 35 Jahre lang im Dienste der Diözese stand, liegen 20 weitere Klagen vor.
Gläubigerschutz nach Kapitel 11 soll in den USA überschuldeten Unternehmen eine Chance für den Neubeginn geben. Prominente jüngste Beispiele sind General Motors und Chrysler. In Wilmington aber hat die dunkle Vergangenheit nun das Bistum von Francis Malooly eingeholt. Dabei amtiert der 65-jährige Bischof erst seit einem Jahr in der Cathedral of Saint Peter. Zwar stammt Malooly, der im nahen Baltimore geboren wurde, aus einer katholischen Priesterfamilie. Sein Onkel, selbst Bischof, hatte ihm einst die Priesterwürde verliehen. Mancher in Wilmington aber hoffte mit seiner Ankunft auf einen Neuanfang, nachdem der Missbrauchs-Skandal für die 1869 gegründete Diözese zur schwersten Krise ihrer Geschichte geworden war.
Doch der Konkursantrag legte die alten Wunden wieder bloß. Er hoffe, der Schritt möge eine faire Entschädigung der Opfer erlauben, begründete der Bischof seine Entscheidung. Sonst wären diejenigen, deren Klage zuletzt behandelt würde, voraussichtlich leer ausgegangen. Opferanwälte wie Irwin Zalkin indes kritisierten umgehend, die Kirche wolle sich mit dem Gang zum Konkursrichter vor der Verantwortung und einer vollen Entschädigung drücken.

Quelle:
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/2025263_Portraet-Flucht-in-den-Konkurs.html

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Juridicum Journal…

Kirchenbankrott verzögert Missbrauchsprozess

Die katholische Kirche in den USA sieht sich weiter mit Klagen wegen sexuellem Missbrauchs durch ihre Priester konfrontiert. In Delaware wird der Beginn eines solchen Prozesses durch den Bankrott der Diözese verzögert.


Über 100 Klagen wegen sexueller Belästigung durch katholische Priester erschüttern das Bistum Wilmington im US-Bundesstaat Delaware nicht nur moralisch, sondern auch finanziell. Kurz vor Beginn eines Prozesses, in dem die ersten acht Kläger ihre Ansprüche geltend machen wollten, meldete die Diözese nun Insolvenz an (09-13560-CSSUS Bankruptcy Court, District of Delaware). Anwälte der Opfer befürchten eine Verzögerungstaktik.

Verjährung vorübergehend ausgesetzt

Grundlage für die meisten der Klagen ist ein Gesetz des Bundesstaates, in dem die Verjährungsfrist für Zivilklagen wegen sexueller Belästigung vorübergehend ausgesetzt wurde. Gemäß Article 10 § 8145 des Delaware Code bestand ab Juli 2007 ein zweijähriges „Fenster“ zur Einbringung von eigentlich bereits verjährten Ansprüchen. Gleichzeitig wurde die Verjährung für sexuelle Belästigung von Minderjährigen durch Erwachsene für künftige Fälle generell abgeschafft.

Bis dahin waren die Verjährungsfristen zivilrechtlicher Ansprüche eng gesetzt. Ab dem Zeitpunkt der Verletzung (bzw bei minderjährigen Opfern ab Erreichen der Volljährigkeit) hatte das Opfer zwei Jahre Zeit, um diese geltend zu machen. Ausnahmen bestanden nur für Verletzungen, die man an sich nicht vorher kennen konnte (inherently unknowable). Diese Ausnahme wurde von den Gerichten eng ausgelegt. Jedoch wurde unlängst erstmals von einem staatlichen Gericht in Delaware Unterdrückung der Erinnerung (memory supression) als mögliches Hemmnis der Verjährung in Betracht gezogen – in einem Prozess, in dem auch die Diözese Wilmington Beklagte war (Eden v Oblates, Sup Court of Delaware).

Einhundert Klagen und ein vorübergehendes Ende

Mittlerweile ist das Bistum nach eigenen Angaben mit 131 Klagen konfrontiert, von denen 30 im Wege außergerichtlicher Einigungen beigelegt werden konnten. Am Montag, dem 19. Oktober sollte in einem ersten Prozess acht der übrigen Klagen verhandelt werden. Nur einen Tag davor gab Bischof Malooly in einer Aussendung bekannt, dass die Diözese Insolvenz (Chapter 11 Bankruptcy Code) angemeldet hat. Dies hat den vorübergehenden Stopp der Zivilprozesse zur Folge.

Es gehe dabei, betont Malooly, nicht um Verzögerung, sondern um den Schutz der Ansprüche aller Opfer. Die Vergleichsverhandlungen seien gescheitert, weil die Diözese befürchtet hatte, bei zu hohen Zahlungen könnten andere Ansprüche unbefriedigt bleiben. Darüber hinaus sei die Kirche aber nicht nur zu den Schadenersatzzahlungen moralisch verpflichtet, sondern ebenso zur Aufrechterhaltung der gemeinnützigen Arbeit des Bistums. Um das Fortbestehen der Diözese nicht zu gefährden, sei der Schutz durch ein Chapter-11 Verfahren notwendig.

Bereits siebente Diözese im Insolvenzverfahren

Thomas Neuberger, Anwalt auf Seiten der Kläger, kritisierte in einer Stellungnahme den Schritt der Diözese. Dies sei nur der jüngste Schritt in einer langen Reihe von Versuchen, die Aufklärung der Verantwortung der Kirche in diesen Fällen von sexuellem Missbrauch zu behindern und außergerichtliche Einigungen zu erzwingen. Eines der Opfer in dem nun zu behandelnden Fall, ein ehemaliger Ministrant (altar boy) suchte bereits beim Konkursgericht aufgrund seines sich verschlechternden gesundheitlichen Zustandes um den planmäßigen Beginn der Verhandlung an.

Alleine in den letzten Jahren zahlte die Kirche in den USA mehrere hundert Millionen Dollar in außergerichtlichen Einigungen sowie nach erfolgreichen Klagen wegen sexueller Belästigung durch katholische Priester. Vor Wilmington haben bereits sechs andere Bistümer Insolvenz bzw Bankrott gemeldet: Das erste war Portland (Oregon), das größte San Diego (Kalifornien).

Quelle: