Offener Brief – Psychoanalytische Vereinigung, sollen Opfer schweigen?
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Antwort von Deutsche Psychoanalytische Vereinigung e.V. am 28.09.2009

Sehr geehrter Herr Denef,

als wir Anfang August Ihren Aufruf erhielten, Ihre Initiative zur Aufhebung der Verjährungsfrist für sexuellen Mißbrauch im Zivilrecht zu unterstützen, standen wir im Vorstand der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (DPV) vor einem Problem, das wir auch von anderen Initiativen, die an uns herangetragen werden, kennen. Einerseits haben wir als Privatpersonen Ihr Anliegen als sehr gut nachvollziehbar und gerechtfertigt eingeschätzt – wir wissen aus unserer Arbeit mit Opfern sexueller Gewalt, wie langwierig und schwer der Weg dahin ist, sich überhaupt herauszutrauen und öffentlich bekannt zu machen, was geschehen ist. (Ihr Buch zeigt das in eindrucksvoller Weise.)

Andererseits ging es nicht darum, wie wir als Privatpersonen dazu stehen, sondern Sie wollten von unserer Vereinigung eine Unterstützung Ihres Anliegens. Nun ist es so, daß es in der DPV als wissenschaftlicher Fachgesellschaft und gemeinnützigem Verein in Übereinstimmung mit ihrem satzungsgemäßen Auftrag einen Grundsatzbeschluß gibt, keine Stellungnahmen zu politischen Petitionen abzugeben, weder positiv noch negativ. Das ist ganz unabhängig davon, ob die Mitglieder des Vorstands ein Anliegen, wie in Ihrem Fall, persönlich für unterstützenswert halten.

Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände in der Ferienzeit bedingt, ist Ihnen der daraus resultierende Beschluß leider in einer so verkürzten Form mitgeteilt worden, daß der Eindruck der grundsätzlichen Ablehnung Ihres inhaltlichen Anliegens und sogar der der Gleichgültigkeit gegenüber den Opfern sexueller Gewalt entstehen konnte. Als Vorsitzender der DPV bedaure ich das sehr, es stellt unsere Einstellung geradezu auf den Kopf. Ich habe Ihnen gegenüber das zusammen mit unserer o.a. formellen Grundposition ja bereits in zwei längeren Gesprächen zum Ausdruck gebracht.

Ihre Angriffe auf die Psychoanalyse („kein Freund für Gewaltüberlebende“, „Onkel Freuds Märchenkiste … schadet den Opfern“ etc.) muß ich zurückweisen. Es werden Klischees reproduziert, die die geschichtliche Entwicklung verzerren und der gegenwärtigen Wirklichkeit der analytischen Psychotherapie nicht angemessen sind.

Wie ich Ihnen mitgeteilt habe, werde ich auf unserer nächsten Mitgliederversammlung im November unseren Mitgliedern von Ihrem Anliegen berichten und entsprechendes Informationsmaterial auslegen. Es besteht zudem für die Anwesenden die Gelegenheit, sich in eine Unterschriftenliste für Ihr Anliegen einzutragen.

Mit freundlichen Grüßen

gez.: Dr. G. Schneider
(Vors. der DPV)