Sexueller Missbrauch unter Jugendlichen häufig
Sozialpsychologin: „Pornografie lehrt sexuelle Verhaltensdrehbücher“

Fehlende Abgrenzung bringt jugendliche Paare oft in ernste Probleme

London/Potsdam (pte/07.09.2009/13:35) – Liebesbeziehungen unter Jugendlichen laufen nicht immer romantisch ab, sondern beinhalten oft erzwungene sexuelle Handlungen oder Aggressionen gegen den Partner. Das haben Wissenschaftler der Universität Bristol http://www.bris.ac.uk und der britischen Gesellschaft für die Prävention von Gewalt gegen Kinder (NSPCC) http://www.nspcc.org.uk erhoben. Sie untersuchten Jugendliche im Alter zwischen 13 und 17 Jahren, von denen 90 Prozent bereits sexuelle Erfahrungen hatten. Die Ergebnisse schockierten selbst die Studienautoren. Jedes sechste Mädchen gab an, bereits ein- oder mehrmals zum Sex gezwungen worden zu sein, eines von 16 Mädchen berichtete über eine Vergewaltigung vom Freund oder Ex-Freund. Jedes vierte ist körperlicher Gewalt ausgeliefert und wurde bereits vom Freund geohrfeigt, geschlagen oder regelrecht verprügelt. Jedes dritte Mädchen leidet an sexuellen Handlungen in der Beziehung.

Besonders betroffen waren junge Mädchen mit einem deutlich älteren Freund, sowie wenn sie bereits zuvor durch Eltern oder ältere Brüder Gewalt erlitten hatten. Bei den Burschen war der Anteil derer, die durch Druck oder Zwang zu sexuellen Handlungen gedrängt wurden, deutlich geringer. Nur jeder Fünfte berichtete von körperlicher Gewaltanwendung in der Beziehung. Mädchen gaben häufig an, aus Schuldgefühl oder Angst um den Verlust des Freundes wenig Alternativen zur Duldung der Gewalt zu haben. „Schockierend ist, dass so viele Jugendliche Gewalt oder Missbrauch in der Beziehung normal finden. Viele berichten ihren Eltern gar nicht, was wirklich passiert“, berichtet NSPCC-Sprecherin Diana Sutton. Die Studienautoren sehen die Ergebnisse als alarmierendes Signal, dass die Prävention von Gewalt in Beziehungen stärker im Schulunterricht einfließen soll.

Das Problem ist nicht auf Großbritannien beschränkt. „Auch unsere Erhebungen zeigen, dass sexuelle Aggressionen häufig vorkommen. Fast zwei Drittel der von uns untersuchten Frauen zwischen 18 und 20 Jahren hatte bereits unfreiwillige sexuelle Kontakte hinter sich“, berichtet Barbara Krahé, Sozialpsychologin an der Universität Potsdam http://www.psych.uni-potsdam.de im pressetext-Interview. Mädchen scheinen häufiger als Opfer auf als Burschen, wobei sich die Befragung zu Opfererfahrungen bei männlichen Jugendlichen schwierig gestaltet. „Auch Burschen berichten von unfreiwilligen Kontakten. Fragt man sie, wie schlimm sie diese empfunden haben, spielen sie es eher runter.“ Durch klinische Diagnostik könne man jedoch auch bei missbrauchten Jungen später Symptome wie vermehrte Depressionen oder Angstzustände feststellen. „Für Männer ist es schwieriger, diese Probleme auch wahrzunehmen oder zu kommunizieren“, so die Psychologin. Langfristige Folgen habe Missbrauch in der Partnerschaft für Mädchen wie auch für Burschen. „Wer einmal zum Opfer wird, hat erhöhtes Risiko, dass sich diese Erfahrung auch später wiederholt.“

Als wichtigsten Grund für diese Gewalt sieht Krahé ein sexuelles Verhaltensdrehbuch, das in den Köpfen vieler junger Menschen eingeschrieben sei. „Männer sollen fordern und Initiative zeigen, während Frauen Kontrolle suchen. Diese Normen werden auch aus pornografischen Darstellungen erlernt, die häufig Gewalt beinhalten. Frauen zieren sich dabei zuerst vor der Gewaltanwendung, willigen schlussendlich jedoch ein, da sie diese anscheinend doch toll finden. Pornografie ist heute für Jugendliche leichter zugänglich denn je und Burschen wie auch Mädchen übernehmen die hier gezeigten Rollen.“ Durch den Gruppenzwang unter Peers werden die sexuellen Drehbücher schließlich weitergegeben und gefestigt. „Burschen wollen bei Freunden dadurch punkten, dass sie möglichst viele Mädchen an Land ziehen“, so die Sozialpsychologin.

Als Ausweg aus sexueller Gewalt rät die Expertin den Opfern, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. „Eine Vielzahl von Notrufstellen nimmt sich speziell der Probleme jugendlicher Hilfesuchenden an. In einigen Großstädten gibt es darüber hinaus Einrichtungen für junge Männer, die einen besseren Umgang mit ihrer Neigung zu aggressivem Verhalten erlernen möchten“, so Krahé. Die wichtigste Maßnahme der Prävention sei es, die Verhaltensdrehbücher in Frage zu stellen und das Recht auf Selbstbestimmung als Norm zu erlernen. „Viele glauben, dass sexuelle Interessen mit Nachdruck durchgesetzt werden dürfen, besonders wenn man sich für den Partner finanziell verausgabt hat oder wenn es schon früher zu Annäherungen kam. Die Freiwilligkeit des Körperkontaktes hat jedoch für das Funktionieren einer Beziehung hohe Bedeutung.“ Das solle auch im schulischen Sexualunterricht stärker betont werden, schlägt die Potsdamer Psychologin vor. (Ende)

Aussender: pressetext.deutschland
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