Offener Brief

an Frau Loerbroks und Herrn Wendelin,

und an die Mitglieder Runder-Tisch-Heimerziehung in Berlin,

z.Z. überlege ich, ob ich Mitglied in Eurem Verein werden möchte, bzw. kann. Ich bin ein „Ehemaliger“, zuerst aus dem Vinzenskinderheim in Bochum und dazwischen ein Jahr zu Hause (die Hölle) und dann aus dem Knabenheim Westuffeln in Werl/Westf. (Für dieses Heim gibt es weder eine nur annähernde Bezeichnung, da dieses Heim zur damaligen Zeit ein „rechtsfreier und gottloser Raum“ war und der „Teufel“ sich dort an uns alle austoben konnte, sexuell mit körperlicher Züchtigung und Arbeitsfrondienst).

Am kommenden Montag betrete ich diesen Boden nach Jahrzehnten zum ersten Mal und treffe mich dort mit dem jetzigen Heimleiter Herrn Neuhaus. Zum einen um an meine Heimakte zu gelangen und zum anderen wurde mir seitens Herrn Neuhaus ein umfangreiches Gespräch angeboten.
Dass ich mich seit längerem in einer psychotherapeutischen Maßnahme befinde, brauch ich Euch ja nicht zu sagen.

Der Holocaust war das schrecklichste, was wir Deutsche 6 Mio. Menschen angetan haben!!! Noch heute steht der gesamte deutsche Staat als Erbnachfolger einer schrecklichen Diktatur in voller Verantwortung, wir hören es jeden tag und es ist auch gut so! Doch eben so gut sollte und müsste es sein, das der deutsche Staat und seine untergeordneten Institutionen, für an uns begangenes Unrecht, gerade stehen muss. Wir konnten uns damals nicht wehren, wir waren Freiwild und der Lust und den Launen angeblicher gottesfürchtiger Erzieher/innen ausgesetzt, auf Verdeih und Verderb! Es prägte uns, wie allen unschuldigen Menschen dieser Welt, fürs ganze leben! Für begangenes Unrecht, sollte man nicht die Augen verschließen und wachsam sein und den Anfängen wehren, so hören wir es stets an irgendwelchen Jahresgedenkveranstaltungen von unseren Politikern und von den Kanzeln. Wir verneigen uns vor den Toten und ich hoffe auch vor denen, die durch das erlittene keine andere Möglichkeit sahen, als  für sich den Freitod zu wählen.

Ich werde kämpfen, ich werde es mit Euch tun, aber auch alleine, ich werde es tun, für die, welche es nicht mehr können und denen meine Stimme verleihen, die stumm vor lauter Scham und Verletzlichkeit sind!!!

Den Kirchen sage ich folgendes: Im Namen der katholischen wie evangelischen Kirche Deutschlands haben sich zölibaterische Priester, Diakone, Erzieher, Lehrer… an uns vergangen, sich verlustiert, ihren Frust an uns ausgelassen, haben uns mit der Bibel in der Hand gezüchtigt und alles im Namen Gottes und des Staates versucht aus uns willige kleine Marionetten zu machen, welche nur den kirchlichen „Würdenträgern“ vorzuspielen hatten.
Jesus sagt: „Lasset die Kindlein zu mir kommen, denn ihnen ist das Himmelreich“… für uns war es aber die Hölle! Jesus sagt: „Was kümmern euch die Toten, sorgt euch lieber um die Lebenden“… dies sollte sich Kirche und Staat zu herzen nehmen und befolgen! Also sind unsere Ansprüche selbst vor Gott und dem Staat berechtigt und somit muss eine finanzielle wie moralische Wiedergutmachung erfolgen, damit auch wir wieder in Würde weiterleben können.

Ein Leben lang lautete meine Devise: Luctor et emergo  =  ich ringe und bleibe oben  (ich habe immer gerungen nie gelebt, dazu verdammt waren wir wie alle Ehemaligen wohl.

Ihr dürft diesen offenen Brief ruhig veröffentlichen und weitersenden, da meine Mittel sehr begrenzt sind und sie auch an die Mitglieder Runder-Tisch-Heimerziehung als Gedankenstütze weiterleiten, damit sie sich nicht aus der moralischen Verantwortung stehlen können.

Mit freundlichen Grüßen

Uwe Werner

41061 Mönchengladbach
Eickener Str. 33
Tel: 0160/22 90 642