Immer mehr Fälle werden bekannt.

Oscar-Romero-Haus, Bonn, den 13.12.05

Angesichts der jüngst an die Öffentlichkeit gelangten Fälle von sexueller Vergewaltigung im Bistum Magdeburg verweist die IKvu zum wiederholten Male nachdrücklich auf die Defizite im Umgang mit den Opfern dieser Gewalt.

Im Herbst 2002 hatte die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) mit den Leitlinien „Zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ (26.09.02) auf den Druck der öffentlichen Meinung reagiert. Die grundsätzliche Täterorientierung der Leitlinien bestätigte sich nun jedoch im jüngst bekannt gewordenen Fall des Magdeburger Mißbrauchs.

Da die Regelungen für Opfer viel zu unpräzise und unverbindlich sind, mußte sich der Betroffene Norbert Denef einer jahrelangen psychisch aufreibenden Auseinandersetzung mit dem Bistum Magedburg aussetzen, die zudem noch von Bistumsseite unter einem Schweigevorbehalt geführt wurde und erst jetzt bekannt wurde. Anstatt sich mit dem Betroffenen auf einen gemeinsamen Prozeß der Aufarbeitung des geschehenen Unrechts einzulassen – der dem Bistum immerhin die Chance geboten hätte, einen adäquaten Umgang mit dem Geschehenen zu entwickeln – verfolgte das Bistum die bekannte Strategie des Verheimlichens und erneuerte damit die Demütigung des Opfers.

„Dieses ganze Verfahren, das sich über mehrere Jahre quälend hinzog, bestätigt unsere Zweifel an den „Leitlinien“: die Perspektive der Opfer und die ganze Komplexität des Problems werden mit diesem Papier vollkommen unzureichend erfaßt.“ erklärte Bernd Hans Göhrig, Bundesgeschäftsführer der IKvu. „Gerade das Detail eines Schweigevorbehalts kann letztlich doch nur als fortgesetzter Täterschutz und Mißachtung des Opfers bezeichnet werden.“

Das Bistum Magdeburg hat nun den Weg einer Einzelentschädigungszahlung eingeschlagen, was immerhin als Anfang für weitergehende Regelungen gewertet werden kann. Vorausgegangen waren jedoch jahrelange demütigende Verhandlungen über die Legitimität eines solchen Anspruchs, in denen die konträren Interessen nach Anerkennung des Unrechts von Seiten Herrn Denefs und Absicherung von Seiten des Bistums aufeinanderprallten.

Die IKvu erneuert angesichts des hier deutlich werdenden skandalösen Umgangs mit schwer traumatisierten Menschen ihre Kritik an den „Leitlinien“ der Deutschen Bischofskonferenz:

1) Die Frage der Entschädigung von Opfern sexueller Gewalt ist noch immer nicht geklärt. Die Möglichkeit „finanzieller Unterstützung therapeutischer Maßnahmen im Einzelfall“ (L8) in Aussicht zu stellen wirkt wie ein Almosen und verkennt völlig die Situation der Betroffenen.

2) Die Leitlinien verstehen Prävention ausschließlich als relevant für die Priesterausbildung und damit täterorientiert, sie blenden also die Hälfte des Problems aus. Das ist im Grunde ein Schlag ins Gesicht derer, die wie Jugendverbände seit Jahren präventiv zu sexueller Gewalt arbeiten. Auch für Pfarrgemeinden, MinistrantInnenarbeit und kirchliche Schulen ist Prävention ein dringendes Thema, und zwar nicht als notwendiges Übel, sondern ideell und finanziell gefördert: Mädchen und Jungen stark zu machen, „Nein!“ zu sagen.3) Das Konzept eines „diözesanen Beauftragten“ genügt nicht dem strengen Kriterium des Opferschutzes. Um Einflußnahme und Parteilichkeit gleich welcher Art auszuschließen, wäre das Konzept der „unabhängigen Ombudsstelle“ als Anwältin des Opfers zu bevorzugen. Der Hinweis auf die angeblich zu geringe Auslastung einer solchen Stelle in den Diözesen ist vorgeschoben und überzeugt nicht: zwei bis drei unabhängige Bundesstellen, finanziert durch Kirchensteuermittel und dienst- bzw. fachaufsichtspflichtig angesiedelt im Bundesfamilienministerium wären durchaus sinnvoll und denkbar.

4) Die Verantwortung der Diözesanbischöfe für in der Vergangenheit „intern geregelte“ Fälle und getroffene Vereinbarungen wird nicht angesprochen. Dies betrifft insbesondere den Straftatbestand der Strafvereitelung durch kirchliche Stellen.

5) Eine öffentliche und anonyme Bilanz aller Verdachtsfälle, aller nach Rom gemeldeten Fälle und aller strafrechtlich verfolgten Fälle sowie die Überprüfung aller früheren Verdachtsfälle steht ebenfalls aus.

Bernd Hans Göhrig Bundesgeschäftsführer

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