Delitzsch. Die beiden Delitzscher Denef-Brüder Klaus und Gerd sowie ihre Familien sind völlig verwirrt, seit sie erfahren haben, welch ungeheuerlichen Dinge ihr jüngster Bruder Norbert laut einem gestrigen „Spiegel“-Bericht erlebt haben will. Im Vikariat gegenüber der katholischen Kirche in der Linden-/Ecke Elisabethstraße wäre er nach eigenen Aussagen vor über 40 Jahren sexuell missbraucht worden.

Bis Anfang der 90er Jahre habe der Kampf des Opfers, das zu Beginn der 80er Jahre die DDR nach einem Ausreiseantrag verließ, gedauert. Nach der Wende hätte er zunächst die Unterstützung seiner Familie in Delitzsch gesucht und sei dort abgewiesen worden. Anschließend habe er sich durch kirchliche Instanzen gekämpft, um Linderung und schließlich eine finanzielle Entschädigung für aufwändige psychische Therapien zu erlangen.

Laut Spiegel sei Norbert Denef eines der ersten Missbrauchsopfer, das durch die katholische Kirche Deutschlands entschädigt wurde. Den juristischen Weg hat er bisher nicht beschritten. „Weil es zu spät war, als ich anfing nachzudenken“, sagte Denef. Wir erreichten ihn gestern kurz vor Redaktionsschluss. Den Spiegel-Bericht bestätigte er Wort für Wort.

Dort wird ein Martyrium beschrieben, das die Brüder Gerd Denef, der in Delitzsch Bürgermeister ist, und Klaus, der sich hier in einer Bürgerinitiative gegen den Grundwasseranstieg engagiert, „nicht nachvollziehen“ können. „Wir hatten eine gute Kindheit“, so beide übereinstimmend. „Unsere Mutter hat uns fünf Kinder allein mit vielen Entbehrungen, aber vor allem viel Liebe aufgezogen“, äußerte Gerd Denef erschüttert zu den Behauptungen, mit den Peinigern des Bruders sei bei gemeinsamen Feiern mit Krim-Sekt angestoßen worden. „Wir waren froh, jeden Tag überhaupt drei Mahlzeiten auf dem Tisch zu haben. Und dass da was mit sexuellem Missbrauch gewesen sein soll, davon haben wir nichts bemerkt.“ Klaus Denef, der noch anlässlich des letzten Geburtstages mit seinem Bruder Norbert Kontakt gehabt haben will, wollte sich erst kundig machen, ehe er sich zu den Vorwürfen äußert. „Wenn Norbert behauptet, einer von uns hätte von ihm verlangt zu schweigen, dann muss er auch sagen, wer.“

Der Vorsteher des hiesigen katholischen Kirchenbezirks, Pfarrer Armin Kensbock, zeigte sich ebenso entsetzt über die Vorwürfe gegen den ehemaligen Vikar Alfons Kamphusmann. „Geistliche sind Vertrauenspersonen. Dieses Vertrauen wird durch solche Verfehlungen zerstört“, so derDechant. Er selbst traue sich nicht einmal mehr, „ein Kind zu herzen“. Er sei gespannt, wie die Bischofskonferenz „Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche“ in derPraxis anwende.“Nur schöne Worte werden da nicht reichen“, stellte er fest.

Im Bistum Magdeburg ist der Fall Norbert Denef bekannt. Er sei einer von zwei Missbrauchsvorwürfen im Bistum. „Das Opfer hat uns mit seiner Geschichte konfrontiert“, bestätigte Sprecher Thomas Lazar. Daraufhin habe man ihm „Hilfe und Beratung“ angeboten. Wie dies im Einzelnen aussah, darüber möchte sich die Kirche nicht öffentlich äußern. Ebenso sagte Lazar nichts zu den angeblichen Entschädigungszahlungen von 25 000 Euro.

Torben Stephan/Karin Rieck

Leipziger Volkszeitung “Familie Denef ist erschüttert”